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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: 2 Ss 578/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 223
StPO § 267
StPO § 344
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung
Beschluss

Strafsache

gegen W. B.

wegen Beleidigung und Körperverletzung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten vom 28. Februar 2003 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne vom 27. Februar 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 10. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Herne vom 27. Februar 2003 wegen Beleidigung und Körperverletzung gem. §§ 185, 223, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit einem am 28. Februar 2003 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben zunächst Berufung eingelegt. Nach Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 13. März 2003 hat dieser mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 08. April 2003, der am 09. April 2003 beim Amtsgericht einging, das Rechtsmittel als Revision bezeichnet und unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II.

Die nach Übergang von der Berufung zur Revision zulässige Sprungrevision (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 335 Rn. 9 u. 10 m. w. N.) hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.

Bereits auf die vom Angeklagten erhobene Rüge formellen Rechts hin war das angefochtene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben. Mit der in zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte, dass das schriftliche Urteil nicht innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Frist zu den Akten gebracht worden sei und damit ein absoluter Revisionsgrund i. S. d. § 338 Nr. 7 StPO vorliege.

Die Verfahrensrüge ist begründet. Das am 27. Februar 2003 nach einer Hauptverhandlung von einem Tag verkündete Urteil ist nicht gem. § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO binnen fünf Wochen in vollständiger Form zur Akte gebracht worden. Zwar gelangte das schriftliche Urteils bereits am 11. März 2003 und damit vor Ablauf der Frist von fünf Wochen am 03. April 2003 zur Akte. Das Urteil war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vom erstinstanzlichen Richter unterschrieben worden. Dessen Unterschrift erfolgte erst am 16. Mai 2003. Da zu einem vollständigen schriftlichen Urteil die Unterschrift des Richters gehört (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 275 Rn. 4), ist das fertiggestellte Urteil erst am 16. Mai 2003 und damit nach Ablauf der Frist von fünf Wochen zur Akte gebracht worden.

Anhaltspunkte für eine zulässige Fristüberschreitung liegen ersichtlich nicht vor, zumal die Unterschriftsleistung lediglich versehentlich unterblieben war.

Somit ist die in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgegebene Frist versäumt worden. Es liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 7 StPO vor.

Ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass auch die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung nicht tragen. Auf die erhobene Sachrüge hin wäre deshalb auch das angefochtene Urteil aufzuheben gewesen. Im Urteil finden sich folgende Angaben zur Körperverletzung der Zeugin:

"Dem Schlag konnte die Zeugin einfach ausweichen, indem sie sich duckte. Der Angeklagte erfasste sie dann aber am Hals und drückte sie gegen die Wand des Unterstandes. Die Zeugin befreite sich von diesem Griff, indem sie den Angeklagten wegstieß. Verletzungen erlitt die Zeugin durch den Würgegriff nicht, da sie einen Schal trug. .....

Außerdem gab sie schon in der Anzeige an, dass der Angeklagte sie schlagen wollte und sie sich dem Schlag durch ein Ducken entziehen konnte und er sie anschließend am Hals fasste und gegen den Bushalteunterstand drückte. .....

Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht außerdem, dass sie nicht grundlos zum Arzt ging und sich eine Körperverletzung infolge des Würgegriffs bescheinigen ließ. Hätte sie den Angriff nur erfunden, wäre es nahe liegend gewesen, sich zur Bekräftigung der Aussage ein Attest vom Arzt über eine körperliche Beeinträchtigung infolge des Übergriffs ausstellen zu lassen. .....

Durch den Würgegriff am Hals wurde das körperliche Wohlbefinden der Zeugin G. nicht nur unerheblich beeinträchtigt, so dass vorliegend von einer körperlichen Misshandlung auszugehen ist. Unerheblich für den Tatbestand der Körperverletzung ist, dass sie keine Gesundheitsschädigung erlitt. .....

Zu seinen Gunsten konnte berücksichtigt werden, dass die Tat bei der Zeugin G. keine schwerwiegenden Verletzungen verursacht hat."

Diese Ausführungen enthalten keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung ausfüllen. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen bei einer Verurteilung des Angeklagten in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen angegeben werden, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Die Feststellungen des Amtsgerichts sind lückenhaft und ergänzungsbedürftig. Sie lassen nicht erkennen, wie sich die Tätlichkeit des Angeklagten gegenüber der Zeugin auf diese genau auswirkte und welche Beeinträchtigungen die Zeugin letztlich überhaupt erlitt. So kann durch den vom Amtsgericht festgestellten Würgegriff des Angeklagten durchaus das körperliche Wohlbefinden der Zeugin nicht unerheblich beeinträchtigt worden sein. Ob dies jedoch überhaupt der Fall war und wie sich die Beeinträchtigungen bei der Zeugin äußerten, wird vom Amtsgericht nicht ausgeführt. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war das angefochtene Urteil jedoch bereits auf die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge hin mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herne zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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