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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 2 Ss 164/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 318 | |
StGB § 113 |
Beschluss Strafsache gegen H.H. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
Auf die Revision des Angeklagten vom 27. August 2001 gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 24. August 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 03. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Schwerte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Strafmaßberufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich nunmehr die Revision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch - zumindest vorläufig - Erfolg, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lässt.
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist. Nach allgemeiner Meinung hat das Revisionsgericht die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung von Amts wegen zu untersuchen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45 Aufl., § 352 Rn. 3 und 4 m.w.N.; zuletzt Senat im Beschluss vom 11. Januar 2002 - 2 Ss 1077/01; siehe auch Senat in NStZ-RR 2001, 300). Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte gemäß § 318 Satz 1 StPO ist nur zulässig und wirksam, wenn sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit lässt, den angefochtenen Teil des Urteils, losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt, selbständig zu prüfen und rechtlich zu beurteilen (vgl. BGHSt 27, 70, 72). Demgegenüber ist sie unwirksam, wenn die vorangegangenen tatrichterlichen Feststellungen entweder unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und daher keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgenentscheidung sind. Dies gilt sowohl für die Merkmale der äußeren als auch der inneren Tatseite. Auch Letztere müssen, sofern sie sich nicht von selbst aus der Sachverhaltsschilderung ergeben, durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. KK-Ruß, StPO, 4. Aufl., § 318 Rdnr. 7 m.w.N.). Dabei kann im Berufungsurteil auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden (Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, 24. Aufl., § 267 Rn. 10 mit weiteren Nachweisen).
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Nachdem der Angeklagte am 27.07.2000 durch das Amtsgericht in Unna in der oben bezeichneten Weise verurteilt worden war, konsumierte er Alkohol in erheblichen Mengen. Gegen 21.30 Uhr begab er sich in die Wilhelmstraße in Schwerte und geriet mit einem Anwohner in Streit, der daraufhin die Polizei benachrichtigte. Mehreren Aufforderungen der Beamten D. und K., die Örtlichkeiten zu verlassen, kam er nicht nach. Daraufhin sollte er durch die Polizisten zu deren Einsatzfahrzeug gebracht werden. Dieser Maßnahme widersetzte sich der Angeklagte massiv, so dass ihm Handfesseln angelegt werden mussten. Auch verletzte er den Polizeikommissar Klose unbeabsichtigt an der rechten Hand, so dass dieser für die Zeit von sieben Tagen arbeitsunfähig krank war."
Diese Feststellungen sind - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist - derart lückenhaft, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung darstellen. Zunächst bleibt schon offen, welche der Tatmodalitäten des § 113 Abs. 1 StGB der Angeklagte verwirklicht haben soll. Aufgrund der amtsgerichtlichen Feststellungen ist nicht nachvollziehbar, ob der Angeklagte mit Gewalt, durch Drohung mit Gewalt oder mittels eines tätlichen Angriffs Widerstand geleistet hat. Auch die Feststellungen zur tateinheitlich begangenen fahrlässigen Körperverletzung sind unzureichend. Es ist nur ersichtlich, dass der einschreitende Polizeibeamte verletzt worden ist. Offen bleibt, welche Art von Verletzung er erlitten hat und durch welche Handlung der Angeklagte die Verletzung verursacht hat.
Angesichts dieser lückenhaften und dürftigen Feststellungen des Amtsgerichts durfte das Landgericht nicht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgehen, sondern hätte das erstinstanzliche Urteil insgesamt überprüfen und eigene tatsächliche Feststellungen zu der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat treffen müssen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des BGH in seiner Entscheidung vom 6. Juli 2001 (5 StR 149/00, NStZ-RR 2001, 202) zur Frage des Begründungsumfangs eines Berufungsurteils, der sich der Senat im o.a. Beschluss vom 11. Januar 2002 angeschlossen hat. Danach ist zwar eine Wiederholung der den Schuldspruch tragenden Feststellungen oder auch nur eine ausdrückliche, mehr oder weniger konkrete Bezugnahme auf das angefochtene Urteil hinsichtlich des rechtskräftigen Schuldspruchs entbehrlich, es müssen jedoch im erstinstanzlichen Urteil ausreichende, den rechtskräftigen Schuldspruch tragende Feststellungen getroffen worden sein. Das ist vorliegend - wie dargelegt - aber nicht der Fall.
Nach allem war damit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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