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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 436/08
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 31
OWiG § 33
Bei einer sog. Zustandsordnungswidrigkeit beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ende der Handlung, die mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes zusammenfällt, so etwa bei der Errichtung eines Gebäudes ohne Genehmigung mit dem Abschluss des Baues.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen H.P.

wegen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen Landesbauordnung - Errichtung einer baulichen Anlage ohne Baugenehmigung).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 13. März 2008 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 08. 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Die Stadt Iserlohn verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 11. Juli 2005, zugestellt am 14. Juli 2008, wegen der Errichtung eines Anbaus ohne die erforderliche Baugenehmigung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW eine Geldbuße in Höhe von 4.000,00 €. Hinsichtlich des zugrunde liegenden Tatvorwurfs ist in dem Bußgeldbescheid Folgendes u. a. ausgeführt:

"Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 26. März 2004 wurde festgestellt, dass auf dem Anwesen L.Weg, 58640 Iserlohn-Hennen, Bautätigkeiten an einem mehrgeschossigen Gebäude in Form der Errichtung eines Anbaus ausgeführt wurden. Dieser Anbau ist an der nach Osten gewandten Front des Gebäudes, das auf dem Grundstück Gemarkung Hennen, Flur X, Flurstück XX, gelegen ist, entstanden. Er ist als Rohbau fertiggestellt. Ein Dach war im Zeitpunkt der Feststellungen vom 26.03.2004 noch nicht aufgesetzt.

Eine Baugenehmigung für die Errichtung dieses mehrgeschossigen Anbaus, der zugleich die wesentliche Veränderung des Gebäudes selbst bedeutet, lag im Zeitpunkt der Bauausführung nicht vor, ist im Übrigen auch bis heute weder beantragt noch erteilt.

Die Fortsetzung der Bautätigkeiten wurde mit an Ihre Ehefrau gerichteter Verfügung vom 29.03.2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt. Diese Ordnungsverfügung ist gegenwärtig Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens."

Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene nach Zustellung form- und fristgerecht Einspruch ein. Termin zur Hauptverhandlung fand am 08. August 2006 mit Fortsetzungstermin am 15. August 2006 statt. Zwei der zuvor vom Amtsgericht anberaumten Termine mussten zum einen wegen der Verhinderung des Verteidigers, zum anderen wegen einer akuten Erkrankung des Betroffenen aufgehoben werden. Die Ladungen des Betroffenen zu den Hauptverhandlungsterminen sind dem Betroffenen unter seiner Anschrift in Italien zugestellt worden. Er hatte davon abgesehen, seinen damaligen Verteidiger zu bevollmächtigen, an ihn gerichtete Ladungen in Empfang zu nehmen. Im Fortsetzungstermin am 15. August 2006 hatte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 46 OWiG, § 260 Abs. 3 StPO wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, weil der Bußgeldbescheid der Stadt Iserlohn vom 11.07.2005 dem Betroffenen bisher nicht wirksam zugestellt worden sei. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Iserlohn zurückverwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Senatbeschluss Bezug genommen, der sich insbesondere mit der Frage der Wirksamkeit des in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Bußgeldbescheides auseinandersetzt.

In der erneuten Hauptverhandlung am 13. März 2008 verurteilte das Amtsgericht Iserlohn den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 84 Abs. 1 Nr. 13 LBauO NW durch unzulässiges Erstellen eines Anbaus ohne vorherige Baugenehmigung zu einer Geldbuße in Höhe von 3.500,00 EURO. In den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils ist hierzu u.a. Folgendes festgestellt:

