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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.07.2000
Aktenzeichen: 2 BL 126/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 121 | |
StPO § 120 | |
StPO § 270 |
Zur Annahme eines wichtigen Grundes im Sinn von § 121 StPO, wenn das Amtsgericht das Verfahren erst in der Hauptverhandlung wegen nicht ausreichender Strafgewalt an das Landgericht verwiesen hat.
Beschluss
Strafsache gegen M.C. wegen Zuhälterei u. a., (hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die Vorlage der Akten (1 Stehordner und 4 Bände Zweitakten nebst Zweitschriften von 3 Sonderbänden) zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.07.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seiner Verteidiger beschlossen:
Tenor:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
Der Angeklagte befindet sich seit dem 10. Januar 2000 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hagen vom 27. Dezember 1999 (66 Gs 1679/99) in der vorliegenden Sache ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit diesem Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in dem Zeitraum zwischen Juli und November 1999 ein Vergehen der Förderung der Prostitution gemäß § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie eine Anstiftung zur Nötigung und versuchten Strafvereitelung begangen zu haben. Soweit dem Angeklagten mit dem Haftbefehl darüber hinaus vorgeworfen wird, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben, ist das Verfahren zwischenzeitlich gemäß § 154 StPO im Hinblick auf die übrigen Anklagevorwürfe vorläufig eingestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft Hagen hat nach Abschluss der umfangreichen Ermittlungen bereits unter dem 6. März 2000 Anklage beim Amtsgericht - Schöffengericht - Lüdenscheid wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Anstiftung zur Nötigung und versuchten Strafvereitelung, Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution, Nötigung sowie wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erhoben und die Hinzuziehung eines zweiten Richters beim Amtsgericht gemäß § 29 Abs. 2 GVG beantragt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.
Da jedoch eine Anpassung des Haftbefehls insoweit bislang nicht erfolgt ist, sind Grundlage der Haftentscheidung des Senats allein die oben genannten und im Haftbefehl vom 27. Dezember 1999 aufgeführten Fälle.
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 18. April 2000 hat ab dem 15. Mai 2000 die Hauptverhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht an insgesamt neun Verhandlungstagen stattgefunden. In der Hauptverhandlung vom 26. Juni 2000 ist die Sache durch Beschluss vom selben Tage gemäß § 270 StPO an die Strafkammer des Landgerichts Hagen verwiesen worden.
Zur Begründung ist insoweit ausgeführt worden, dass angesichts der von der Staatsanwaltschaft beantragten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten bei Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren, einem Jahr sechs Monaten, drei Jahren sowie sechs Monaten unter Würdigung der erheblichen Anklagevorwürfe die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als vier Jahren in Betracht komme und deshalb die Strafgewalt des Amtsgerichts nicht ausreiche.
Der Angeklagte ist der der Haftentscheidung des Senats zugrunde zu legenden Taten aus den in der Anklageschrift näher ausgeführten Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, sowie aufgrund der dort bezeichneten Beweismittel dringend verdächtig. Zudem wird der dringende Tatverdacht auch durch die im Verweisungsbeschluss des erweiterten Schöffengerichts dargelegten Erwägungen bekräftigt.
Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, da der vielfach vorbestrafte Angeklagte unter Berücksichtigung seiner - teils auch einschlägigen - Vorbelastungen sowie der Schwere der Vorwürfe mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen hat und dem dadurch begründeten Fluchtanreiz keine hinreichenden sozialen und persönlichen Bindungen in Deutschland gegenüberstehen. Unter Würdigung der gesamten Umstände ist daher zu befürchten, dass sich der Angeklagte im Falle seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
Dieser Gefahr kann auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gemäß § 116 Abs. 1 StPO in ausreichendem Maße begegnet werden.
Die bisher gegen ihn vollzogene sowie die weitere Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tatvorwürfe und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Freiheitsstrafe.
Wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen aber die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.
Das Verfahren ist nämlich nicht durch Umstände verzögert worden, denen die Strafverfolgungsbehörden durch geeignete Maßnahmen früher hätten entgegenwirken können. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft nach Durchführung der Hauptverhandlung in ihrem Schlussantrag eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren neun Monaten beantragt hat, zeigt, dass die Anklage nicht von vornherein etwa vor einem unzuständigen und nicht mit ausreichender Strafgewalt ausgestatteten Gericht erhoben worden ist, sondern die Anklageerhebung vor dem Schöffengericht, das zu einer zeitnahen Durchführung der Hauptverhandlung in der Lage war, jedenfalls vertretbar und sachgerecht war. Vor Abschluss der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ließ sich offensichtlich auch für das Schöffengericht nicht absehen, ob seine Strafgewalt ausreichen würde, zumal durch die umfangreiche Beweisaufnahme, in der zahlreiche Zeugen vernommen worden sind, erst der Schuldumfang und der dem Angeklagten letztlich zu machende Vorwurf festgestellt werden musste. Wenn bei dieser Sachlage erst die Zwischenberatung des Gerichts unmittelbar nach Abschluss der Beweisaufnahme und nach dem Plädoyer des Staatsanwalts ergeben hat, dass die Strafgewalt nicht ausreicht, ist diese Entscheidung zu dem für das Gericht frühest möglichen Zeitpunkt erfolgt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidend von denjenigen, über den das OLG Hamburg durch Beschluss vom 11. Dezember 1998 (StV 1999, 163) entschieden hat. In jenem Fall war nämlich ohne Durchführung einer Beweisaufnahme durch einen - wie das OLG Hamburg entschieden hat - unwirksamen Verweisungsbeschluss gemäß § 270 StPO das Verfahren an das Landgericht verwiesen worden, was aber zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt hätte geschehen können.
Dem in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebot ist somit vorliegend noch in hinreichender Weise Rechnung getragen worden. Zwar ist ein Hauptverhandlungstermin vor der Strafkammer noch nicht anberaumt worden, diese hat aber unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Verteidiger voraussichtlich bis Mitte September in anderen Sachen terminlich gebunden ist, bereits angekündigt, die Sache dem Beschleunigungsgebot entsprechend weiter zu fördern und ehest möglich die Hauptverhandlung unter Beachtung des vorliegenden Verfahrens als Haftsache und unter Berücksichtigung bereits bestehender Termine in anderen Haftsachen durchzuführen. Es kann daher erwartet werden, dass innerhalb der Verlängerungsfrist ein Urteil ergehen, zumindest aber mit der Hauptverhandlung begonnen wird.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 2 StPO.
Ende der Entscheidung
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