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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.09.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 360/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 249
Für die Vollendung des Raubtatbestandes ist das bloße Ausnutzen der Wirkung von ohne Raubvorsatz angewendeter Gewalt nicht ausreichend.
Beschluss

Strafsache

wegen Raubes u.a.

Auf die (Sprung)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne Wanne vom 11. Mai 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 09. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 11. Mai 2005 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne-Wanne zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 11.05.2005 wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gem. den §§ 223, 249, 52 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen.

II.

Die von dem Angeklagten rechtzeitig eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Soweit der Angeklagte mit der formellen Rüge die unzulässige Beschränkung seines Fragerechts gem. § 240 StPO in Verbindung mit § 338 Nr. 8 StPO und seine unzulässige Fesselung rügt sowie die Aufklärungsrüge erhoben hat, kann sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der formellen Rüge dahinstehen, da jedenfalls - wie noch darzulegen ist - die Sachrüge zur Aufhebung führt. Der Senat weist in dem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft die Rüge der Verletzung des Fragerechts zulässig erhoben sein dürfte. Die mit der Revision wörtlich mitgeteilte Frage des Verteidigers und der daraufhin ergangene zurückweisende Gerichtsbeschlusses reichen für eine ordnungsgemäße Begründung der formellen Rüge im Sinn des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aus.

2. Die Sachrüge ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen nämlich eine Verurteilung wegen Raubes nach § 249 StGB nicht.

a) Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen die folgenden Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte verschaffte sich dann Zutritt zum Apartment der damals 90-jährigen Frau K., die er in ihr Schlafzimmer drängte und auf das Bett warf. Dann zog er die alte Frau am Unterkörper bis zur Hüfte aus. Sie wehrte sich und strampelte, so dass er von ihr abließ. Dabei zog sich die Geschädigte Prellungen und Hämatome an beiden Armen und an einem Auge zu. Der Angeklagte durchsuchte ihre Wohnung, wobei ein Sparschwein zerbrach, und nahm ihre auf dem Rollator im Eingangsbereich liegende Handtasche samt Inhalt mit, unter anderem der Geldbörse und dem Ehering. Die Handtasche wurde später in einer Mülltonne eines Hauses in der Nähe gefunden. Das Geld fehlte aus der Börse."

b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Raubes nicht. Der Tatbestand des Raubes nach § 249 StGB setzt voraus, dass der Täter mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. Gewalt und Drohung müssen dabei Mittel sein, um die Wegnahme zu ermöglichen. Daraus ergibt sich, dass die Nötigung zum Zwecke der Wegnahme erfolgen muss. Nicht ausreichend ist das bloße Ausnutzen der Wirkung von ohne Raubvorsatz angewendeter Gewalt (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl.,. § 249 Rn. 9a mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung, wie z.B. BGHSt 32, 88; BGH NStZ-RR 2002, 304). In der Rechtsprechung wird dazu u.a. darauf abgestellt, ob die Nötigungshandlung schon abgeschlossen war und bei der Wegnahme nur noch die Nötigungswirkungen andauerten (BGHSt 32, 88). Möglich ist es allerdings auch, dass nach einer Gewaltanwendung das Verhalten des Täters die konkludente Drohung mit erneuter Gewalt darstellt (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 26. Aufl., § 249 Rn. 6).

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen liegt aber keine dieser Sachlagen vor. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte die Gewalt angewendet hat, um die Geschädigte am Unterköper bis zur Hüfte zu entkleiden, wobei ggf. die Annahme eines Sexualdelikts bzw. dessen Versuch nahe liegt. Als die Geschädigte sich wehrte, ließ der Angeklagte von ihr ab. Erst danach, also zu einem Zeitpunkt, als nach den derzeit getroffenen Feststellungen die angewendete Gewalt nur noch fortwirkte, durchsuchte der Angeklagte die Wohnung und nahm die entwendeten Gegenstände an sich. In dem Zusammenhang hat das Amtsgericht nicht festgestellt, ob der Angeklagte von Anfang an möglicherweise (auch) das Ziel hatte, Gegenstände zu entwenden oder, nachdem er von der Geschädigten abgelassen hat, konkludent mit erneuter Gewaltanwendung gedroht hat.

Gem. § 353 Abs. 1, 2 StPO war daher das angegriffene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache gem. § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne-Wanne zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird zu beachten haben, dass dann, wenn eine Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes nicht (mehr) möglich erscheint, zumindest eine Verurteilung wegen Diebstahls. ggf. sogar im erschwerten Fall nach § 243 StGB, in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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