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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.12.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 1165/2000
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 258
Leitsatz

Zur (nochmaligen) Gewährung des letzten Wortes nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme


Beschluss: Strafsache gegen S.W., wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten vom 6. Juli 2000 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Herne vom 3. Juli 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten im angefochtenen Urteil wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich die (Sprung-) Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die formelle Rüge des Angeklagten, mit der er einen Verstoß gegen §§ 337, 258 Abs. 2 und 3 StPO geltend macht, hat - zumindest vorläufigen - Erfolg.

1. Dieser Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Am Schluss der Hauptverhandlung vom 3. Juli 2000 wurde dem Angeklagten zunächst gemäß § 258 Abs. 2 Halbsatz 2, 3 StPO das letzte Wort gewährt. Er erklärte, dass er sich den Ausführungen seines Verteidigers anschließe. Danach trat das Gericht erneut in die Hauptverhandlung ein. Der Angeklagte gab nun noch Erklärungen zu einer von ihm ggf. aufzunehmenden Aushilfsarbeit ab. Danach wurde er erneut befragt, ob er noch etwas zu erklären habe. Weitere Beweisanträge wurden nunmehr nicht mehr gestellt. Die Beweisaufnahme wurde erneut geschlossen. Das Gericht verkündete sodann den Beschluss, wonach der Antrag des Verteidigers auf Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurde. Außerdem wurde in einem weiteren Beschluss der Haftbefehl des Amtsgerichts Herne vom 1. 10. 1999 aufgehoben. Im unmittelbaren Anschluss daran verkündete das Amtsgericht dann das Urteil gegen den Angeklagten.

2. Mit seiner den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge (vgl. dazu BGH StV 1995, 176) macht der Angeklagte zu Recht den (relativen) Revisionsgrund nach den §§ 337, 258 Abs. 2 Halbsatz 2, 3 StPO geltend.

Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung, durch das gemäß § 274 StPO der zur Begründung der formellen Rüge dargelegte Gang der Hauptverhandlung bewiesen wird, ist der Angeklagte nach Verkündung der beiden Beschlüsse durch das Amtsgericht nicht (noch einmal) gemäß § 258 Abs. 2, 3 StPO befragt worden, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung anführen wolle bzw. ist ihm das sog. letzte Wort nicht gewährt worden. Damit hat der Angeklagte nicht als letzter Verfahrensbeteiligter vor der Beratung des gegen ihn erlassenen Urteils gesprochen (vgl. dazu BGH, a.a.O.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 258 Rn. 20 ff. mit weiteren Nachweisen).

Auf das letzte Wort des Angeklagten konnte vorliegend auch nicht verzichtet werden. Dahinstehen kann, ob dem Angeklagten vor der Verkündung der beiden Beschlüsse bereits ausreichend das letzte Wort gewährt worden war (vgl. dazu BGH StV 2000, 5; Senat in StV 2000, 298 = http://www.burhoff.de). Denn selbst wenn das der Fall ist, hätte ihm das Amtsgericht nach ausdrücklichem Wiedereintritt und der Verkündung der beiden Beschlüsse erneut das letzte Wort gewähren müssen. Der Angeklagte hatte noch Erklärungen abgegeben. Schon dadurch und zumindest auch durch den den Haftbefehl des Amtsgericht Herne aufhebenden Beschluss war aber die Hauptverhandlung wiedereröffnet worden (vgl. dazu BGH NStZ 1984, 376; NStZ 1986, 470 = StV 1986, 420; StV 1997, 339 = NStZ-RR 1997, 107; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl., 1999, Rn. 1169), was die erneute Gewährung des letzten Wortes nach § 258 Abs. 2, 3 StPO erforderlich machte.

Da das Beruhen der Verurteilung des bestreitenden Angeklagten auf dem vorliegenden Verstoß gegen § 258 Abs. 2, 3 StPO nicht auszuschließen ist (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 15; StV 99, 5; Senat, a.a.O.), war das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Amtsgericht Herne zurückzuverweisen. Da das angefochtene Urteil schon aus diesem Grund aufzuheben war, konnte dahinstehen, wie der Umstand zu werten ist, das nach dem Protokoll der Hauptverhandlung dem Verteidiger des Angeklagten nach der Verkündung der beiden Beschlüsse auch nicht noch einmal die Gelegenheit zu einem Schlussvortrag gegeben worden ist. Dahinstehen konnte auch, dass nach dem Protokoll das angefochtene Urteil des Schöffengerichts offenbar ohne Beratung ergangen ist.

II.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Es dürfte sich empfehlen, in der erneuten Hauptverhandlung den in der Anklage aufgeführten Zeugen T., der in der Hauptverhandlung vom 3. Juli 2000 nicht vernommen worden ist, zu vernehmen. Die im Übrigen zulässig begründete Aufklärungsrüge macht insoweit grundsätzlich zu Recht geltend, dass auf die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung vom 27. Juni 2000 nicht nur nicht verzichtet worden, sondern ausdrücklich erklärt worden ist, dass auf die Vernehmung dieses Zeugen nicht verzichtet werde. Bei dieser Sachlage neigt der Senat zu der Auffassung, dass dann in der folgenden Hauptverhandlung die Vernehmung des offenbar entgegen dem am 27. Juni 2000 erlassenen Ordnungsbeschlusses nicht vorgeführten/erschienenen Zeugen nicht noch einmal ausdrücklich beantragt werden musste und auf den Zeugen auch nicht konkludent verzichtet worden ist (vgl. im Übrigen den Beschluss des Senats vom 16. Juni 1998 in 2 Ss OWi 588/98, ZAP EN-Nr. 568/98 = NZV 1998, 425 = NStZ-RR 1998, 340 = VRS 95, 259 = zfs 1998, 443 = NJW 1999, 1416 (Ls.)].

2. Zutreffend ist die Ansicht des Amtsgerichts, wonach das Verfahren nicht zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften des BtMG hinsichtlich des unerlaubten Besitzes von Cannabis-Produkten (erneut) dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden muß. Dies hat in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145) die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Vorschriften insoweit grundsätzlich bejaht. Der Senat sieht in den danach ergangenen Veröffentlichungen (vgl. u.a. Schneider StV 2000, 230 ff. mit weiteren Nachweisen) keinen Anlass, nun an der Verfassungsmäßigkeit zu zweifeln.

3. Der Senat weist darauf hin, dass nach den Urteilsgründen der Angeklagte nur zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist, im Urteilstenor jedoch eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten festgesetzt worden ist. Wegen der bereits aufgrund der formellen Rüge erfolgten Aufhebung kann dahinstehen, ob auch dieser Fehler zur Aufhebung des angefochtenen Urteils geführt hätte.

Ende der Entscheidung

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