"Der Betroffene ist mit seiner Ehefrau und seinen beiden inzwischen volljährigen Kindern als Gesellschafter bürgerlichen Rechts unter dem Namen "Grundstücksgemeinschaft XXXXXX" als Erbbauberechtigter im Erbbaugrundbuch für das Flurstück XX , Flur X der Gemarkung Iserlohn-Hennen eingetragen. Das bezeichnete Flurstück, das mit einem Wohngebäude bebaut ist, gehört zu dem Gebäudekomplex " Haus L.". "Haus L." besteht aus einem historischen Haus L. von 1705 und weiteren Wohn- und Nebengebäuden, wobei das auf dem Flurstück 89 stehende hier gegenständliche Wohngebäude auch als " Hausmeisterhaus" oder "Holzbaracke" bezeichnet wird. Die gesamte Anlage liegt im sogenannten Außenbereich. Nach Feststellung des Verwaltungsgerichts Arnsberg in dem Verfahren 12 K 3550/06 und Angaben der Zeugin B. gibt es für diese Holzbaracke, die im Bestand der öffentlichen Unterlagen mit einer Wohnnutzung im Untergeschoss bei ungenutztem Dachgeschoss verzeichnet ist, keine Baugenehmigung für eine Erweiterung oder Nutzungsänderung. Bereits im Jahr 1974, in dem der Betroffene auch schon Erbpachtberechtigter war, war insoweit eine Baulast eingetragen worden, wonach keine weiteren als bis dahin vorgenommenen baulichen Veränderungen mehr vorgenommen werden dürften.

Gleichwohl und ohne zuvor eine entsprechende Baugenehmigung beantragt oder erhalten zu haben, ließ der Betroffene als verantwortlicher Bauherr, wie sich aus zahlreichen Schreiben des Betroffenen selbst an die Stadt Iserlohn ableiten lässt, zeitnah vor einer für den März 2004 geplanten Baubegehung einen mehrgeschossigen Vorbau östlich an die vormalige Holzbaracke errichten, wie glaubhaft von der Zeugin B. bekundet und durch das in Augenschein genommene Lichtbild Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs, auf das ausdrücklich Bezug genommen wird belegt, also eine wesentliche des vorgenannten Gebäudes zu verzeichnen war. Frau B. konnte bei der geplanten Baubegehung von der Straße aus sehen, dass ein zweigeschossiger Anbau so weit neu errichtet worden war, dass ein Dach noch nicht aufgesattelt war. Dabei war dem Betroffenen auf Grund des Umstandes, dass er seit Jahrzehnten bauliche Veränderungen an dem auch von ihm selbst genutzten Anwesen " Haus L." vorgenommen hatte, bewusst, dass vor Beginn der baulichen Veränderung durch Erstellen des östlichen Anbaus an die "Holzbaracke" ihm als verantwortlichem Bauherrn keine Baugenehmigung vorlag und er sich auch nicht auf einen etwa bestehenden Bestandsschutz bei der baulichen Veränderung hätte berufen können.

Der Betroffene, der sich im Hauptverhandlungstermin zur Sache nicht eingelassen hat, weil er auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war, hat im wesentlichen vortragen lassen, es habe Freispruch zu erfolgen, da nicht sicher festzustellen sei, wann der Anbau errichtet worden sei. Sollte dies wesentlich früher als zeitnah vor der Baubegehung am 24.03.2004 erfolgt sein, sei Verjährung schon bis zum Erlass des Bußgeldbescheides eingetreten.

Aus dem verlesenen Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 30.11.2007 (Az: 12 K 3550/06) ergibt sich im übrigen, dass er dort vorgetragen hat, sich aufgrund bestehenden Bestandsschutzes berechtigt gesehen zu haben, den Anbau vorzunehmen, weil es einer Baugenehmigung für diesen nicht bedurft hätte.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin B., die seinerzeit als verantwortliche Sachbearbeiterin auf Seiten der Stadt Iserlohn mit dem Vorgang befasst war und dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass eine aktuelle Baugenehmigung für das genehmigungspflichtige Bauvorhaben, den mehrgeschossigen Anbau an die "Holzbaracke" in östlicher Richtung ,im Jahr 2004 vor Baubeginn nicht vorgelegen hat. Auch sei ein solcher Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht gestellt gewesen. Sie habe dann im Februar/März 2004 anlässlich einer Ortsbesichtigung festgestellt, dass der bezeichnete Anbau insoweit begonnen war, dass zwei Geschosse bereits erstellt waren, aber noch kein Dach aufgesattelt war. Zudem sei auch später das in Bezug genommene Lichtbild Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs gefertigt worden, welches ebenfalls den Fortschritt des Anbaus dokumentiere. Aus dem Lichtbild ergibt sich des weiteren auch deutlich, dass der streitgegenständliche Anbau, das zeigt insbesondere die Helligkeit desselben, nicht schon Jahre zuvor errichtet worden ist. Auch hat die Zeugin B. letztlich keinen Zweifel daran gelassen, dass sie aufgrund von frischen Erkenntnissen über aktuelle Bautätigkeit im Februar 2004 ihre Tätigkeit aufgenommen und den Fall angelegt hatte. Anlass, diese Angaben nicht zur Grundlage der Feststellungen zu machen, sah das Gericht nicht.

