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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.11.2002
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VII - 221/02
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
Die "besondere Schwierigkeit" im Sinne des § 99 BRAGO lässt sich nicht generell damit verneinen, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung nur mit zwei Berufsrichtern besetzt gewesen sei.
Beschluss Strafsache gegen S.M.,

wegen Raubes und Vergewaltigung (hier: Pauschvergütung für den als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts L. aus D. vom 18 Juli 2002 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Rechtsanwalt L. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 1.405 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 1.000 EURO (in Worten: eintausend EURO) bewilligt.

Gründe:

I.

Dem früheren Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren Raub und Vergewaltigung zur Last gelegt. Wegen dieser Vorwürfe ist er nach einer 2-tägigen Hauptverhandlung durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Oktober 2001 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Der Antragsteller war Pflichtverteidiger des ehemaligen Angeklagten. Er macht nun für die von ihm erbrachten Tätigkeiten eine Pauschvergütung geltend.

Im Einzelnen ist der Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten wie folgt tätig geworden: Der Antragsteller ist dem ehemaligen Angeklagten am 28. August 2001 nach Anklageerhebung beigeordnet worden. Zuvor ist er nicht als Verteidiger des ehemaligen Angeklagten aufgetreten. Der Antragsteller hat sodann Akteneinsicht genommen, einige Schreiben und Anträge verfasst und seinen Mandanten einmal in der Justizvollzugsanstalt Dortmund besucht. Dieser Besuch hat etwa 1 1/2 Stunden gedauert. Der Antragsteller hat außerdem an einem etwa einstündigen Haftprüfungstermin teilgenommen. Die beiden Hauptverhandlungstermine vor der großen Strafkammer haben 6 Stunden und 3 Minuten bzw. 5 Stunden und 5 Minuten gedauert. Im Verlauf der Hauptverhandlung hat auf Veranlassung des Antragstellers eine Wahlgegenüberstellung stattgefunden. Es sind sieben Zeugen vernommen worden. Das Urteil der Strafkammer umfasste 22 Seiten, davon betrug allein die Beweiswürdigung neun Seiten. Der Antragsteller hat gegen das Urteil der Strafkammer Revision eingelegt, die er kurz mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat. Wegen der übrigen vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 15. Oktober 2002 verwiesen.

II.

Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 1.405 DM bzw. 718,37 EURO (600 DM + 380 DM + 425 DM). Mit seinem Pauschvergütungsantrag hat der Antragsteller eine angemessene Pauschvergütung geltend gemacht. Der Vertreter der Staatskasse hat angeregt, den Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung zurückzuweisen.

III.

Dem Antragsteller war gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.

1. Das Verfahren war "besonders schwierig". Vorliegend hat der Vorsitzende der Strafkammer eine Einschätzung des Schwierigkeitsgrades des Verfahrens nicht abgegeben (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der ggf. vorliegenden Einschätzung des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts vgl. Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56); der Vertreter der Staatskasse ist der Auffassung, dass das Verfahren nicht besonders schwierig im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO gewesen sei, wofür vor allem spreche, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung gemäss § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG nur mit zwei Berufsrichtern besetzt gewesen sei.

Nach Auffassung des Senats war das Verfahren "besonders schwierig" im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Verfahren "besonders schwierig", das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend der Fall. Zu dieser Einschätzung ist der Senat aufgrund der zahlreichen bei ihm anhängigen Pauschvergütungsverfahren in der Lage, und zwar auch ohne die sonst übliche Einschätzung des Schwierigkeitsgrades des Verfahrens durch den Vorsitzenden. Die besondere Schwierigkeit folgt vorliegend einmal aus der nach Auffassung des Senats schwierigen Beweiswürdigung. Der ehemalige Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten bestritten. In der Hauptverhandlung war dann eine Wahlgegenüberstellung erforderlich, zu der es aufgrund der Anregung und des entsprechenden Vortrags des Antragstellers gekommen ist. Der ehemalige Angeklagte ist dann von den Zeugen als Täter wiedererkannt worden. Die mit der Wiedererkennungsproblematik zusammenhängenden Fragen sind in der Regel schwierig. Dass dies auch vorliegend der Fall gewesen ist, beweist der Umstand, dass fast der größte Teil des landgerichtlichen Urteils aus Beweiswürdigungsfragen besteht. Auch die Stellungnahme des Generalbundesanwalts zu der Revisionsbegründung, die ein anderer vom ehemaligen Angeklagten beauftragten Rechtsanwalt gefertigt hatte, befasst sich auf sieben Seiten fast ausschließlich mit der Wiedererkennungsproblematik.

Gegen die "besondere Schwierigkeit" lässt sich auch nicht einwenden, die Strafkammer sei in der Hauptverhandlung nur mit zwei Berufsrichtern besetzt gewesen. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG stellt nämlich nicht allein auf die Schwierigkeit der Sache, sondern darauf, ob "nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint". Welcher dieser Gründe für die Entscheidung der Strafkammer maßgeblich gewesen ist, lässt sich der Eröffnungsentscheidung nicht entnehmen.

2. Das Verfahren war für den Antragsteller allerdings noch nicht "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Vertreters der Staatskasse an. Weder die Teilnahme an den beiden Hauptverhandlungsterminen noch die übrigen vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten sind zeitlich so aufwändig gewesen, dass sie schon die Einordnung des Verfahrens als "besonders umfangreich" im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO rechtfertigen würden. Insbesondere die beiden Hauptverhandlungstermine sind noch im durchschnittlichen Bereich einzuordnen.

3. Bei der Bemessung der nach allem damit dem Antragsteller wegen der "besonderen Schwierigkeit" zu gewährenden Pauschvergütung ist der Senat von dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren von 1.405 DM bzw. 718,37 EURO ausgegangen und hat diese unter angemessener Berücksichtigung aller Umstände auf die bewilligte Pauschvergütung von 1.000 EURO angehoben. Dabei sind die bereits erwähnten Tätigkeiten, die der Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbracht hat, berücksichtigt und gegeneinander abgewogen worden.

Ende der Entscheidung

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