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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.01.2003
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1135/02
Rechtsgebiete: OWiG, StPO
Vorschriften:
OWiG § 74 | |
StPO § 344 |
Beschluss Bußgeldsache gegen D.G., wegen Verkehrsordnungswidrigkeit Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 24. Mai 2002 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 23. April 2002 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 S. 1, Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 23. April 2002 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hagen zurückverwiesen.
Gründe:
Der Oberbürgermeister der Stadt Hagen hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 07. Februar 2001 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 204,52 € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Hagen durch Urteil vom 23 April 2002 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen, nachdem der Betroffene in der Hauptverhandlung nicht erschienen war. Nach Zugang der Terminsladung hatte dieser mit Schreiben vom 26. März 2002 wegen einer wichtigen Geschäftsreise um Terminsverlegung gebeten. Diesen Antrag hatte das Amtsgericht Hagen durch Verfügung vom 02. April 2002 mit dem Bemerken "Sie werden Ihre Geschäftsreise schon verlegen müssen" abgelehnt. Mit Schreiben vom 30. März 2002, das sich mit der Verfügung des Gerichts überschnitten hatte, hatte der Betroffene die geplanten Geschäftstermine und die bereits gebuchten Übernachtungen detailliert dargelegt. Hierauf hatte er jedoch keinen weiteren Bescheid erhalten.
Gegen das seinem Verteidiger am 05. November 2002 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit einem am 24. Mai 2002 beim Amtsgericht Hagen eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers gleichen Datums Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit einem am 07. November 2002 dort eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 06. November 2002, auf den Bezug genommen wird, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hagen zurückzuverweisen.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. §§ 341, 344, 345 StPO).
Ihr ist auch in der Sache - ein zumindest vorläufiger - Erfolg beschieden.
Die in zulässiger Weise gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhobene Verfahrensrüge ist begründet.
Die Urteilsbegründung genügt nicht den Anforderungen, die an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils zu stellen sind. Danach müssen sowohl die Umstände, die nach der Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen sollten, als auch die Erwägungen des Tatrichters, diese nicht als genügende Entschuldigung anzusehen, so ausführlich und vollständig dargelegt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Urteilsgründe die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen vermag (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2002 in 2 Ss OWi 873/02 (136); Senat in MDR 1997, 686; BayObLG NJW 1999, 879; OLG Köln NZV 1999, 261 ; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 75 Rdnr_ 48 m.w.N.). Insbesondere muss aus den Gründen ersichtlich sein, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung zutreffend erkannt und angewendet hat. Insoweit ist maßgeblich, ob der Betroffene nach den Umständen, die dem Tatrichter bekannt sind oder hätten bekannt sein müssen, tatsächlich entschuldigt ist. Nicht entscheidend ist, ob er sich entschuldigt hat (vgl. BayObLG a.a.O.). Bei unaufschiebbaren und besonders bedeutsamen beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten kann dem Betroffenen ausnahmsweise das Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein (OLG Düsseldorf NJW 1997, 2062). Ob diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, hätte das Amtsgericht, das ausweislich der Urteilsgründe erstmals am Terminstag vom Schreiben des Betroffenen vom 30. März 2002 Kenntnis genommen hat, im Wege des Freibeweises etwa durch Nachfrage beim in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger oder durch telefonische Rücksprache mit dem Betroffenen selbst oder seiner Arbeitgeberin ermitteln und in der Urteilsbegründung detailliert unter Abwägung der Pflicht zum Erscheinen einerseits und der Bedeutung der beruflichen Hinderungsgründe andererseits darlegen müssen. Hierüber hat das Amtsgericht hingegen keine ausreichenden Feststellungen getroffen. In den Urteilsgründen heißt es hierzu lediglich, der Betroffene habe auf eine ntatsächliche oder angebliche Geschäftsreise mit wichtigen Terminen" hingewiesen, die er hätte zurückstellen müssen, weil "nicht stets und immer geschäftliche oder private Interessen vor der Verfolgung erheblicher Ordnungswidrigkeiten den Vorrang" hätten.
Einzelheiten darüber, wann die Geschäftsreise festgelegt worden ist, ob die Termine hätten verschoben oder durch einen anderen Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Betroffenen wahrgenommen werden können oder ob es sich um besonderes wichtige Kunden handelte, die gesteigerten Wert auf eine persönliche Beratung durch den Betroffenen legten, werden im Urteil nicht mitgeteilt. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist daher eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Frage der Entschuldigung des Betroffenen verwehrt.
Dieser Begründungsmangel wäre nur dann unschädlich, wenn die vom Betroffenen vor Erlass des Urteils vorgetragenen Entschuldigungsgründe von vornherein und offensichtlich ungeeignet gewesen wären, sein Fernbleiben zu entschuldigen (vgl. BayObLG a.a.O.; 4. Strafsenat des OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juni 1999 in 4 Ss OWi 404/99). Ein derartiger Ausnahmefall liegt bei der vorgebrachten Verhinderung wegen wichtiger Geschäftstermine aber nicht vor.
Die zudem erhobene Sachrüge führt mangels eines materiellrechtlichen Inhalts des Verwerfungsurteils nur zur Überprüfung, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind oder Verfahrenshindernisse bestehen (OLG Köln VRS Bd. 72/87 Rdnr. 158). Da die Prozessvoraussetzungen gegeben sind und keine Verfahrenshindernisse vorliegen, ist sie unbegründet.
Aufgrund der begründeten Verfahrensrüge war das angefochtene Urteil auf zuheben und - auch zur Entscheidung über die Kosten - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hagen zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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