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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 29/08
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 25
Die Entscheidung des Tatrichters, vom Fahrverbot abzusehen oder nicht abzusehen, ist vom Rechtsbeschwerdegericht in Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen C.F.

wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 20. November 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 19. November 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 07.02.2008 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 01. Juni 2007 wegen fahrlässiger Nichtbefolgung einer Wechsellichtzeichenanlage gem. §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 125,00 € verhängt und außerdem gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 30. August 2007 (2 SsOWi 527/07 OLG Hamm) das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Iserlohn zurückverwiesen. Dieses hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil vom 19.11.2007 erneut wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 125,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen hat der Betroffene erneut Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gem. § 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Das Amtsgericht hat seine Rechtsfolgenentscheidung, die vom Senat im Beschluss vom 30. August 2007 zunächst als lückenhaft beanstandet worden ist, nunmehr wie folgt begründet:

"Der heute 27jährige Betroffene, bußgeldrechtlich bis zur Verfehlung vom 27.08.2006 noch nicht und offensichtlich bis zur Hauptverhandlung auch weiter nicht vorbelastet, ist verheiratet. Seine Ehefrau erwartet ein zweites Kind; sie nicht berufstätig. Der Betroffene selbst ist gelernter Kfz-Mechaniker und arbeitet bei der Märkischen Verkehrsgesellschaft GmbH, die im Märkischen Kreis einen Linienbusbetrieb mit mehr als 160 Kraftomnibussen betreibt. Bei einem Gehalt von 1600 € (Lohnsteuerklasse IV) ist der Betroffene in der Betriebswerkstatt beschäftigt und zuständig für die Wartung und Reparatur der betriebseigenen Busse. Mit ihm in der Betriebswerkstatt sind weitere sieben Kollegen sowie zwei Vorarbeiter dort eingesetzt. Zu den Aufgaben des Betroffenen gehört es auch, in einem Pannenfall das in Lüdenscheid angesiedelte Betriebsgelände zu verlassen und verunfallte oder liegengebliebene Kraftomnibusse vor Ort zu reparieren oder zum Betriebsgelände zurück zu bringen. Der Betroffene verfügt ab dem 01.01.2008 über 23 Urlaubstage. Zudem kann er durch Leistung von Überstunden weiteren Urlaub beanspruchen. Bis zu 50 Überstunden können angespart und dann ausbezahlt oder per Urlaub abgegolten werden. Für das Jahr 2007 stehen dem Betroffenen noch 10 Tage Resturlaub zu. Insoweit hat er bereits Urlaub für November/Dezember beantragt.

Seitens des Arbeitgebers, so glaubhaften Angaben des insoweit vernommenen Zeugen X., Justiziar der MVG, ist der Betroffene für die Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten auf einen Führerschein angewiesen, die Vollstreckung eines Fahrverbotes für die Dauer eines Monats könne aber lediglich zu einer arbeitsrechtlichen Abmahnung, keinesfalls zu einer - arbeitsgerichtlich haltbaren - Kündigung führen. Es stoße zwar innerbetrieblich auf Organisationsprobleme, wenn ein Arbeitnehmer für einen Monat Urlaub beanspruche oder erhalte, dies sei jedoch möglich und die Werkstatt, in der der Betroffene im Team arbeite, sei mit 10 Personen besetzt. Urlaubswünsche würden seitens der MVG regelmäßig erfüllt. Finanzielle Folgen habe der Betroffene bei Hinnahme eines Fahrverbots nicht zu befürchten.

Bei der Bemessung der zu verhängenden Geldbuße hat das Gericht erneut berücksichtigt, dass der Betroffene bislang, dass heißt auch nach dem hier zu Grunde liegenden Verkehrsverstoß bußgeldrechtlich nicht aufgefallen ist. Die Tat liegt auch schon lange, mehr als ein Jahr zurück. Das Gericht hat sich ferner an den mitgeteilten Einkommensverhältnissen des Betroffenen orientiert. Es sah jedoch keine Veranlassung, vorliegend von der im bundeseinheitlich geregelten Bußgeldkatalog für sogenannte qualifizierte Rotlichtverstöße vorgesehene Geldbuße von 125 € nach oben oder unten abzuweichen. Das Gericht hält diese Geldbuße nach wie vor für tat- und schuldangemessen und hat auf sie erkannt.

