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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 2 Sdb (Fam.S.) Zust. 12/08
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 23 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat lehnt eine Entscheidung ab.

Gründe

I.

Der Kläger begeht von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihre Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2006 verweigert hat. Die Parteien haben sich im Laufe des Jahres 2006 voneinander getrennt. Der Kläger beziffert den ihm entstandenen steuerlichen Schaden mit 2.503,44 €.

Die Zivilabteilung des Amtsgerichts hat dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage durch Beschluss verweigert. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Bielefeld den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Es hat die Zuständigkeit des Familiengerichts kraft Sachzusammenhangs angenommen und die Zivilabteilung des Amtsgerichts angewiesen, die Sache an das zuständige Familiengericht abzugeben. Das Familiengericht hat die Übernahme der Sache nach formloser Übergabe durch die Zivilabteilung durch begründete - den Verfahrensbeteiligten nicht zugesandte - Verfügung abgelehnt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

II.

a) Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlaßt, da ein Zuständigkeitskonflikt i. S. d. § 36 I Nr. 6 ZPO nicht vorliegt. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die genannte Bestimmung entsprechend auf den Zuständigkeitsstreit verschiedener Abteilungen desselben Gerichts anzuwenden ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rz. 23 m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift des § 36 I Nr. 6 ZPO auch auf Verfahren, die sich noch im Prozesskostenhilfeprüfungsstadium befinden, entsprechend anwendbar (vgl. Senat, FamRZ 1989, 641). Erforderlich ist aber in jedem Fall eine ernsthafte und als endgültig gemeinte Unzuständigkeitserklärung der beiden beteiligten Gerichtsabteilungen, die nicht rein gerichtsintern geblieben, sondern den Beteiligten - zumindest formlos - bekannt gemacht worden sind (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1154; 1997, 1161; BayObLG NJW-RR 2005, 1012; OLGR Hamburg 2005, 805; Zöller-Vollkommer, a. a. O., Rz. 25). Daran fehlt es, denn die Abteilung für Familiensachen hat die lediglich in einem Vermerk festgehaltene Unzuständigkeitserklärung weder den beteiligten Parteien noch der abgebenden Zivilabteilung zur Kenntnis gebracht.

b) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach seiner Ansicht die funktionelle Zuständigkeit der Zivilabteilung des Amtsgerichts gegeben ist, denn es liegt keine Familiensache im Sinne des § 23b I 2 GVG vor.

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer betrifft weder die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht noch einen güterrechtlichen Anspruch. Er steht auch nicht in engem Sachzusammenhang mit solchen Ansprüchen (vgl. Senat FamRZ 1991, 1070; OLG Rostock FamRZ 2004, 956, 957; OLG Stuttgart FamRZ 1992, 1147; OLG München FamRZ 1983, 614; Zöller-Philippi, a. a. O., § 606 Rz. 4).

Insoweit verhält es sich anders als bei dem Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen auf Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting, der regelmäßig in die funktionelle Zuständigkeit der Familiengerichte fällt, weil er so eng mit dem Unterhaltsrechtverhältnis verbunden ist, dass ein unmittelbarer Sachzusammenhang besteht (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 298, OLG Köln FamRZ 1986, 1111; Zöller-Philippi, a. a. O., § 621 Rz. 43; Palandt-Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1353 Rz. 12b). Entscheidend für die Qualifizierung dieses Anspruchs als ein familienrechtlicher Anspruch ist, dass der Anspruch auf Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting - im Unterschied zu der zivilrechtlichen Verpflichtung eines jeden Ehegatten, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen (vgl. BGH FamRZ 2005, a. a. O.) - unmittelbar Unterhaltszwecken dient, denn die Möglichkeit des steuerlichen Realsplittings ist gerade dafür geschaffen worden, die durch die mit der Trennung der Eheleute entstehenden steuerlichen Nachteile auszugleichen. Deshalb ist ein vom Unterhaltspflichtigen durch das begrenzte Realsplitting erzielbarer Vorteil unter bestimmten Voraussetzungen schon bei der Unterhaltsbemessung selbst unterhaltserhöhend zu berücksichtigen (vgl. BGH FamRZ 2008, 40 ff.).

Den Anspruch auf Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer mit dem Anspruch auf Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting gleichzusetzen, folgt auch nicht daraus, dass beide Ansprüche auf Schadensersatz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Wesen der Ehe, insbesondere der daraus abgeleiteten Verpflichtung folgen, die finanziellen Lasten des anderen Ehepartners nach Möglichkeit zu vermindern (vgl. BGH FamRZ 2005, 182 f.; 1988, 820, 821). Das alleine reicht für die Qualifizierung als familienrechtlicher Anspruch nicht aus, denn dann würde jeder mit der Ehe zusammenhängende vermögensrechtliche Anspruch zwischen Eheleuten die Zuständigkeit des Familiengerichts herbeiführen. Das ist, wie die Ausgestaltung des § 23b GVG als abschießender Zuständigkeitskatalog belegt, vom Gesetz nicht gewollt (vgl. auch OLG Stuttgart, a. a. O.).

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