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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.03.2004
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 147/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bezugnahme auf ein von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer
Beschluss

Bußgeldsache

gegen H.R.

wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 12. Dezember 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen bereits mit Urteil vom 11. Juni 2003 wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den § 41 Abs. 2, Zeichen 274/274.1, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 375 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dieses Urteil hat der Senat auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 18. September 2003 (2 Ss OWi 595/03; http://www.burhoff.de) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen. Das Amtsgericht hat den Betroffenen nunmehr durch das angefochtene Urteil erneut wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung gem. §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 375,00 EURO und einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Betroffene wiederum mit der Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ebenfalls wieder die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Nach den vom Amtsgericht - von neuem - getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 22. Februar 2003 auf der BAB A 43 die an der Vorfallsstelle auf 80 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 74 km/h überschritten. Der Betroffene hat bestritten, Fahrer des Pkw gewesen zu sein. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen ebenfalls wieder auf ein von dem Vorfall gefertigtes Lichtbild/Radarfoto gestützt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat nochmals beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache nochmals - zumindest vorläufig - Erfolg.

Das angefochtene Urteil entspricht, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, noch immer nicht den Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die Darlegung zur Identifizierung des Betroffenen anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Beweisfotos stellt.

Der Tatrichter hat dazu ausgeführt:

"Nachdem sich der Betroffene nicht eingelassen hat, hat das Gericht das Lichtbild aus dem Fallprotokoll Bl. 2 zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht und allseits mit den Beteiligten erörtert. Dieses Lichtbild ist zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer geeignet. Es ist auch in der Vergrößerung recht klar und es zeigt den Betroffenen eindeutig. Dieses ergibt sich sowohl aus der Gesichtsform, dem vorhandenen Schnurrbart sowie dem Haarschnitt, der auch zum Termin der Hauptverhandlung immer noch identisch ist. Das Aussehen des auf dem Foto gezeichneten Fahrers ist ohne Zweifel mit dem Aussehen des Betroffenen, auch wenn seitdem nahezu 10 Monate vergangen sind, identisch."

Dies genügt den Anforderungen der jahrelangen ständigen Rechtsprechung der Obergerichte nicht. Der Senat hat bereits ausführlich in seiner Entscheidung vom 18. September 2003 unter Anführung der obergerichtlichen, insbesondere auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der der übrigen Senate des OLG Hamm zu diesen Anforderungen Stellung genommen. Auf diese Ausführungen wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen.

Das amtsgerichtliche Urteil enthält keine prozessordnungsgemäße Bezugnahme im Sinne der §§ 71 Abs. 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Die Darlegungen des Amtsgerichts kommen dieser noch nicht einmal nahe, sondern beschreiben (erneut) nur den Beweiserhebungsvorgang (vgl. dazu noch einmal grundlegend Senat in StraFo 1997, 115 = VRS 93, 349 und in NStZ-RR 1998, 238 = VRS 95, 232). Die somit erforderliche Beschreibung des Betroffenen und der auf dem Lichtbild abgebildeten Person ist äußerst lückenhaft und ermöglicht dem Senat in keiner Weise die Überprüfung, ob der Tatrichter zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Betroffene und die auf dem Lichtbild abgebildete Person identisch sind. Weder Gesichtsform, noch Schnurrbart, noch Haarschnitt werden konkret beschrieben.

Nach allem war somit das angefochtene Urteil erneut aufzuheben und die Sache nochmals zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Recklinghausen zurückzuverweisen. Der Senat weist darauf hin, dass auch im Bußgeldverfahren der Betroffene einen Anspruch auf beschleunigte und zügige Erledigung hat und dass deshalb das Amtsgericht nunmehr die gegebenen Hinweise zu beachten haben wird.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Es ist bislang nicht ersichtlich, worauf die Darlegungen des Tatrichters zur vorsätzlichen Begehungsweise beruhen. Von den Feststellungen werden sie bislang jedenfalls nicht getragen. Es ist vielmehr zu besorgen, dass die Ausführungen des Amtsgerichts, das u.a. formuliert: "ist davon mit Sicherheit auszugehen", auf bloßen Annahmen und Vermutungen, nicht aber auf festgestellten Tatsachen, beruhen.

Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde im Übrigen daraufhin, dass sich der Tatrichter hinsichtlich des verhängten dreimonatigen Fahrverbotes nicht mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzt, sondern sich in allgemeinen (verkehrspolitischen) Erwägungen erschöpft.



Ende der Entscheidung

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