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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 297/06
Rechtsgebiete: StPO, StVO


Vorschriften:

StPO § 267
StVO § 3
Zur Höhe des Sicherheitsabschlags bei der Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen S.S.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit u. a.).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 07. Februar 2006 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31. 08. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht (als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen "fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gem. § 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 1/3 Nr. 3, 4 StVO; § 24 StVG; § 17 OWiG und fahrlässigen Verstoßes gegen § 21 a Abs. 1 StVO" zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt worden. Darüber hinaus ist gegen ihn ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge jeder Art für die Dauer eines Monats verhängt worden, wobei von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG kein Gebrauch gemacht worden ist.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 18. September 2005 um 2.55 Uhr in Schwerte die BAB 1 in Fahrtrichtung Bremen mit seinem PKW der Marke Audi zwischen Kilometer 62 und Kilometer 63 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 88 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit aufgrund einer dort eingerichteten Baustelle durch Verkehrszeichen auf 60 km/h beschränkt war.

Diese Feststellungen beruhen u. a. auf der Aussage der vernommenen Polizeibeamtin S., die mit einem Funkstreifenwagen, der mit einem nicht justierten Tachometer ausgerüstet war, hinter dem Fahrzeug des Betroffenen herfuhr. Der Abstand betrug auf einer Länge von 1000 m konstant 100 m, wobei die Schlussleuchten und die Kennzeichenbeleuchtung am Fahrzeug des Betroffenen funktionsfähig und eingeschaltet waren. Es herrschte Dunkelheit, aber klare Sicht zum gemessenen Fahrzeug. Eine Fremdbeleuchtung auf der Autobahn bestand nicht. Gleichwohl konnten die Umrisse des gemessenen Fahrzeugs von der Zeugin, einer erfahrenen Polizeibeamtin, die ständig durch Nachfahren auf der Autobahn Geschwindigkeitsverstöße feststellt, klar erkannt werden. Das Verkehrsaufkommen zur Nachtzeit war gering, gleichwohl konnten die Zeugin sowie ihr im Fahrzeug befindlicher Kollege während des Nachfahrens ständig durch Überprüfung der Distanz zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und zu den Leitpfosten auch ohne Fremdbeleuchtung für einen gleichbleibenden Abstand sorgen und das vorausfahrende Fahrzeug des Betroffenen für eine Distanzabschätzung sicher erkennen. Während des Messvorgangs betrug die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs durchgängig 110 km/h. Bei Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 20 %, also 22 km/h, ist der Tatrichter von einer verwertbaren Geschwindigkeit von mindestens 88 km/h und somit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h ausgegangen.

Die im Fahrzeug befindlichen Kinder waren während der Fahrt nicht ausreichend durch Kindersitze gesichert. Die Kindersitze befanden sich unbenutzt im Fahrzeug und die Kinder waren somit nicht angeschnallt.

Zur Person des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieser selbständig einen Kiosk mit Backshop betreibt und sein monatlicher Bruttoverdienst etwa 4.000,00 €, derjenige seiner Ehefrau aus ihrer eigenen Berufstätigkeit zwischen 2.000,00 und 2.500,00 € beträgt.

Straßenverkehrsrechtlich sei der Betroffene vor der hier in Rede stehenden Tat vom 18. September 2005 bereits am 06. Juli 2004, am 15. Dezember 2004 und am 31. Dezember 2004 jeweils wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufgefallen. Wegen der ersten Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h wurde er durch seit dem 28. September 2004 rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 15. September 2004 zu einer Geldbuße von 40,00 € verurteilt.

Wegen der zweiten Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaft um 40 km/h wurde er durch seit dem 24. Februar 2005 rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 04. Februar 2005 zu einer Geldbuße von 112,50 € verurteilt und schließlich wegen der dritten Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft um 35 km/h durch seit dem 01. Juni 2005 rechtskräftige Entscheidung vom 26. Januar 2005 zu einer Geldbuße von 100,00 €, wobei ferner ein Fahrverbot von einem Monat unter Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG festgesetzt wurde.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und rechtzeitig eingelegte und mit näheren Ausführungen mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde ist insgesamt zulässig. Ihr muss der Erfolg jedoch versagt bleiben.

1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist mangels Einhaltung der gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG erforderlichen und gebotenen Form unzulässig.

Insoweit hat der Betroffene gerügt, der Amtsrichter habe zu Unrecht zwei Beweisanträge auf Vernehmung einer Zeugin sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt ohne jedoch die Anträge selbst noch die Begründung der Ablehnung in hinreichender und den Anforderungen entsprechender Weise darzulegen.

2. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist zwar in zulässiger Weise erhoben worden, vermag der Rechtsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit entwickelten Grundsätze sind im angefochtenen Urteil in ausreichendem Maße berücksichtigt worden.

