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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.11.2003
Aktenzeichen: 2 Ss 537/03
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 47 |
Beschluss
Strafsache
gegen S.S.,
wegen versuchten Diebstahls
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten vom 25. April 2003 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 22. April 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 22. April 2003 wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hagen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Hagen hat die Angeklagte wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt. Dagegen wendet sich die Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision, die sie in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Nach den getroffenen Feststellungen hat die Angeklagte am 13. September 2002 versucht, in der Hagener Innenstadt gemeinsam mit einer unbekannt gebliebenen Mittäterin einer etwa 70 Jahre alten Frau aus einer Umhängetasche Wertgegenstände zu entwenden.
Zu den persönlichen Verhältnissen der geständigen, 22 Jahre alten Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass diese arbeitslos, unverheiratet und ohne Unterhaltsverpflichtungen ist. Sie lebt von Sozialhilfe. Festgestellt ist außerdem, dass die Angeklagte in dem Zeitraum von 1996 bis 2001 insgesamt sechs Mal wegen Diebstahls mit jugendrechtlichen Maßnahmen belegt worden ist. Zuletzt hat das Amtsgericht Köln gegen sie einen Jugendarrest von einer Woche verhängt und eine richterliche Weisung erteilt.
Die Strafzumessung hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"In Anbetracht der Umstände des Einzelfalles hat das Gericht auch unter Berücksichtigung von § 47 Abs. 1 StGB zur Einwirkung auf die Angeklagte die Verhängung einer kurzen Strafe für unerlässlich und eine solche von 2 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
Aus dem Zentralregisterauszug der noch sehr jungen Angeklagten ergibt sich, dass sie trotz richterliche Ermahnungen, Verwarnungen oder gar des Verhängens von Jugendarrest nicht gewillt ist, sich entsprechend der Rechtsordnung zu verhalten. Auch in der Hauptverhandlung ließ die Art und Weise, wie sie der Verhandlung folgte, keinen Zweifel daran zu, dass sie das Gericht und das ganze "Theater" nicht recht ernst nahm. Das Gericht hat keinerlei Hoffnungen, dass die Angeklagte durch eine Geldstrafe geläutert und von weiteren Taten abgehalten werden kann.
Eine Freiheitsstrafe von 2 Monaten erschien unbedingt erforderlich, in dieser Höhe aber ausreichend. Zwar wird nicht verkannt, dass die Strafe gem. § 23 Abs. 2 StGB gemildert werden kann und in der Regel auch gemildert wird, die Neigungen, die die Angeklagte hat erkennen lassen, erfordern jedoch eine Strafe, die nicht am ganz unteren Rand des Strafrahmens angesiedelt sein darf. Ungeachtet dessen, dass letztlich ein Schaden nicht entstanden ist, muss der Angeklagten klar gemacht werden, dass in unserem Rechtssystem Eigentumsdelikte, auch wenn sie sich in versuchten oder vollendeten "einfachen" Diebstählen erschöpfen, in hohen Maße strafbewehrt sind."
III.
Die zulässige Strafmaßrevision hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Die Verhängung der im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB kurzfristigen Freiheitsstrafe von zwei Monaten ist bislang nicht rechtsfehlerfrei begründet.
Gemäß § 47 Abs. 1 1. Alternative StGB verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck "zur Einwirkung auf den Täter" durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grunde eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (vgl. BGHSt 24, 165). Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. Urteil des Senats vom 28.10.1998 in 2 Ss 1006/98 = VRS 96, 191; Senat in VRS 96, 191; BGHR, StGB, § 47 Abs. 1, Umstände 7 = NStZ 1996, 429; BGH StV 1994, 370 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Im Rahmen der Urteilsgründe muss sich der Tatrichter mit den von der Rechtsprechung zur Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe aufgestellten Anforderungen auseinandersetzen. Auch wenn im Rahmen der Strafzumessung nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden müssen, um den in § 46 StGB insoweit festgelegten Anforderungen gerecht zu werden, wird das angefochtene Urteil den genannten Anforderungen nicht gerecht. Das Amtsgericht hält die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zwar ausdrücklich für "unerlässlich". Die Urteilsgründe lassen aber nicht erkennen, ob das Amtsgericht für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe wesentliche Umstände gesehen und berücksichtigt hat.
