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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.07.2008
Aktenzeichen: 2 Ss 269/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 318
Bei der Feststellung des Tatzeitraums handelt es sich um Feststellungen, die das Berufungsgericht nach vorheriger Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch binden.
Beschluss

Strafsache

gegen 1. XX und YY

wegen Betruges

Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil der achten kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 03. März 2008 und die sofortigen Beschwerden gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem angefochtenen Urteil hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 07. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Die sofortigen Beschwerden sind gegenstandslos.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts - erweitertes Schöffengericht - Hagen vom 05. September 2007 sind die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Betruges in 172 besonders schweren Fällen, davon drei Mal im Versuchsstadium verblieben, jeweils tateinheitlich mit Urkundenfälschung zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckungen zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts waren die Angeklagten seit dem 1. Mai 1996 als Anwälte in H. in Bürogemeinschaft und später als Sozietät tätig. Im Laufe des Jahres 2002 stellten die Angeklagten einen erheblichen Rückgang bei den Einnahmen der Sozietät fest. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage beschlossen die Angeklagten im Juli 2002, ein zweites Büro in S. zu eröffnen. Dieses erwies sich jedoch als Fehlschlag; ihre wirtschaftliche Lage konnten sie dadurch nicht verbessern.

Aufgrund des anhaltenden wirtschaftlichen Drucks kamen die Angeklagten schließlich überein, die Gewinnsituation der Sozietät dadurch zu verbessern, dass gegenüber Rechtschutzversicherern ihrer Mandanten entweder frei erfundene oder in tatsächlicher Hinsicht abgewandelte Fälle abgerechnet werden sollten. Die Taten begannen im Januar 2003 und endeten in 2006.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Hagen Berufung eingelegt und die Berufung auf das Strafmaß beschränkt.

Durch Urteil vom 3. März 2008 hat das Landgericht Hagen auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengerichts - Hagen vom 05. September 2007 im Strafausspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagten jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurden. Die weitergehende Berufung wurde verworfen.

In den Gründen hat die Kammer bezüglich der Feststellungen auf das Urteil des Amtsgerichts Hagen Bezug genommen. Die Kammer hat darüber hinaus u.a. den Sachverhalt sodann nochmals zusammengefasst und dabei festgestellt, dass die Taten Mitte 2002 begannen und Mitte 2006 endeten.

Diesen Tatzeitraum hat die Kammer auch ihrer Strafzumessung zugrunde gelegt.

Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten jeweils Revision eingelegt und diese mit näherer Begründung mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revisionen als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revisionen sind zulässig und haben auch in der Sache Erfolg.

Die unabhängig von der erhobenen Rüge der Verteidiger von Amts wegen veranlasste Überprüfung des Urteils des Landgerichts Hagen im Hinblick auf die Beschränkung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge.

Das Landgericht hat in Verkennung der wirksamen Berufungsbeschränkung und der insoweit eingetretenen Bindungswirkung der nicht angefochtenen Urteilsfeststellungen andere, vom Amtsgericht so nicht dargelegte Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen.

Wie von den Verteidigern der Angeklagten in den Revisionsbegründungen zutreffend angeführt, enthält das Urteil des Landgerichts die falsche Feststellung, dass der Tatzeitraum Mitte 2002 begann. Nach den bindenden Feststellungen des Amtsgerichts begannen die Taten jedoch erst im Januar 2003.

Das Landgericht hat insoweit fehlerhaft die Feststellungen des Amtsgerichts zu der "Vorgeschichte", in denen die Angeklagten mit ihrer Rechtsanwaltskanzlei ab ca Mitte 2002 in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, als Beginn der eigentlichen Tathandlungen zugrundegelegt. Bei der Feststellung des Tatzeitraums handelt es sich jedoch um Feststellungen, die das Berufungsgericht nach vorheriger Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch binden (vgl. BGHSt 30, 340; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 327 Rz 6).

Das Berufungsgericht, das über eine auf das Strafmaß beschränkte Berufung zu entscheiden hat, ist aufgrund der durch die wirksame Beschränkung der Berufung eingetretenen innerprozessualen Bindungswirkung gehindert, bei der Feststellung der Strafzumessungstatsachen von den Feststellungen abzuweichen, die dem Schuldspruch des Erstrichters zugrunde liegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom. 29. Oktober 2007 -2 Ss OWi 649/07 -; vom 21. November 2007 - 2 Ss 505/07 - und vom 24. Januar 2008 - 2 Ss 4/08 -).

Die von der Kammer unzutreffende Feststellung des Tatzeitraumes, welcher für die Straffrage bedeutsam ist, betrifft darüber hinaus auch die Schuldfrage, so dass das angefochtene Urteil schon aufgrund dieses Mangels - unabhängig von den weiteren erhobenen Rügen - insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben war und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - über den Rechtsfolgenausspruch - auf der Grundlage der rechtskräftigen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Hagen vom 05. September 2007 an das Landgericht Hagen zurückzuverweisen war.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird die Berufungskammer den zutreffenden Tatzeitraum zugrunde zu legen haben und bei der Strafzumessung neben den übrigen gewichtigen Strafmilderungsgründen ebenso zu berücksichtigen haben, dass nunmehr seit den Taten eine noch längere Zeit verstrichen ist.

Die übrigen von den Angeklagten erhobenen Rügen sind unbegründet.

Entgegen den Ausführungen der Angeklagten sind sie zur Sache vernommen worden, so dass ein Verstoß gegen §§ 324 Abs.2, 243 Abs. 4 StPO nicht vorliegt. In der Frage, ob es bei dem Geständnis bleibt, ist eine Sachvernehmung zu sehen, da die Angeklagten zu diesem Zeitpunkt die Gelegenheit hatten, Einlassungen - auch über jene der ersten Instanz hinaus - abzugeben, falls sie es für erforderlich hielten.

Dass die Kammer vorliegend eine Vernehmung zur Sache durchgeführt hat, ergibt sich zudem erst Recht daraus, dass der Vorsitzende der Berufungskammer nach den erfolgten und beabsichtigten Schadenswiedergutmachungen gefragt hat. Wenn die Angeklagten darüber hinaus etwas zur "Vorgeschichte" oder auch ihrem "Nachtatverhalten" auszuführen hatten, so hätten sie dies zu jenem Zeitpunkt tun können.

Insoweit geht auch die erhobene Unzulänglichkeits-und Aufklärungsrüge fehl, da sich der Kammer nach der Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß keine weiteren Fragen aufdrängen mussten.

III.

Die sofortigen Beschwerden der Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem angefochtenen Urteil sind gegenstandslos, da das Urteil aufgehoben worden ist (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 464 Rz 20).



Ende der Entscheidung

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