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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 2 Ss 160/02
Rechtsgebiete: StGB, BZRG
Vorschriften:
StGB § 86 a | |
StGB § 46 | |
StGB § 74 | |
BZRG § 51 |
Beschluss Strafsache
gegen M.O.
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Auf den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 26. Juni 2001 und auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 26. Juni 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung am 17. 04. 2002, an der teilgenommen haben,
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht, Richterin am Landgericht, Oberstaatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft
RA als Verteidiger
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 26. Juni 2001 gewährt.
Das Urteil des Amtsgericht Witten vom 26. Juni 2001 wird im Rechts-Folgeausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Amtsgericht Witten zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Witten wegen öffentlichen Verwendens eines Kennzeichens einer in § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB bezeichneten Vereinigung gemäß § 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt worden. Außerdem ist eine Bomberjacke eingezogen worden.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Am 14. 05. 2000 hielt der Angeklagte sich in der Gaststätte "K." in Witten, R.straße, auf. Der Angeklagte trug dabei eine sogenannte Bomberjacke. Dieses Kleidungsstück trug auf der linken Brustseite einen Aufnäher. Dieser Aufnäher hatte die Form einer Flagge. Die Flagge zeigte die Farben schwarz, weiß, rot. Auf der Flagge befand sich die Aufschrift "unsere Ehre heißt Treue". Der Aufkleber hat eine Größe von ca. 12 x 9 cm. Es ist gerichtsbekannt, dass der Wahlspruch der früheren SS "Meine Ehre heißt Treue" lautet."
Hiergegen richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft, die zunächst keinen Antrag gestellt hatte, hat nunmehr beantragt, dem Angeklagten wegen der Fristversäumung zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig. Dem Angeklagten war wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Fristversäumung beruht nicht auf seinem Verschulden (§ 44 StGB), sondern auf einem Büroversehen des Verteidigers.
III.
Die Revision hat auch - vorläufig - zumindest teilweise Erfolg, da das angefochtene Urteil im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Witten zurückzuverweisen war.
1.
Die in zulässiger Weise erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts (§ 244 Abs. 3 StPO) dringt allerdings nicht durch. Dieser Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung folgenden Beweisantrag gestellt: "Es wird beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass der Ausspruch "Unsere Ehre heißt Treue" keine typische Losung des Nationalsozialismus ist, einen Sachverständigen zu vernehmen." Diesen Beweisantrag hat das Amtsgericht mit folgenden Begründung zurückgewiesen: "Der Beweisantrag wird zurückgewiesen. Es ist gerichtsbekannt, daß die Aufschrift auf dem Koppelschloss der "SS" lautete: "Meine Ehre heißt Treue" ".
Dahinstehen kann, ob diese Ablehnung rechtsfehlerhaft war, da die für die Ablehnung des Beweisantrags gewählte Begründung möglicherweise nicht den vom Angeklagten gestellten Beweisantrag ausgeschöpft hat.
Auf einer ggf. fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrages beruht das angefochtene Urteil nämlich nicht (§ 337 StPO). Insoweit kann es zunächst weiter ebenfalls dahinstehen, ob der Beweisantrag ggf. mit einer anderen Begründung hätte abgelehnt werden können. Dem Senat ist es nämlich verwehrt, diesen Umstand bei der Beantwortung der Beruhensfrage heranzuziehen, da eine Auswechslung der Ablehnungsgründe durch das Revisionsgericht grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auf., § 244 Rn. 86).
Auf dem dargestellten möglichen Verfahrensverstoß beruht das angefochtene Urteil aber jedenfalls deswegen nicht, weil sich der Tatrichter bei seiner Entscheidung an das mit dem Beweisantrag erstrebte Ziel gehalten hat. Mit der beantragten Vernehmung des Sachverständigen sollte erkennbar der Beweis geführt werden, dass die Losung "Unsere Ehre heißt Treue" keine Parole des Nationalsozialismus ist und deshalb die Voraussetzungen des § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB nicht vorliegen. Ziel des Beweisantrages war es also, festzustellen und für die rechtliche Würdigung festzuschreiben, dass die Losung der ehemaligen "SS" lautet: "Meine Ehre heißt Treue". Von dieser Losung ist das Amtsgericht bei seiner Entscheidung aber ausgegangen. Es hat ausdrücklich formuliert: "Dem steht nicht entgegen, dass die Parole der SS in nationalsozialistischer Zeit "Meine Ehre heißt Treue" lautet." Und weiter: "Der Unterschied zwischen "Meine Ehre heißt Treu" und "Unsere Ehre heißt Treue" ist geringfügig". Damit beruht das Urteil auf der Ablehnung des Beweisantrages nicht und hat somit die formelle Rüge keinen Erfolg.
2.
