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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: 2 Sdb (FamS) Zust. 3/07
Rechtsgebiete: ZPO, FGG


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 2
ZPO § 621 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 2 S. 2
ZPO § 621 Abs. 3
FGG § 36 Abs. 1 S. 1
FGG § 43 Abs. 1
FGG § 64 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (als Teil der elterlichen Sorge) für den gemeinsamen Sohn E (geb. am xxx), welcher nach der Trennung der Eltern zunächst beim Vater verblieben und am 20.7.2006 in den Haushalt der Mutter gewechselt ist. Der Vater wohnt im Bezirk des Amtsgerichts Gelsenkirchen, die Mutter wohnt im Bezirk des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen hat den bei ihm am 23.5.2006 im Verfahren 24 F 183/06 eingegangenen Antrag des Kindesvaters (auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn alleine) am 29.5.2006 der Kindesmutter förmlich zugestellt.

Über die örtliche Zuständigkeit für den am 22.5.2006 von der Kindesmutter vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen im Verfahren 24 F 237/06 gestellten Scheidungsantrag, verbunden mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, hat der Senat durch Beschluss vom 22.12.2006 entschieden und die Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer festgestellt. Das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer hat die begehrte Prozesskostenhilfe für den Scheidungsantrag durch Beschluss vom 31.1.2007 (wegen Nichtablauf des Trennungsjahres) verweigert. Seitdem wird das Scheidungsverfahren nicht weiter betrieben.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen hat das Verfahren betreffend die elterliche Sorge mit Beschluss vom 17.11.2006 an das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer verwiesen mit der Begründung, dass dort die Ehesache (Scheidung) anhängig sei. Mit Beschluss vom 23.2.2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Daraufhin hat sich das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen durch Beschluss vom 13.3.2007 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO sind gegeben, da sich sowohl das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen als auch das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer durch begründeten und dem jeweils anderen Gericht zugestellten Beschluss für örtlich unzuständig erklärt haben.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelsenkirchen folgt aus den §§ 36 I 1, 43 I, 64 III 2 FGG. Danach ist dasjenige Gericht für die Regelung der elterlichen Sorge örtlich zuständig, in dessen Bezirk das betroffene minderjährige Kind seinen Wohnsitz hat. Dass E zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sorgerechtsverfahren einen Doppelwohnsitz - sowohl am Wohnort des Vaters, als auch am Wohnort der Mutter - hatte, weil das minderjährige Kind seinen Wohnsitz vom Wohnsitz der sorgeberechtigten Eltern ableitet (§§ 7 II, 11 BGB) und beide Eltern ihren Wohnsitz am Ort unterschiedlicher Gerichte haben, steht der Begründung des Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelsenkirchen nicht entgegen. In diesem Fall der Wahlzuständigkeit entsteht die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht, bei dem das Verfahren (zuerst) rechtshängig gemacht wird (vgl. Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. A., § 35 Rz. 2). Rechtshängig wurde das Verfahren betreffend die elterliche Sorge durch Zustellung der Antragsschrift an die Kindesmutter durch das Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen am 29.5.2006 (vgl. §§ 253 I, 261 I ZPO).

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelsenkirchen ist nicht durch die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelsenkirchen-Buer nach § 621 III ZPO aufgehoben worden. Eine zuständigkeitsbegründende Verweisung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Ehesache beim Familiengericht in Gelsenkirchen-Buer rechtshängig geworden ist. Daran fehlt es, denn eine förmliche Zustellung des Scheidungsantrags der Kindesmutter an den Kindesvater in dem dort anhängigen Scheidungsverfahren ist nicht erfolgt.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gelsenkirchen-Buer folgt auch nicht aus § 621 II Nr. 1 ZPO.

Zwar ist die Ehesache (Scheidung) weiterhin beim Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer anhängig, denn die Kindesmutter hat ihren Scheidungsantrag nicht unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für die Scheidung beseitigt deren Anhängigkeit nicht (vgl. Wieczorek/Schütze-Kemper, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 3. A., § 621 Rz. 124).

§ 621 II ZPO begründet jedoch eine ausschließliche Zuständigkeit nur für solche Familiensachen, die bei Anhängigwerden der Ehesache noch nicht - bei einem anderen Gericht - rechtshängig sind (Wieczorek/Schütze-Kemper, a. a. O., § 621 Rz. 128, 131; Saenger-Kemper, 1. A., Zivilprozessordnung, § 621 Rz. 75). Das folgt aus § 621 II 2 ZPO, wonach sich die örtliche Zuständigkeit für eine Familiensache vor Anhängigkeit der Ehesache nach den allgemeinen Vorschriften richtet und aus § 261 III Nr. 2 ZPO, wonach eine einmal bei Rechtshängigkeit begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine nachträgliche Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (sog. perpetuatio fori). Eine Durchbrechung der allgemeinen Regel des § 261 III Nr. 2 ZPO wird, wie sich aus der Verweisungsmöglichkeit des § 621 III ZPO ergibt, vor Rechtshängigkeit der Ehesache nicht eröffnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Rechtshängigwerden einer Familiensache bei einem anderen - mit der Ehesache nicht befassten Gericht - in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass sich das damit befasste Gericht bereits in den Sach- und Streitstand eingearbeitet hat. Um eine unnötige zusätzliche Belastung der Gerichte zu vermeiden, erscheint es in einem solchen Fall gerechtfertigt, dass die mit der Verweisungsmöglichkeit nach § 621 III ZPO bezweckte Konzentration aller Familiensachen der Parteien bei dem mit der Ehesache befassten Gericht erst dann eintritt, wenn feststeht, dass das Eheverfahren tatsächlich dort geführt wird. Das ist - wegen der vom Eintritt der Rechtshängigkeit abhängigen Sperrwirkung des § 261 III Nr. 2 ZPO - erst dann sichergestellt, wenn Rechtshängigkeit der Ehesache eingetreten ist.

Ende der Entscheidung

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