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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 35/01
Rechtsgebiete: StPO, StVG


Vorschriften:

StVO § 3
StVG § 25
Leitsatz

Zur beschränkende Geltung einer durch Zeichen 274 zu § 41 StVO angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung durch das gemäß § 39 Abs. 2 StVO angebrachte Zusatzschild "Werktags von 06.00 - 22.00 Uhr" (Zeichen 1042-31 der StVO) an einem Samstag.


Beschluss Bußgeldsache gegen R.O.,

wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 23. November 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im übrigen - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Amtsgericht Herne-Wanne zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

Gründe:

Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG zu einer Geldbuße von 200,00 DM verurteilt worden; außerdem ist ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 12. Februar 2000 um 8.08 Uhr mit seinem Pkw in Herne die BAB A 42 in Fahrtrichtung Dortmund mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 148 km/h befahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort durch Zeichen 274 auf 100 km/h beschränkt war. Die Messung erfolgte mit dem Radargerät Multanova 6 F, wobei das Amtsgericht bei einem Toleranzabzug von 5 km/h von einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 143 km/h ausgegangen ist.

Ferner hat das Amtsgericht unter anderem ausgeführt, dass der Betroffene sich nicht darauf berufen könne, dass die durch das Zusatzschild zur Geschwindigkeitsbegrenzung geltende Beschränkung auf "Werktags von 06.00 - 22.00 Uhr" für die Tatzeit, einen Samstag, nicht gelte. Dieser sei nämlich ein Werktag im Sinne der Beschränkung.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist zulässig und hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs - zumindest vorläufig - Erfolg.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde allerdings auch gegen den Schuldspruch richtet, war sie entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO). Die getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG.

Wie der Senat bereits im Beschluss vom 7. März 2001 (2 Ss OWi 227/01 betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung eines anderen Verkehrsteilnehmers an dem selben Tage) dargelegt hat, ist das Amtsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass die beschränkende Geltung der durch Zeichen 274 zu § 41 StVO angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung durch das gemäß § 39 Abs. 2 StVO angebrachte Zusatzschild "Werktags von 06.00 - 22.00 Uhr" (Zeichen 1042-31 der StVO) zur Tatzeit keine Wirkung entfaltet hat. Tattag war der 12. Februar 2000, ein Samstag. Der Samstag ist aber auch heute noch im allgemeinen Sprachgebrauch ein "Werktag". Das ist unabhängig davon, ob dieser Tag ein Arbeitstag ist. Die Bezeichnung "Werktags" meint den Gegensatz zu "Sonn- und Feiertagen", wie sie im Zusatzschild 1042-35 der StVO vorgesehen ist. Wäre der Samstag in die Bezeichnung "Werktags" nicht einbezogen, bedürfte es auch des Zusatzschildes 1042-33 ("Mo-Fr") nicht.

Soweit der Betroffene davon ausgegangen ist, dass Werktage nur die Tage von Montag bis Freitag sind, handelt es sich um einen reinen Subsumtionsirrtum, der - abgesehen davon, dass er auch vermeidbar gewesen wäre - vorliegend unbeachtlich ist, da das Amtsgericht nur von einem fahrlässigen Verstoß ausgegangen ist. Auch darauf hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Antrag zutreffend hingewiesen (vgl. insoweit auch den genannten Senatsbeschluss vom 7. März 2001).

Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt jedoch Rechtsfehler erkennen, die insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

Nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Amtsgericht festgesetzte Geldbuße von 200,00 DM. Dabei handelt es sich um die von der Bußgeldkatalogverordnung für Geschwindigkeitsüberschreitungen der vorliegenden Art vorgesehene Regelgeldbuße.

Zutreffend ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der lfd. Nr. 5.3.4. der Tabelle 1 a "Geschwindigkeitsüberschreitungen" der BKatV vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde, nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenen Umstände weder allein noch gemeinsam aus (vgl. insoweit den genannten Senatsbeschluss vom 7. März 2001 m.w.N., insbesondere unter Bezugnahme auf die weiteren Senatsbeschlüsse vom 30. November 1999 in 2 Ss OWi 1196/99 = DAR 2000, 129 = MDR 2000, 269 = VRS 98, 305 = NZV 2000, 264 sowie vom 22. Dezember 1998 in 2 Ss OWi 1362/98 = MDR 1999, 480 = VRS 96, 466).

Rechtsfehlerhaft und damit zu beanstanden ist es jedoch, dass sich das Amtsgericht bei der Begründung der Verhängung des Fahrverbots nicht auch mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, muss das amtsgerichtliche Urteil erkennen lassen, dass sich der Tatrichter dieser generellen Möglichkeit bewusst war. Insoweit bedarf es zwar keiner näheren Ausführungen, wenn ein solcher Ausnahmefall verneint wird; die Urteilsgründe müssen dies jedoch erkennen lassen.

Hieran fehlt es vorliegend. Erörterungen zur Frage des Absehens eines Fahrverbots durch eine erhöhte Geldbuße waren hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Zwar bedarf es nach ständiger Senatsrechtsprechung entsprechender Ausführungen dann nicht, wenn dem Gesamtzusammenhang der Begründung im Übrigen eindeutig zu entnehmen ist, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße bei gleichzeitigem Wegfall des Fahrverbots nicht (mehr) erreicht werden kann (vgl. die o.g. Senatsbeschlüsse m.w.N.). Das lässt sich vorliegend jedoch auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Vielmehr deuten die vom Amtsgericht verwendeten Formulierungen darauf hin, dass es nur die Frage, ob wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden könne, geprüft hat.

Damit war - wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße - der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben.

Da es für die Frage des Absehens vom Fahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße mitentscheidend auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen ankommen kann, hat der Senat von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, selbst in der Sache zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht, sondern die Sache an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Ende der Entscheidung

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