Dass der Betroffene Bauherr und damit Verantwortlicher dieses ungenehmigten Anbaus war, steht zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls fest. So bezeichnet sich der Betroffene in mehreren verlesenen Schreiben an die Stadt Iserlohn, insbesondere das vom 2.4.2004 (Bl. 25 der Verwaltungsvorgänge) und auch in seinem Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg in dem oben bezeichneten Verfahren als verantwortlicher Bauherr, der selbst den Komplex "Haus L." vor Jahrzehnten erworben und in den folgenden Jahren umgebaut habe."

Gegen dieses Urteil richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näherer Begründung die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden, kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

1. Entgegen der Auffassung des Betroffenen liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor, insbesondere nicht das Verfahrenshindernis der Verjährung. Ob das Verfahrenshindernis eingetretener Verjährung besteht, ist auf eine zulässig erhobene Sachrüge von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, wobei die Prüfung im Freibeweis erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Einleitung Rdnrn. 150 ff, § 337 Rdnr. 6 jeweils mit weiteren Nachweisen).

a. Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG verjährt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten der vorliegenden Art in drei Jahren, da die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als 15.000,00 € bedroht ist.

b.

Nach § 31 Abs. 3 OWiG beginnt die Verjährung, sobald die Handlung beendet ist.

Bei der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat, die baurechtlicher Natur ist, handelt es sich um eine sog. Zustandsordnungswidrigkeit. Die Verjährung beginnt mit dem Ende der Handlung, die mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes zusammenfällt, so etwa bei der Errichtung eines Gebäudes ohne Genehmigung mit dem Abschluss des Baues (vgl. RGSt 37, 78,79).

Entgegen dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht den Zeitpunkt der letzten rechtswidrigen Bautätigkeit festgestellt, indem es in den Urteilsgründen ausgeführt hat, der Betroffene habe "zeitnah vor einer für den März 2004 geplanten Baubegehung einen mehrgeschossigen Vorbau östlich an die vormalige Holzbaracke errichtet". Diese vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind ausreichend, um eine Bautätigkeit in nicht rechtsverjährter Zeit zu begründen.

Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, aufgrund welcher Erkenntnisse es zu dieser Feststellung gelangt ist, begegnet keinerlei Bedenken. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensverlauf zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine freie Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts ist allein darauf beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 12.08.2003 - 1 StR 111/03). Solche sind hier nicht ersichtlich. Dass der Beschwerdeführer die erhobenen Beweise anders gewertet wissen will, ist ohne Belang.

c. Die Verjährung wurde vorliegend unterbrochen und zwar jedenfalls gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG mit der Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung am 08. August 2006. Der Bußgeldbescheid vom 11. Juli 2005 ist rechtswirksam zustande gekommen. Etwaige Zustellungsmängel sind für die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides ohne Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O., vom 12. Dezember 2006), so dass auch der Bußgeldbescheid verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten konnte.

Die absolute Verjährung von sechs Jahren ist vorliegend noch nicht eingetreten.

2. Da das Urteil auch im Übrigen keinen Rechtsfehler erkennen lässt, war die Rechtsbeschwerde nach alledem mit der Kostenfolge aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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