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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.02.2000
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1258/99
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, AEntG
Vorschriften:
OWiG § 79 Abs. 3 S. 1 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
AentG § l Abs. 2 Satz 2 u. 3, Abs. 3 Satz 2 | |
AentG § 5 Abs. 1 Nr. 2 | |
AentG § 5 Abs. 3 | |
AentG § 3 |
OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
2 Ss OWi 1258/99 OLG Hamm 33 OWi 37 Js 523/99 AK 441/99 AG Bochum
Bußgeldsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 21. Oktober 1999 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Regul, den Richter am Oberlandesgericht Mosler und den Richter am Amtsgericht Giesecke von Bergh nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene mit Beschluss vom 21. Oktober 1999 wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 3 Arbeitnehmerentsendegesetz eine Geldbuße in Höhe von 70.000,- DM festgesetzt. Es hat insoweit festgestellt:
"Die Betroffene, eine Baufirma mit Sitz in Portugal, hat im Jahre 1998 in der Zeit von Mai bis September auf mehreren Baustellen in Witten, Ober- Crengeldanz-, und Schleiermacher Straße portugiesische Arbeitnehmer beschäftigt. Am 23.10.1998 wurde durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes eine Prüfung gem. § 2 Arbeitnehmerentsendegesetz durchgeführt. Dabei wurde zunächst festgestellt, daß die Betroffene entgegen § 3 Arbeitnehmerentsendegesetz die Arbeitnehmer nicht schriftlich beim zuständigen Landesarbeitsamt gemeldet hat.
An Hand der bei der Überprüfung sichergestellten Unterlagen wurde zudem festgestellt, daß die Betroffene entgegen § l Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 2 Arbeitnehmerentsendegesetz in Verbindung mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 20.02.1997 keinerlei Beiträge an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Kasse der Bauwirtschaft (ULAK) in Wiesbaden errichtet hat. Anhand der auf den Baustellen sichergestellten Unterlagen wurde festgestellt, daß die Betroffene in der genannten Zeit Bruttolöhne in Höhe von insgesamt 206.015.30 DM an ihre Arbeitnehmer gezahlt hat. Der abzuführende Urlaubskassenbeitrag beläuft sich auf 29.357,18 DM (19,25 G der gezahlten Bruttolohnsumme)."
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Betroffene mit ihrer näher begründeten Rechtsbeschwerde, mit der sie insbesondere die Unvereinbarkeit der angewendeten Vorschriften mit übergeordnetem europäischem Recht rügt. Sie erstrebt, was aus dem Ziel der Rechtsbeschwerde und der Beschwerdebegründung, aber auch aus dem bisherigen Verfahrensgang hinreichend sichtbar wird (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 79 Rdnr. 27 a m.w.N.), die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, hilfsweise die Vorlage des Verfahrens zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof, weiter hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem bereits anhängigen Parallelverfahren.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat einen - zumindest vorläufigen - Erfolg.
Unabhängig von der Frage, ob die hier maßgeblichen Vorschriften des AEntG gegen höherrangiges, nämlich europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen, konnte der Beschluss keinen Bestand haben. Denn es lässt sich weder aus seinem Tenor noch aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe entnehmen, von welcher Schuldform der Tatrichter ausgegangen ist. Kann nämlich eine Tat - wie hier - sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden, muss das Urteil oder der Beschluss die Schuldform erkennen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 1990, S. 111; Göhler, a.a.0., § 71 Rdnr. 41 m.w.N.). Allerdings wäre die fehlende Angabe der, Schuldform im Tenor unschädlich und würde den Bestand des angefochtenen Beschlusses nicht gefährden, wenn sich diese aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe einwandfrei entnehmen ließe (vgl. Göhler, a.a.0., Rdnr. 41; OLG Düsseldorf, VRS 87, S. 378 (380); OLG Düsseldorf, DAR 1996, S. 66).
Dies ist aber indessen nicht der Fall. An nicht einer Stelle des Beschlusses wird die eine oder die andere Schuldform direkt oder indirekt mitgeteilt, was für die rechtliche Beurteilung der Tat wie auch insbesondere für die Bemessung einer Geldbuße von Bedeutung ist. Denn hiervon hängt ab, welcher Bußgeldrahmen der konkreten Bußgeldfestsetzung zugrunde gelegen hat.
Aufgrund dieses sachlich-rechtlichen Mangels war der Beschluss mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bochum zurückzuverweisen.
Der Senat sieht sich überdies zu folgender Bemerkung veranlasst:
Eine Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof zu einer Vorabentscheidung in Bezug auf die Frage, ob die hier maßgeblichen Vorschriften des AEntG gegen auslegungsfähiges europäisches Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Art. 59 ff. (jetzt Art. 49 ff.) EGV verstoßen, war schon deshalb nicht veranlasst, weil der Senat in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landgerichts Bochum (1 Qs 24/99 vom 22. April 1999) von der Vereinbarkeit des AEntG mit übergeordnetem europäischen Gemeinschaftsrecht ausgeht, so dass eine Vorlageverpflichtung gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV nicht bestand. Allerdings bleibt es dem Amtsgericht Bochum bei der erneuten Fallbeurteilung unbenommen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in dem Parallelverfahren C-49/98 (Register-Nr. 568.075) auszusetzen (vgl. dazu Göhler a.a.0., § 71 Rdnr. 49 m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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