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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 356/05
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 263 |
Beschluss
Strafsache
gegen P.M.
wegen Betruges
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 26. April 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Tenor:
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 22. Dezember 2004 wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 2 € verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich nunmehr noch die Revision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die von dem Angeklagten rechtzeitig eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die auf die Sachrüge hin vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Das Landgericht hat der Verurteilung des Angeklagten folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt:
"Im März 2004 war der Zeuge S. Zellengenosse des Angeklagten in der JVA Bochum. Zum damaligen Zeitpunkt war gegen den Angeklagten eine Einkaufssperre von der JVA verhängt. Der Zeuge S. verfügte im März 2004 über seinen gültigen Einkaufsschein und noch über zumindest einen weiteren, bereits ungültigen Einkaufsschein. Zusammen heckten der Zeuge S. und der Angeklagte folgenden Plan aus:
Der Zeuge S. unterschrieb mit einer veränderten Unterschrift den bereits ungültigen Einkaufsschein und verfälschte die Buchnummer auf dem alten abgelaufenen Einkaufsschein und das darauf befindliche Datum. Diesen Einkaufsschein stellte er sodann dem Angeklagten zur Verfügung. Der Einkaufsschein ermöglichte einen Einkauf über insgesamt 276,00 Euro.
Der Angeklagte sollte sich beim Einkauf als S. ausgeben. Danach sollte auf der Zelle der Einkauf zu gleichen Anteilen aufgeteilt werden. Nach der Belastung des bei der JVA geführten und auch gedeckten Kontos des Zeugen S. wollte dieser wegen einer angeblichen Fehlbuchung das Land in Regress nehmen für die über den verfälschten Einkaufsschein getätigte Abbuchung. In diesen Plan war der Angeklagte in vollem Umfang eingeweiht und wollte dies auch. Beim Einkauf fielen die Angeklagten jedoch der Verkaufskraft auf, da sie nacheinander mit einem namensgleichen Einkaufsschein den Kassenbereich passierten. Die Kassiererin verständigte daraufhin einen Justizbediensteten. Der Angeklagte und der Zeuge S. wurden auf der Zelle bei der Teilung des Einkaufs gestellt. Der Einkauf konnte dem Laden wieder zugeführt werden."
2. Diese tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB. Entgegen der Auffassung der Revision stellt bereits die Erlangung der Waren durch den Angeklagten unter Aushändigung des durch den Mittäter S. manipulierten Einkaufsscheins einen vollendeten Betrug dar.
a) Den getroffenen Feststellungen lässt sich eine Täuschungshandlung des Angeklagten entnehmen. Dieser hat durch die Vorlage des Einkaufsscheins die Verkaufskraft im Laden konkludent getäuscht. Er hat damit nämlich schlüssig erklärt, dass er die auf dem Schein genannte Person ist und dass es sich um einen gültigen und ordnungsgemäß ausgefüllten Einkaufsschein handelt.
b) Dadurch ist bei der Verkaufskraft auch ein entsprechender Irrtum entstanden. Zwar stellt das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich fest, wann diese den Irrtum bemerkt hat. Wäre die Täuschung noch vor Übergabe der Waren aufgefallen, käme in der Tat ggf. nur ein versuchter Betrug nach den §3 261 Abs. 1, 21, 22 StGB in Betracht. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich jedoch hinreichend sicher entnehmen, dass die Verkaufskraft den Irrtum erst nach Abschluss des Verkaufsgeschäfts bemerkt hat. Nach den getroffenen Feststellungen hat sie nämlich "daraufhin" einen Justizbediensteten informierte. Dieses "daraufhin" bezieht sich nach Auffassung des Senats zeitlich auf den vorhergehenden Satz der Feststellungen. Danach war zu diesem Zeitpunkt das Verkaufsgeschäft jedoch schon abgeschlossen und die gekauften Waren waren ausgehändigt. Dafür spricht auch, dass nach den Feststellungen nach Entdeckung der Manipulation der Einkauf dem Laden wieder zugeführt werden konnte.
c) Mit der Aushändigung der Waren hat die Verkaufskraft auch über Eigentum und Besitz an den Waren verfügt. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es insoweit nicht darauf an, ob der Verkauf mittels Einkaufsscheinen in der JVA durch einen privaten Betreiber oder das Land als Träger der JVA Bochum durchgeführt wird. Anerkannt ist in Rechtsprechung und Literatur , dass bei einem so genannten Dreiecksbetrug die getäuschte und verfügende Person identisch sein müssen, der Vermögensschaden jedoch auch bei einem Dritten eintreten kann. Nach überwiegender Meinung ist es lediglich erforderlich, dass der Verfügende im Lager des Vermögensinhabers steht, wozu ein besonderes Näheverhältnis vorausgesetzt wird, welches insbesondere bei Kassierern und Verkäufern vorliegt (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 263 Rn. 47 ff. mit weiteren Nachweisen). Bei der Verkaufskraft liegt dieses Näheverhältnis zu dem Betreiber vor, ohne dass es darauf ankommt, wer rechtlich der Betreiber der Verkaufsstelle ist. Die von der Revision angeführte beabsichtigte weitere Schädigung des Landes durch den Zeugen S. ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insoweit könnte es sich um eine weitere/andere Tat handeln, die jedoch nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung ist. Damit ist auch die Frage, ob insoweit bereits ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbegehung vorliegt, ohne Belang.
