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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 88/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB §§ 184 f
StGB § 177
Zum Begriff der sexuellen Handlung i.S. von § 184 f StGB und zur sexuellen Nötigung.
Beschluss

Strafsache

gegen R.M.

wegen sexueller Nötigung

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Bochum gegen das Urteil der auswärtigen Jugendkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 08. Oktober 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Revisionshauptverhandlung vom 25. 05. 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht und Richterin am Oberlandesgericht als beisitzende Richter,

Staatsanwältin als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft,

Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes (Fall 1 der Anklage) schuldig ist.

Das Urteil wird insoweit im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Jugendstrafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Im Übrigen (Fall 2 der Anklage) wird die Revision auf Kosten der Staatskasse, die auch insoweit die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, verworfen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte gegen den Angeklagten vor dem Amtsgericht Recklinghausen - Jugendschöffengericht als Jugendschutzgericht - Anklage erhoben und ihm vorgeworfen, sich durch zwei selbständige Handlungen einer sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen sowie eines sexuellen Missbrauchs eines Kindes strafbar gemacht zu haben.

Das Amtsgericht hat die Anklage durch Beschluss vom 26. Januar 2004 unverändert zugelassen; es hat den Angeklagten in der Hauptverhandlung am 25. Februar 2004 jedoch lediglich wegen einer Nötigung verurteilt und gegen ihn eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 70,00 Euro verhängt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Bochum hat die auswärtige Strafkammer (Jugendkammer) Recklinghausen des Landgerichts Bochum mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Sie hat u. a. folgende Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen:

"Am 05. 10. 2003 besuchten die am 14.10.1988 geborene Zeugin L.K. und die am 25.01.1992 geborene Zeugin L.-J. Ka. den Angeklagten, der in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft lebt, in einer seiner zwei Lauben auf seinem Grundstück. Die beiden Zeuginnen sowie andere Kinder aus der Nachbarschaft nutzten diese Laube mit Einverständnis des Angeklagten zum Zeitvertreib. Der Angeklagte heizte sie im Winter für sie und stellte auch einen Fernseher und ein Radio auf. An diesem Nachmittag blätterten die Zeuginnen zunächst in einem Otto-Versand-Katalog und zeigten dem Angeklagten dort die Bilder mit Frauen in Unterwäsche. Nach einiger Zeit verließen die Zeuginnen die Laube und die Zeugin L.K. holte aus ihrer Wohnung herausgerissene Seiten aus der Zeitschrift Bravo, auf denen freizügige Szenen und Nacktbilder von Frauen abgebildet waren. Beide Zeuginnen stopften sich ihre Brust mit Toilettenpapier aus, wobei die Zeugin L.K. dieses in ihren BH schob, um ihren Busen größer erscheinen zu lassen. Nach ihrer Rückkehr in die Laube legten sie die Seiten aus der Bravo in den Otto-Versand-Katalog und zeigten diese dem Angeklagten, um dessen Reaktion zu sehen. Der Angeklagte schaute sich die Seiten kurz an und legte sie dann beiseite. Im weiteren Verlauf des Nachmittags dachten sich die Zeuginnen ein Spiel aus, bei dem sie sich gegenseitig schubsten und so auch auf den Schoß des Angeklagten fielen. Auf einmal hielt er die Zeugin L.-J.Ka. fest, legte sie übers Knie und tat so, als ob er ihr einige Schläge auf das Gesäß versetzten würde, tatsächlich traf er aber seine eigene untergelegte Hand. Die Zeugin L.K. wandte sich und zappelte, so dass es ihm nicht gelang, sie gleichermaßen übers Knie zu legen. Im Verlauf dieser Kabbeleien hielt der Angeklagte die Zeugin L.K. fest und fasste ihr zunächst über der Bekleidung an die Brust und dann kurz unterhalb der Bekleidung unter den BH, wobei er feststellte, dass dieser mit Toilettenpapier vergrößert war. Der Angeklagte ging dabei davon aus, dass die Zeugin jünger als 14 Jahre alt war. Die Zeugin K. versuchte eine Zeitlang vergeblich, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien. Dies gelang ihr erst, nachdem sie den Angeklagten in sein Geschlechtsteil gekniffen hatte. Darüber hinaus griff der Angeklagte der Zeugin L.-J.Ka. oberhalb der Bekleidung an das ausgestopfte Toilettenpapier und zog kurz daran. Der Angeklagte kannte die Zeugin seit Jahren und wusste daher, dass die Brust ausgestopft war, da sie mit ihren 11 Jahren noch keine Brust hatte."