Mit seiner materiellen Rüge hat der Angeklagte die Verletzung des § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 StGB gerügt. Diese hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils ist vielmehr - entgegen den Ausführungen der Revision - nicht zu beanstanden. Nach § 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB, der als allgemeines Gesetz im Sinn von Art. 5 GG anzusehen ist, sind Kennzeichen im Sinn des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch Parolen. Den Kennzeichen im Sinn des § 86 a Abs. 1 Abs. 2 Satz 1 stehen nach § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB solche Kennzeichen gleich, die "zum Verwechseln ähnlich" sind.
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die auf dem Aufnäher enthaltene Losung eine Parole im Sinn des § 86 a Abs. 2 StGB ist, die einem Kennzeichen im Sinn des § 86 a Abs. 1 StGB gleich zu setzen ist. Bei der auf dem Koppelschloss der ehemaligen "SS" aufgedruckten Losung "Meine Ehre heißt Treue" handelt es sich um einen der wichtigsten Wahlsprüche der ehemaligen "SS". Dieser ist auch heute noch in weiten Kreisen der Bevölkerung bekannt und wird sofort mit der früheren nationalsozialistischen Organisation assoziiert (vgl. dazu schon OLG Hamm, Urteil vom 19. Juni 1979 - 5 Ss 273/79). Der vom Angeklagten benutzten Parole "Unsere Ehre heißt Treue" kommt ein gleicher Symbolwert zu. Die Originallosung der ehemaligen "SS" ist nämlich nur unbedeutend dadurch verändert worden, dass das Possessivpronomen "Meine" durch "Unsere" ersetzt worden ist. Dies nimmt der Losung aber nicht die Wirkung der Assoziation auf die ehemalige "SS". Denn auch diese Losung hat eine dem Symbolgehalt der ursprünglichen Losung vergleichbare Richtung, die erkennbar auf die ehemalige "SS" zielt. Die Verwechselungsgefahr ist also anders zu beurteilen als ggf. bei dem Spruch "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" (vergleiche dazu Steinmetz NStZ 2002, 118). Es kommt auch - entgegen der Auffassung der Verteidigung - nicht darauf an, ob die Losung erst dann strafrechtliche Relevanz hat, wenn sie in Verbindung mit einem nationalsozialistischen Symbol gebraucht wird. Die verwendete Losung zielt vielmehr auch ohne ein solches Symbol eindeutig in Richtung der ehemaligen "SS". Dies wird durch die Gestaltung des Aufnähers als Flagge und in den Farben schwarz, weiß und rot zudem noch verstärkt.
Der Senat sieht sich an dieser Entscheidung nicht durch den Vorlagebeschluss des Kammergerichts vom 5. November 2001, (3) 1 Ss 105/01 (49/01) = NStZ 2002, 148, gehindert. Die dort vom Kammergericht dem BGH zur Entscheidung vorgelegte Frage hinsichtlich der Auslegung des Merkmals "zum Verwechseln ähnlich" ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, da der Bekanntheitsgrad der Losung vorliegend außer Streit steht. 3. Die Sachrüge hat allerdings Erfolg, soweit sie sich auch gegen den Rechtsfolgenausspruch wendet. Das Amtsgericht hat bei seiner Strafzumessung u.a. zu Lasten des Angeklagten "seine erheblichen Vorstrafen" berücksichtigt. Dabei sind erkennbar auch die vom Tatrichter angeführten Verurteilungen aus den Jahren 1992 und 1993 herangezogen worden. Der Senat kann jedoch nach den derzeit getroffenen tatrichterlichen Fest-stellungen nicht beurteilen, ob das (noch) zutreffend ist. Das Amtsgericht hat nämlich nur mitgeteilt, dass der Angeklagte in den Jahren 1992 und 1993 verurteilt worden ist, nicht jedoch, wann diese Verurteilungen rechtskräftig geworden sind. Damit kann der Senat nicht überprüfen, ob nicht möglicherweise diese Voreintragungen, was wegen des Zeitablaufs nicht fernliegend ist, nicht bereits hätten getilgt (§ 46 BZRG) werden müssen und demgemäss dem Angeklagten gemäß § 51 BZRG nicht mehr vorgehalten werden durften.
Entgegen der Ansicht des Verteidigers ist der Senat im Übrigen der Auffassung, dass Vorstrafen bei der Bemessung der angemessenen Strafe nach § 46 StGB zu berücksichtigen sind.
IV.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Amtsgericht hat die Bomberjacke des Angeklagten nach § 74 StGB eingezogen, ohne dies näher zu begründen. Bei § 74 Abs. 1 StGB handelt es sich jedoch um eine Ermessensvorschrift. Das Amtsgericht wird daher, wenn es in der neuen Hauptver-handlung erneut eine Einziehungsentscheidung trifft, diese - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - näher zu begründen haben.
Ende der Entscheidung
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