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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VIII-116/05
Rechtsgebiete: RVG, StPO
Vorschriften:
RVG § 51 | |
StPO § 35 |
Beschluss
In der Bewährungs- und Unterbringungssache
gegen T.H.
wegen räuberischen Diebstahls (hier: Pauschvergütung für den bestellten Verteidiger).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts R. aus Essen vom 10./21. März 2005 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Pflichtverteidigung des Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 06. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Tenor:
Rechtsanwalt R. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 60,-- EURO eine Pauschvergütung von 250,-- EURO (in Worten: zweihundertfünfzig EURO) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 16. April 2004 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden, allerdings wurde die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Kurz darauf hat die Staatsanwaltschaft bereits den Widerruf der Bewährung beantragt und ist die Bewährung widerrufen worden. In dem Widerrufsverfahren ist der Antragsteller dem Verurteilten mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Juni 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er hat in seiner Eigenschaft als Pflichtverteidiger den Verurteilten in der Klinik in Langenfeld, in die er aufgenommen worden war, besucht, ein 22-seitiges psychiatrisches Gutachten ausgewertet und mehrer Gespräche mit der Mutter des Verurteilten und dessen Betreuer geführt. Der Antragsteller hat zudem gegen den Widerrufsbeschluss der Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und diese begründet. Der Widerrufsbeschluss ist durch die Beschwerdekammer aufgehoben worden.
Der Antragsteller, dessen gesetzliche Gebühren 60 EURO betragen, hat für seine Tätigkeit eine Pauschvergütung in Höhe von rund 300 EURO beantragt. Dabei hat er die nach dem RVG entstandenen gesetzlichen Gebühren zugrunde gelegt. Der Antragsteller ist darüber hinaus der Ansicht, das RVG sei anwendbar, da ihm der Beiordnungsbeschluss erst nach dem 1. 7. 2004 zugegangen sei. Der Vertreter der Staatskasse hat gegen die Gewährung einer Pauschvergütung keine Einwände erhoben, ist jedoch der Auffassung, dass die BRAGO anwendbar ist. .
II.
1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist vorliegend die BRAGO anwendbar und nicht das RVG. Der Antragsteller ist am 24. Juni 2004 beigeordnet worden. Das RVG ist aber erst am 1. 7. 2004 in Kraft getreten. Für den Pflichtverteidiger kommt es für die Anwendung des RVG aber auf den Zeitpunkt der Beiordnung an (Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsache, Vergütungs-ABC: Übergangsvorschriften §§ 60 f. , Rn. 28). Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Beiordnungsbeschluss dem Antragsteller erst nach dem 1. Juli 2004 zugegangen ist. Die Beiordnung zum Pflichtverteidiger wird wirksam mit Erlass des Beiordnungsbeschlusses durch den Vorsitzenden. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Rechtsanwalt ist für die Wirksamkeit ohne Bedeutung, auch wenn der Beschluss gemäß §§ 35 Abs. 2 34 StPO bekannt zu machen ist. Die Entscheidung des OLG Stuttgart in AnwBl. 1980, 114 führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie betrifft nicht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sondern die Bestellung eines so genannten "Armenanwalts". Dessen Bestellung ist aber mit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht vergleichbar. Bei diesem geht die Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1991, 94) davon aus, dass ein ggf. bestehendes Wahlmandat (konkludent) niedergelegt wird, wenn die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt wird (vgl. dazu Senat in StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112 mit weiteren Nachweisen aus der übrigen Rechtsprechung zu §§ 60, 61 RVG). Der Angeklagte/Verurteilte würde also in den Fällen der notwendigen Verteidiger zumindest zeitweise verteidigungslos sein, wenn es hinsichtlich der Wirksamkeit des Beiordnungsbeschlusses auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ankäme.
2.