Die Jugendkammer hat das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin L.K. als Nötigung im Sinne von § 240 StGB gewertet.

Eine sexuell erhebliche Handlung hat das Landgericht weder im Hinblick auf die Zeugin L.K. noch im Hinblick auf die Zeugin L.-J.Ka. bejaht und seine Auffassung wie folgt begründet:

"Eine Handlung muss gemäß § 184c StGB a.F. bzw. § 184f StGB n.F. einige Erheblichkeit haben, um als sexuelle im Sinne des Gesetzes zu gelten. Erheblichkeit ist sowohl normativ, d.h. nach ihrer Bedeutung, als auch quantitativ, d.h. nach Intensität und Dauer, zu verstehen, wobei die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens zu berücksichtigen sind. Es muss eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung zu besorgen sein, wobei geschütztes Rechtsgut die ungestörte geschlechtliche Entwicklung des Kindes ist. So kann das Betasten der weiblichen Brust durchaus als erheblich in diesem Sinne zu sehen sein (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 184c Rn. 6f.). Davon ausgeschlossen sind aber kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, 3 StR 522/83) sowie flüchtige oder zufällige Berührungen (BGH NStZ 1992, 432 f.).

Der Zeugin L.-J.Ka. hat der Angeklagte lediglich oberhalb der Bekleidung an das ausgestopfte Toilettenpapier gefasst, ohne dass die Brust berührt wurde. Auch der festgestellte kurze Griff unter den Pullover und den mit Toilettenpapier ausgestopften BH der Zeugin L.K. während einer von den Zeuginnen begonnenen Kabbelei überschreitet die Erheblichkeitsschwelle nach Auffassung der Kammer nicht."

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Bochum mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision vom 14. Oktober 2004, die am selben Tag beim Landgericht Bochum eingegangen ist. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Urteilszustellung fristgerecht mit einem am 30. November 2004 bei dem Landgericht Bochum eingegangenen Schreiben mit der Sachrüge begründet.

Sie hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Sie vertritt unter näherer Darlegung die Auffassung, dass aufgrund der durch die Jugendkammer getroffenen Feststellungen bezüglich beider geschädigter Mädchen eine sexuelle Handlung - zumindest - im Sinne des § 176 StGB vorliege. Die Erheblichkeitsschwelle sei überschritten. Der gezielte Griff an die Brust der Zeugin L.K. stelle aufgrund seines aus dem Gesamtgeschehen zu entnehmenden Sexualbezuges eine sexuelle Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB und nicht nur eine - im Sinne des § 176 Abs.1 StGB unbedeutende - flüchtige oder zufällige Berührung dar, auch wenn der Angeklagte teilweise nur über den BH und nur an das Toilettenpapier gegriffen habe. Auch der Griff oberhalb der Bekleidung der Zeugin L.-J.Ka. an das ausgestopfte Toilettenpapier sei gleichfalls aufgrund seines Sexualbezuges eine sexuelle Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB. Es sei nicht lediglich von einer flüchtigen oder zufälligen Berührung des Kindes auszugehen. Bei dem Griff an den Brustbereich eines 11 -jährigen Kindes handele es sich nicht mehr um ein sozialadäquates Verhalten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm, die der Revision unter näherer Begründung ursprünglich in vollem Umfang beigetreten ist, hat beantragt wie vom Senat erkannt.

II.

Die gemäß § 333 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Bochum hat lediglich in dem tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen (Tat z. N. der Zeugin L.-J.Ka.) war sie zu verwerfen.

1. Verhalten gegenüber der Zeugin L.K. (Fall 1 der Anklage)

Das Verhalten des Angeklagten, wie es vom Landgericht festgestellt worden ist, erfüllt hinsichtlich der Zeugin L.K. den Straftatbestand der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß §§ 176 Abs. 1, 177 Abs. 1 Nr. 1, 184 f Nr. 1(n.F.), 22, 23 StGB.