Der Tatrichter erwähnt im Rahmen der Strafzumessung mit keinem Wort das Geständnis der Angeklagten. Das lässt vermuten, dass er diesen - in der Regel als wichtig angesehenen - Strafzumessungsgesichtspunkt auch nicht in seine Abwägung, ob eine kurzfristige Freiheitsstrafe "unerlässlich" ist, einbezogen hat.
Zudem hat das OLG Hamm in der Vergangenheit schon darauf hingewiesen, dass erhöhte Anforderungen an die Begründung einer unter sechs Monate liegenden Freiheitsstrafe dann zu stellen sind, wenn es sich um einen bislang noch nicht bestraften Täter handelt. Insbesondere in derartigen Fällen bedarf es zusätzlich einer Erörterung, warum auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (vgl. Urteil des Senats a.a.O., sowie Beschluss des hiesigen 1. Strafsenats vom 18.12.1997 in 1 Ss 1425/97). Zwar ist die Angeklagte in der Vergangenheit bereits sechs Mal wegen Diebstahlstaten in Erscheinung getreten, sie ist dafür bislang aber nur mit jugendrechtlichen Maßnahmen belegt worden. Im Sinne des Erwachsenenstrafrechts ist sie daher noch nicht als "Wiederholungstäter" anzusehen, bei dem ggf. nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur an die Begründung der kurzfristigen Freiheitsstrafe nicht so hohe Anforderungen zu stellen sind wie bei einem Ersttäter (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., 2003, § 47 Rn. 10.; OLG Köln NStZ 2003, 421, 422). Vorliegend ist vielmehr gerade das Gegenteil der Fall. Gerade weil die Angeklagte nämlich bislang nur mit Maßnahmen nach dem JGG belegt worden ist, hätte der Tatrichter sich eingehend mit der Frage auseinandersetzen müssen, warum die Verhängung einer ersten Geldstrafe nach Erwachsenenrecht nicht genügt, um der Angeklagten das Unrecht ihrer Tat vor Augen zu führen und sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Gerade eine Geldstrafe mit ggf. höherer Tagessatzzahl kann für diese (jugendliche) Täterin, die nur über eine geringes Einkommen verfügt, wegen des Nettoeinkommensprinzips eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Deren Sanktionscharakter wird zusätzlich durch die Absicherung mit der nach § 43 StGB ggf. möglichen Ersatzfreiheitsstrafe verstärkt. Jedenfalls erscheint der Sanktionscharakter dieser staatlichen Reaktion dem Täter im Zweifel stärker als die Absicherung der kurzfristigen Freiheitsstrafe mit einem Bewährungsbeschluss, der nur die Auflage enthält, jeden Wohnungswechsel anzuzeigen. Finanzielle und damit merkbare Auswirkungen hat eine solche Sanktion für den Täter nicht. Der Senat verkennt zwar nicht, dass insbesondere die letzte Vorverurteilung, mit der gegen die Angeklagte ein Jugendarrest von einer Woche verhängt worden ist, dafür sprechen könnte, dass die Angeklagte auch durch freiheitsentziehende Maßnahmen nicht zu beeindrucken ist. Offen bleibt insoweit jedoch, ob diese Maßnahme überhaupt vollzogen worden ist. Das angefochtene Urteil lässt Feststellungen dazu vermissen.
Schließlich trägt auch der Hinweis des Tatrichters darauf, dass die Angeklagte die Hauptverhandlung nicht ernst genommen habe, nicht die Verhängung der kurzfristigen Freiheitsstrafe. Insoweit beanstandet die Revision zu Recht, dass insoweit das Tatgericht keine konkreten Feststellungen getroffen hat. Dies macht es dem Revisionsgericht unmöglich zu überprüfen, ob dieser Vorwurf ggf. allein oder im Zusammenhang mit anderen die "Unerlässlichkeit" der Freiheitsstrafe rechtfertigt.
Ende der Entscheidung
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