Dem Antragsteller war gem. § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einer "besonders umfangreichen" Strafsache tätig geworden ist.
a) "Besonders schwierig" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO war das Verfahren allerdings nicht. Mit der Vorsitzenden der Gerichts und dem Vertreter der Staatskasse ist der Senat der Auffassung, dass es sich noch nicht um ein "besonders schwieriges" Verfahren gehandelt hat.
b) Das Verfahren war jedoch schon "besonders umfangreich" i.S. des § 99 Abs. 1 BRAGO. Die dargelegten Tätigkeiten des Antragstellers gehen erheblich über das hinaus, was in vergleichbaren Strafvollstreckungssachen sonst von Pflichtverteidigern an Zeitaufwand für ihre Mandanten erbracht werden muss. Der Antragsteller hat nämlich nicht nur für den Verurteilten im schriftlichen Verfahren Stellung genommen, sondern hat ihn zudem in der Klinik in Langenfeld aufgesucht. Zudem hat er die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts begründet.
c) Bei der Bemessung der demnach zu gewährenden Pauschvergütung hat sich der Senat von seiner ständigen Rechtsprechung leiten lassen: Danach (vgl. zuletzt Senat in NStZ-RR 2003, 139 = StraFo 2003, 219 = StV 2004, 96 mit weiteren Nachweisen) ist - mangels eines speziellen gesetzlichen Gebührentatbestandes für die Tätigkeit des (erstmals) im Strafvollstreckungsverfahren zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts - auf die Vorschrift des § 91 BRAGO zurückzugreifen (siehe auch OLG Düsseldorf StV 1985, 71; OLG Hamm MDR 1994, 736 = StV 1994, 501), die in ihrer Nr. 1 allgemein auf andere nicht in § 91 Nr. 2 und 3 BRAGO genannte Beistandsleistungen abstellt und in Nr. 2 die Beistandsleistung für den Beschuldigten bei Vernehmungen erwähnt. Die vom Antragsteller vorliegend erbrachten Tätigkeiten sind, da eine gesetzliche Regelung zu dem Zeitpunkt des Tätigwerdens nicht gegeben war, dem § 91 Nr. 1 BRAGO vergleichbar. Legt man diese Gebührenvorschrift zugrunde, ist hier für den Wahlverteidiger grundsätzlich ein Gebührenrahmen von 15 bis 175 EURO eröffnet. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ergibt sich für den Pflichtverteidiger somit eine gesetzliche (Mindest-)Gebühr von 60 EURO.
Im Hinblick auf den für den Senat erkennbaren, im Einzelnen bereits dargelegten Arbeitsaufwand des Antragstellers und unter weiterer Berücksichtigung der Dauer der Beiordnung hielt der Senat eine deutliche Erhöhung der gesetzlichen Gebühr von 60 EURO auf 250 EURO für geboten. Der Senat hatte keine Bedenken, eine Pauschvergütung über der Wahlanwaltshöchstgebühr von 175 EURO zu gewähren. Zwar ist eine Pauschvergütung in dieser Höhe nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich sonst nur dann gerechtfertigt, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast überwiegend in Anspruch genommen hat (siehe u.a. Senat in AGS 2000, 249 und die Zusammenstellung bei Burhoff StraFo 2001, 119, 123). Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Fälle sind jedoch, worauf der Senat schon wiederholt hingewiesen hat (vgl. z.B. Senat in AGS 2001, 201 = JurBüro 2001, 641), mit denen, in denen bei der Gewährung einer Pauschvergütung von der gesetzlichen Gebühr der §§ 91, 97 BRAGO auszugehen ist, nicht vergleichbar. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Gebühr in den Fällen der §§ 91, 97 BRAGO völlig unzulänglich und unbillig niedrig waren. Diesem Mangel hat der Gesetzgeber für die Zeit nach dem 1. Juli 2004 inzwischen durch die Neuregelung in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG abgeholfen. Für die Zeit vorher ist nach Auffassung des Senats zur Vermeidung eines - ansonsten verfassungswidrigen - Sonderopfers des Pflichtverteidigers (vgl. dazu zuletzt BVerfG StV 2001, 241) nach wie vor die Wahlverteidigerhöchstgebühr zu überschreiten. Eine höhere Gebühr als die bewilligte erschien dem Senat jedoch nicht angemessen und auch nicht erforderlich, Demgemäß war der weitergehende Antrag zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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