Als sexuelle Handlungen im Sinne der §§ 174 ff. StGB gelten solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind (vgl. hier § 184 c StGB a.F. bzw. § 184 f Nr. 1StGB n.F.). Eine Definition des Begriffs der sexuellen Handlung enthält § 184 f StGB n.F. gleichfalls nicht, die Bedeutung wird vielmehr vorausgesetzt (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 184c Rdnr. 2). Erforderlich ist danach eine Handlung, die objektiv, d.h. nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug aufweist. Ist die Handlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ausschließlich und eindeutig sexualbezogen, kommt es nicht darauf an, ob sie durch die Absicht motiviert ist, eigene oder fremde Geschlechtslust zu erregen oder zu befriedigen (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 184 f Rdnr. 3,4; Schönke/Schröder/Lenckner/ Perron, StGB, 26. Aufl., § 184 c Rdnr. 6-8 m.w.N.). Der Griff des Angeklagten an die Brust des geschädigten Mädchens - auch oberhalb der Kleidung - stellt eine solche eindeutig sexualbezogene Handlung dar. Das vom Landgericht festgestellte, sexualbezogene Verhalten des Angeklagten ist auch von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB n.F.. Ob die Schwelle der Erheblichkeit überschritten ist, bestimmt sich nach dem Grad der Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; lediglich unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Von Bedeutung sind dabei vor allem Art, Intensität und Dauer des sexualbezogenen Vorgehens, der Handlungsrahmen, in dem der unmittelbar sexualbezogene Akt begangen wird, sowie die Beziehung der Beteiligten untereinander (vgl. BGHR StGB § 184 c Nr. 1 Erheblichkeit 4, 6 m. w. Nachw.; BGH, NStZ 2001, 370, 371). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellen kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen der Genitalien über der Kleidung, beispielsweise das flüchtige oder zufällige Berühren der weiblichen Brust oberhalb der Kleidung, keine im Sinne des § 184 f StGB n.F. erhebliche sexuelle Handlung dar (vgl. hierzu BGH MDR/H 1974, 545 zu § 176 Nr. 3 StGB a.F.; BGHR StGB § 184c Nr.1 Erheblichkeit 6), wohingegen ein kurzer, aber spürbarer Griff oberhalb der Kleidung an die weibliche Brust nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nach der Art, Dauer und Intensität einen Grenzfall darstellt, dessen rechtliche Einordnung als erheblich deshalb von den Umständen (Handlungsrahmen, Beziehung der Beteiligten untereinander) abhängt. Eine fester Griff an die bedeckte weibliche Brust ist demgegenüber als erhebliche sexuelle Handlung angesehen worden (so BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4 und 6).

Gemessen an diesen Maßstäben liegt hier keine nur flüchtige, eher zufällige und damit nicht strafbewehrte Berührung der Brust der Zeugin L.K. durch den Angeklagten vor. Nach den tatrichterlichen Feststellungen hat der Angeklagte die Zeugin festgehalten und ihr zunächst über der Bekleidung an die Brust und sodann - wenn auch nur kurz - gezielt und nicht etwa zufällig unterhalb der Bekleidung unter den BH gefasst. Diese Berührung unterhalb der Bekleidung war immerhin so intensiv, dass der Angeklagte dabei feststellen konnte, dass das Mädchen seine Brust durch Toilettenpapier vergrößert hatte.

Dieses gezielte Betasten der Brust hat einen eindeutigen sexuellen Charakter, der außerdem die Erheblichkeitsschwelle überschritten hat. Aber nicht nur die Intensität dieser beiden Griffe an die weiblichen Geschlechtsmerkmale der Zeugin, sondern auch der vom Landgericht festgestellte Handlungsrahmen - dem Angeklagten waren unmittelbar vor der Kabbelei Nacktbilder von Frauen gezeigt worden -, innerhalb dessen die sexualbezogene Handlung des Angeklagten stattfand, lassen die Handlungsweise des Angeklagten nicht als lediglich belanglos und unerheblich erscheinen. Immerhin hatte sich die Geschädigte auch heftig dagegen gewehrt, von dem Angeklagten "übers Knie gelegt zu werden". Er hielt sie dann fest, um auf diese Art und Weise die Duldung seiner sexuellen Handlung durch die Zeugin zu erzwingen, nämlich das Berühren sowohl an der bedeckten Brust als auch unterhalb der Bekleidung an der Brust. Die Zeugin versuchte eine zeitlang vergeblich, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien, was ihr erst gelang, nachdem sie den Angeklagten in sein Geschlechtsteil gekniffen hatte. Angesichts dieser Begleitumstände musste sie das Verhalten des Angeklagten als demütigend und erniedrigend empfinden.