Gegen den Betroffenen war des weiteren auch ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats festzusetzen, da die vorliegende Ordnungswidrigkeit hier unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers, wenn auch fahrlässig begangen wurde. Um des eigenen schnelleren Fortkommens willens hat er sich hier über verbindliche und andere Verkehrsteilnehmer (bereits gestarteter Querverkehr) schützende Verkehrsnormen hinweggesetzt.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Betroffene allein durch die Verhängung einer, möglicherweise auch erhöhten Geldbuße nicht zu verkehrsgerechtem Verhalten anzuhalten ist. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass zumindest der normale Durchschnittsverdiener mit entsprechenden Unterhaltsverpflichtungen durch die Ausschöpfung der Höchstsätze für Bußgelder gemäß der §§ 17 Abs. 1 und 2 OWiG von der erneuten Begehung vergleichbarer Verstöße abgehalten werden kann. Warum dies aber mehr als in der Vergangenheit der Fall sein soll, wie in der Entscheidung 2 SsOWi 527/07 des OLG Hamm ausgeführt, entzieht sich dem Verständnis des Gerichts. Im Gegenteil dürfte die deutlich gestiegene Verkehrsdichte auch nach der Umstellung auf den EURO Veranlassung geben, auch weiterhin von der Sanktion des Fahrverbots Gebrauch zu machen, wenn ein entsprechend eklatanter Verkehrsverstoß zu beurteilen ist, aus welchem selbst schon indiziell der Schluss gezogen werden kann, nur die einschneidende Anordnung eines Fahrverbots werde den Betroffenen zu verkehrsgerechtem Verhalten für die Zukunft veranlassen. Vorliegend handelte es sich um einen fahrlässigen Rotlichtverstoß, bei dem nach den rechtskräftigen Feststellungen der Querverkehr schon angefahren war, wenn er auch nicht konkret gefährdet wurde. Fest steht aber auch, das dies dem Betroffenen nicht entgangen sein dürfte, als er in die Kreuzung einfuhr. Bei dieser Sachlage hält das Gericht die Anordnung eines Fahrverbots für dringend geboten und hat hierauf erkannt.

Dem Gericht ist bei der Entscheidung weiterhin bewusst gewesen, dass der Betroffene arbeitsrechtliche Schwierigkeiten zu erwarten hat, wenn das Fahrverbot gegen ihn vollstreckt wird. Es ist aber nach der Vernehmung eines Repräsentanten seines Arbeitgebers davon überzeugt, dass dem Betroffenen insoweit keine weiteren finanziellen Nachteile durch den Arbeitgeber drohen, dies hat der Zeuge X.s glaubhaft ausgeschlossen. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes steht sicher nicht zu erwarten. Der Zeuge X.s hat zur Überzeugung des Gerichtes glaubhaft angegeben, dass lediglich eine Abmahnung, wenn überhaupt, zu befürchten sei. Eine Kündigung, gestützt auf die Verhängung eines Fahrverbots, hat der Zeuge X.s ausgeschlossen insbesondere mit dem Hinweis, das eine solche einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung bei dem bislang noch nicht abgemahnten Betroffenen nicht standhalten würde. Zudem hat der Zeuge X.s auch glaubhaft bekundet, dass dem Betroffenen ab 01.01.2008 für das Jahr 2008 insgesamt 23 Urlaubstage zur Verfügung stünden und er die Anzahl der Urlaubstage durch Ableisten von Überstunden, wie schon in der Vergangenheit geschehen, noch erhöhen könnte. Auch die Gewährung eines einmonatigen Urlaubs am Stück ist bei dem Betroffenen, dem zudem die Viermonatsfrist zur Vollstreckung des Fahrverbots gemäß § 25 a StVG eingeräumt ist, nach Angaben des Zeugen X.s konkret möglich, wenngleich dies innerbetrieblich zu deutlichen Organisationsschwierigkeiten führen könnte, was jedoch den Betroffenen selbst nicht betrifft.