d) Der Angeklagte hat auch dem Betreiber des Ladens einen Vermögensschaden im Sinn des § 263 StGB zugefügt. Es kann dabei dahinstehen, ob von einem Schaden auszugehen ist, der darin besteht, dass die Gegenleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund der beschriebenen Gefahr weniger wert ist als die vom Angeklagten bezogenen Waren, oder ob mit dem angegriffenen Urteil von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen ist. Soweit lediglich eine Vermögensgefährdung angenommen wird, stellt dies, sofern man demgegenüber bereits einen tatsächlich eingetretenen Schaden durch den Verlust der Waren bejaht, einen Rechtsfehler dar, der den Angeklagten nicht beschwert.
Nach den getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass bereits ein Vermögensschaden im Sinn des § 263 Abs. StGB eingetreten ist. Ein Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestandes liegt vor, wenn das Vermögen des Opfers infolge der Täuschung eine Einbuße an wirtschaftlichem Wert erfährt (Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 158). Bei Austauschgeschäften ist eine Saldierung vorzunehmen, um den Schaden als Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Wertvergleich vor und nach der Vermögensverfügung (LK-Schünemann, a.a.O., § 263 Rn. 159 f.). Leistung und Gegenleistung müssen miteinander verglichen werden. Die einen Vermögensschaden ausschließende Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung fehlt z.B. bei Kreditverträgen dann, wenn die Rückzahlung gefährdet ist, ohne dass die Anforderungen, die an eine schadensgleiche Vermögensgefährdung gestellt werden, erfüllt sein müssen (LK-Schünemann, a.a.O., § 263 Rn. 173). Ein bestehender zivilrechtlicher Anspruch stellt keinen vollen Ausgleich für eine Einbuße dar, wenn seine Durchsetzung etwa aufgrund einer schwierigen Beweislage zweifelhaft ist (BGH wistra 1991, 218).
Die Frage kann jedoch letztlich dahinstehen, da jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen ist. Die vorliegende Fallgestaltung entspricht der des so genannten Beweismittelbetruges. In diesen Fällen wird eine als Vermögensschädigung anzusehende Vermögensgefährdung bereits dann angenommen, wenn sich im Vorfeld eines Prozesses die Prozesslage für den Täter durch die Täuschung mit Aussicht auf Erfolg verbessert (BGH NStZ 1992, 233, 234). So kann eine tatbestandliche Vermögensgefährdung darin liegen, dass die Geltendmachung oder Verteidigung von Vermögensrechten erschwert oder verhindert wird. Dabei ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Vertragsparteien und der besonderen Umstände des Falles festzustellen, ob mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 21, 112, 113; 34, 394, 395; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 248).
Das ist vorliegend der Fall. Der Angeklagte hatte von der Verkaufskraft bereits Waren erhalten. Als Gegenleistung wurde ein Anspruch auf Abbuchung des Betrages von dem Konto des Zeugen S., als der sich der Angeklagte zumindest konkludent ausgab, vereinbart, zu dessen Durchsetzung der Verkaufsschein dienen sollte. Auch wenn dieser Anspruch aufgrund des einverständlichen Handelns des Angeklagten mit dem Zeugen S. zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist, war jedenfalls dessen Durchsetzbarkeit erheblich gefährdet. Durch den doppelten Einkauf in Verbindung mit der Verwendung des mit der veränderten Unterschrift des Zeugen S. versehenen und bereits ungültigen Einkaufsscheins konnte der Betreiber des Ladens ggf. nämlich nicht beweisen, dass dieser Schein im Einverständnis mit dem Zeugen S. verwendet wurde und dieser zeitgleich mit einem weiteren, noch gültigen und mit seiner richtigen Unterschrift versehenen Einkaufsschein weitere Einkäufe tätigte. Eine Inanspruchnahme des Angeklagten oder Dritter hätte ebenfalls keinen Erfolg versprochen. Da nach den Feststellungen des Landgerichts der Zeuge S. auch konkret vorhatte, diesen Anspruch zu vereiteln, war das Vermögen des Ladenbetreibers somit konkret gefährdet. Zudem war es dem Zufall überlassen, ob die Verkaufskraft oder weitere mit der Abbuchung betraute Personen die Abweichungen des Einkaufsscheins von regulären Einkaufsscheinen des Zeugen S. auch ohne eine entsprechende Mitteilung durch diesen bemerken würden.
III.
Da auch gegen die vom Landgericht festgesetzte Geldstrafe nichts zu erinnern ist, war die Revision mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.
Ende der Entscheidung
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