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die angewandte Gewalt, nämlich das Festhalten der Zeugin, das immerhin so massiv war, dass diese sich nur durch Kneifen in das Geschlechtssteil des Angeklagten befreien konnte, diente der Herbeiführung der sexuellen Handlung. Während der Angeklagte zunächst vergeblich versucht hatte, die Zeugin L.K. "übers Knie zu legen", hielt er sie im weiteren Verlauf der Kabbelei fest und fasste sowohl oberhalb als auch unterhalb der Bekleidung an ihre Brust. Das Festhalten diente einzig und allein dem Zweck, das Mädchen in der festgestellten Art und Weise zu berühren; es war somit Mittel zur Ermöglichung der beabsichtigten sexuellen Handlung. An der finalen Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und dem Herbeiführen der sexuellen Handlung besteht aufgrund der Gesamtumstände kein vernünftiger Zweifel.

Das festgestellte Tatgeschehen stellt sich demzufolge nicht lediglich als Nötigung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar.

Da der Angeklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen die Zeugin L.K. für jünger als 14 Jahre hielt, liegt neben der vollendeten sexuellen Nötigung der (untaugliche) Versuch des sexuellen Missbrauchs eines Kindes vor.

Eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB scheidet aus, da hiervon die Nötigung zur Duldung sexueller Handlungen nicht erfasst wird.

Der Senat hat den Schuldspruch bezüglich des Verhaltens des Angeklagten zum Nachteil der Zeugin L.K. dahin geändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch eines Kindes schuldig ist, §§ 176, 177 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 StGB. § 265 Abs. 1 StPO steht dieser Schuldspruchänderung nicht entgegen. Schon die vom Amtsgericht - Jugendschöffengericht - zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten eine sexuelle Nötigung zum Nachteil der L.K. zur Last gelegt. Es ist auch auszuschließen, dass der Angeklagte sich auch gegen den Vorwurf des versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes in tatsächlicher Hinsicht anders als geschehen gegen die erhobenen Vorwürfe hätte verteidigen können.

Angesichts des geänderten Schuldspruchs kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Urteil war daher insoweit mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.

2. Verhalten gegenüber der Zeugin L.-J.Ka. (Fall 2 der Anklage)

Hinsichtlich des festgestellten Geschehens zum Nachteil des Kindes L.-J.Ka. liegt entgegen der Revision ein sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 StGB nicht vor.

Einen solchen Schuldspruch rechtfertigen die getroffenen Feststellungen nicht, in denen es zum Tatgeschehen wie folgt heißt: "der Angeklagte griff der Zeugin L.-J.Ka. oberhalb der Bekleidung an das ausgestopfte Toilettenpapier und zog kurz daran". Zwar besteht an der Geschlechtsbezogenheit dieses Verhaltens kein Zweifel, ihm kommt aber nicht die Erheblichkeit zu, die Voraussetzung für seine Wertung als sexuelle Handlung im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB n. F. ist. Der Angeklagte hat sich bewusst darauf beschränkt, lediglich an dem Toilettenpapier zu ziehen, mit dem die Zeugin sich ausgestopft hatte. Seine Intention war es gerade nicht, dabei auch die Brust der Zeugin zu berühren und einen direkten Körperkontakt herzustellen. Auch wenn bei Kindern grundsätzlich geringere Anforderungen an die Erheblichkeit zu stellen sind als bei Erwachsenen, so erfüllen kurze Griffe über der Kleidung auch im Brustbereich nicht ohne weiteres die Voraussetzungen des § 184 f Nr. 1 StGB n.F. (vgl. BGH, NStZ 1983, 553). Zwar dient § 176 StGB dem Ziel, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuellen Handlungen zu schützen (vgl. BGHSt 29, 336,340). Es sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die auf Sinneslust beruhen oder ihr dienen sollen, tatbestandsmäßig (so BGH, NStZ 1983, 553). Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen "unbedeutende Berührungen". Der Griff an die "ausgestopfte und damit vorgetäuschte Brust" mag als Zudringlichkeit gewertet werden, nicht aber als Handlung, die das "allgemeine geschlechtliche Scham- und Sittlichkeitsgefühl" (vgl. BGHSt 18, 169, 170) in einem solchen Maße verletzt, dass ein sexueller Missbrauch i. S. d. § 176 StGB vorläge.

Das festgestellte Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin L.-J.Ka. erfüllt auch keinen anderen Straftatbestand, weder den der Nötigung noch der Beleidigung. Der Freispruch ist von daher nicht zu beanstanden, so dass die Revision insoweit ohne Erfolg blieb und mit der sich aus § 473 Abs. 2 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen war.

Ende der Entscheidung

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