Alles in allem war danach nach Überzeugung des Gerichts auch bei seinem insoweit durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengten, aber verbleibenden Ermessensspielraum die Regelgeldbuße von 125 € auszuurteilen und ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats - bei Gewährung der Viermonatsfrist zur Vollstreckung - anzuordnen.

Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus den §§ 46 OWiG, 465, 473 StPO."

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Verwerfungsantrag wie folgt begründet:

"Der Rechtsfolgenausspruch lässt nunmehr Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Das gilt auch für die Verhängung des einmonatigen Fahrverbotes.

Die insoweit getroffenen Feststellungen genügen den Anforderungen des Senats aus dem Beschluss v. 30.08.2007 - 2 Ws 527/07 - (Bl. 93 ff. d.A.).

Das Gericht hat Feststellungen dazu getroffen, dass die Verhängung eines Fahrverbotes von einem Monat die berufliche Existenz des Betroffenen nicht gefährdet, insbesondere nicht der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Zudem hat es auch festgestellt, dass der Betroffene innerhalb der Frist des § 25a Abs. 2 StVG das Fahrverbot während eines zu nehmenden Urlaubs verbüßen kann.

Darüber hinaus hat das Gericht auch - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - überzeugend dargelegt, warum es vorliegend nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass zugunsten des Betroffenen von der Verhängung eines Fahrverbotes unter Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden konnte.

Die Tatsache, dass nach den getroffenen Feststellungen der Querverkehr schon angefahren war, als der Betroffene in die Kreuzung einfuhr, es sich mithin um einen eklatanten Verstoß handelt, rechtfertigt für sich bereits, den Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes unter Verzicht auf die Erhöhung der Geldbuße anzunehmen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zeitraum zwischen der Begehung der Tat und dem angegriffenen Urteil knapp 15 Monate beträgt (vgl. Senatsbeschl. v. 02.07.2001 - 2 SsOWi 543/01 -m.w.N.)."

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Prüfung bei. Der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung ist nunmehr aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 30. August 2007 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Tatrichters, vom Fahrverbot abzusehen oder nicht abzusehen, vom Rechtsbeschwerdegericht in Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. OLG Hamm DAR 1996, 68; VRS 92, 40; VRR 2007, 350, jeweils m. w. N.). Es kommt auch nicht darauf an, ob eine andere Entscheidung vertretbar gewesen wäre oder nicht.

Das Amtsgericht hat nunmehr ausreichende Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und in welchem Umfang der Betroffene das gegen ihn verhängte Fahrverbot im Urlaub vollstrecken lassen kann. Dies ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen möglich. Dieser Umstand führt dazu, dass - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - die Fahrverbotsentscheidung nicht zu beanstanden ist, zumal das Amtsgericht auch noch ausreichend ausgeführt hat, warum es - entgegen dem vom Senat in seiner Entscheidung vom 30. August 2007 erteilten Hinweis -davon überzeugt ist, dass bei diesem Betroffenen allein die Verhängung einer erhöhten Geldbuße zur Einwirkung nicht ausreichend ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Rotlichtverstoß vom 27. August 2006 datiert. Die seit dem verstrichene Zeit ist auch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats noch nicht lang genug, um allein wegen des Zeitablaufs von einem Fahrverbot absehen zu können. In dem Zusammenhang hat das Amtsgericht zutreffend den im Einzelnen dargelegten Ablauf des Rotlichtverstoßes berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO i. V. m. 79 Abs. 3 OWiG.

Ende der Entscheidung

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