Der Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen, über den der Senat im Beschluss vom 15. Dezember 2005 (2 Ss OWi 844/05 = VRS 110, 279) zu entscheiden hatte schon dadurch, dass vorliegend ausdrücklich festgestellt ist, dass neben den Schlussleuchten und der Kennzeichenbeleuchtung auch die Umrisse des gemessenen Fahrzeugs von der Polizeibeamtin klar erkannt werden konnten. Dies ist bei klarer Sicht auch bei einem Abstand der Fahrzeuge von 100 m durchaus nicht ausgeschlossen.

Ob der Senat künftig an seiner im genannten Beschluss vom 15. Dezember 2005 dargelegten Auffassung angesichts der auch dort festgestellten zahlreichen Einzelheiten zum Erkennen des vorausfahrenden Fahrzeugs festhalten wird, brauchte angesichts der - wenn auch geringen - Abweichung hinsichtlich des Erkennens der Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht entschieden zu werden.

Von dem in jenem Beschluss ebenfalls zitierten Senatsbeschluss vom 06. September 2005 (2 Ss OWi 512/05) unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung schon dadurch, dass nach dem dort festgestellten Sachverhalt der Abstand zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem nachfolgenden Polizeifahrzeug 200 m betrug.

Der vom Amtsgericht vorgenommene Sicherheitsabschlag von 20 %, hier immerhin 22 km/h, von der von den Polizeibeamten abgelesenen und ermittelten Geschwindigkeit beider Fahrzeuge von 110 km/h begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Abzug eines derartigen Sicherheitsabschlags von 20 % bei einem Polizeifahrzeug mit nicht justiertem und nicht geeichtem Tachometer ist ausreichend, zumal davon auszugehen ist, dass bei heute verwendeten neuen Polizeifahrzeugen und Kraftfahrzeugen allgemein die Geschwindigkeitsanzeige des Tachometers noch präziser ist als dies möglicherweise noch vor einigen Jahren der Fall war.

Jedenfalls schließt sich der Senat der in der obergerichtlichen Rechtsprechung inzwischen weitverbreiteten Ansicht an, dass in Fällen der vorliegenden Art ein Sicherheitsabschlag von 20 % vom abgelesenen Wert ausreichend ist (vgl. hierzu im Einzelnen Böttger in Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rdnr. 1137 - Tabelle Toleranzabzüge mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Soweit die Rechtsbeschwerde der Aussage der Zeugin Silge-Bannach in Abweichung von den Feststellungen des angefochtenen Urteils einen anderen Inhalt beizumessen versucht, kann sie damit im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.

III.

Auch der Rechtsfolgenausspruch ist frei von Rechtsfehlern und begegnet in seiner Begründung keinen rechtlichen Bedenken.

Soweit der Tatrichter die oben dargelegten drei Ordnungswidrigkeiten mit Tatzeit, Datum der Entscheidung, der Rechtskraft sowie der Rechtsfolge im Einzelnen dargelegt hat, einleitend hierzu jedoch von vier im Verkehrszentralregister verzeichneten Eintragungen spricht, handelt es sich bei der Zahl vier offensichtlich um einen Schreibfehler, zumal folgend tatsächlich nur drei Voreintragungen beschrieben und dargelegt werden.

Angesichts dieser - verwertbaren - Voreintragungen ist weder die Höhe der Geldbuße, die gegenüber der Regelbuße lediglich leicht erhöht ist, noch die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots zu beanstanden.

Abgesehen davon, dass es sich angesichts der am 01. Juni 2005 rechtskräftig gewordenen Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h nach § 4 Abs. 2 S. 2 BkatV um einen Regelfall handelt, würden auch die Anzahl und die zeitliche Abfolge der Vortaten und der vorliegenden Ordnungs-widrigkeit die Annahme einer beharrlichen Pflichtverletzung nahe legen und begründen und somit die Verhängung eines Fahrverbots gem. § 25 Abs. 1 StVG rechtfertigen.

Das Amtsgericht hat auch in hinreichender und überzeugender Weise dargelegt, dass von der Verhängung des Fahrverbots nicht abgesehen werden kann. Dies gilt umso mehr, als selbst die erst wenige Monate vor der vorliegenden Tat rechtskräftig gewordene Festsetzung eines Fahrverbots offensichtlich ohne Wirkung auf den Betroffenen geblieben ist.

Die von der Rechtsbeschwerde gerügte und angesichts der Tatzeit nicht nachvollziehbare Feststellung des Amtsgerichts, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h innerhalb der Baustelle gelte nicht nur zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch und gerade zum Schutz der an der Baustelle tätigen Arbeiter, vermag angesichts der Nachtzeit nicht zu überzeugen, beeinträchtigt letztlich aber die im übrigen überzeugenden Darlegungen zur Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbots nicht.

Da zwischen der letzten Verhängung eines Fahrverbots und der hier geahndeten Tat weniger als zwei Jahre liegen, hat das Amtsgericht zu Recht von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG keinen Gebrauch gemacht.

Die Rechtsbeschwerde war daher mit der sich aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenentscheidung zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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