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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 479/04
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 33
StPO § 206 a
Zur Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG genügt es, wenn die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen nach der Aktenlage angenommener Abwesenheit des Betroffenen erfolgt ist. Ein Irrtum über die tatsächliche Abwesenheit ist unschädlich. Der Irrtum muss jedoch unverschuldet sein.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen B.G.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 23. Februar 2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 18. Februar 2004 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 12. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, deren Zulassung sie beantragt hat. Die Betroffene beruft sich auf Verjährung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Entscheidung über die zulässige Rechtsbeschwerde ist zugelassen und auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden, weil es gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG n.F. geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Der vorliegende Einzelfall gibt Veranlassung, die Frage des Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG für den Fall näher zu klären, dass die richtige Anschrift des Betroffenen von Anfang an bekannt ist, die Bußgeldbehörde den Bußgeldbescheid dann jedoch an einer anderen - falschen - Anschrift zustellen lässt. Insoweit handelt es sich um eine Alleinentscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 206 a StPO. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides am 30. Juni 2003 war nämlich bereits gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVG Verfolgungsverjährung eingetreten.

Hinsichtlich der eingetretenen Verfolgungsverjährung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die der Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2003 vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung soll am 25. Februar 2003 begangen worden sein. Der Bußgeldbescheid wurde der Betroffenen, deren Anhörung am 07. März 2003 angeordnet worden war, aber erst am 30. Juni 2003 zugestellt.

Zu diesem Zeitpunkt war die nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG dreimonatige Verjährungsfrist gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, wonach der Erlass eines Bußgeldbescheides nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung hat, sofern dieser innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird, bereits abgelaufen. Die Unterbrechung der Verjährung ist - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft - vorliegend auch nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen - angeblicher - Abwesenheit des Betroffenen und die Anordnung der Ermittlung ihres Aufenthalts durch die Verwaltungsbehörde am 23. Mai 2003 herbeigeführt worden. Hintergrund dieser (vorläufigen) Einstellung war, dass die Bußgeldbehörde davon ausging, dass der Aufenthaltsort der Betroffenen nicht bekannt sei. Dieser konnte nämlich der Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2003 zunächst an der im Bußgeldbescheid angegebenen Adresse nicht zugestellt werden. Dies lag daran, dass dort zwar die Straße, in der die Betroffene wohnt, zutreffend angegeben war, als Wohnort jedoch nicht richtigerweise "59379 Selm" sondern "59379 Schwerte". Der richtige Wohnort der Betroffenen war aber von Anfang an bekannt. An diesem ist dann auch am 30. Juni 2003 der Bußgeldbescheid zugestellt worden, dort ist die Betroffene auch durch das Amtsgericht zur Hauptverhandlung geladen worden.

Die von der Verwaltungsbehörde im Anschluss an die nicht mögliche Zustellung des Bußgeldbescheides in "59379 Schwerte" nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG verfügte vorläufige Einstellung des Verfahrens hat die Verfolgungsverjährung nicht unterbrochen. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass es zur Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG genügt, dass die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen nach der Aktenlage angenommener Abwesenheit des Betroffenen erfolgt ist und ein Irrtum über die tatsächliche Abwesenheit insoweit unschädlich ist (vgl. OLG Hamm VRS 51,217 f. und JMBl NW 1979, 273; BayObLG VRS 58, 389; OLG Köln VRS 54, 361 und VRS 57, 433; Weller in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 2. Aufl., § 33 Rn. 52). Voraussetzung ist, wie sich den angeführten Entscheidungen entnehmen lässt, jedoch dass sich die Behörde tatsächlich in einem Irrtum über den Aufenthaltsort des Betroffenen befindet, weil z.B. die Polizeibeamten den Wohnsitz des Betroffenen nicht richtig aufgenommen haben (vgl. OLG Köln VRS 534, 361). Dieser Irrtum muss nach Auffassung des Senats zudem unverschuldet sein. Denn die Bestimmungen über die Unterbrechung sind als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und loyal zu handhaben (vgl. BGHSt 28, 381 ff; Weller, a.a.O., § 33 Rn. 6 m.w.N., OLG Karlsruhe DAR 2000, 371 = NStZ-RR 2000, 247 = VRS 99, 68). Fehler der Verwaltungsbehörde können demnach nicht dem Betroffenen insofern zum Nachteil gereichen, als mit ihnen die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 OWiG herbeigeführt werden kann.

Vorliegend hat, wie die Aktenlage ergibt, kein unverschuldeter Irrtum über den Wohnsitz der Betroffenen bestanden. Vielmehr war dieser von Anfang an zutreffend bekannt und zweifelsfrei. Lediglich aufgrund eines nicht nachvollziehbaren Umstandes im Verantwortungsbereich der Bußgeldbehörde ist der Bußgeldbescheid nicht nach "59379 Selm", sondern nach "59379 Schwerte" gesandt und dort ein Zustellungsversuch unternommen worden, der fehlschlagen musste. Das kann aber nicht zu Lasten des Betroffenen gehen. Wenn die Verwaltungsbehörde ihren Bescheid - zunächst - nicht unter der ihr bekannten - zutreffenden - Adresse zugestellt hat, so ist sie so zu behandeln, als wenn sie sich in Wirklichkeit untätig und, ohne subjektiv die Merkmale der Unterbrechungshandlung in ihrer Zielrichtung - der wirklichen Ermittlung der Aufenthalts i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG - zu erstreben, (vgl. Göhler, OWiG 12. Aufl. § 33 Rn. 3) verhalten hat (so auch zutreffend OLG Karlsruhe, a.a.O., für einen vergleichbaren Fall). Bei einer solchen Sachlage ist kein Raum mehr für die Annahme einer verjährungsunterbrechenden Wirkung der Einstellung bzw. Anordnung der Aufenthaltsermittlung

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 79 Abs. 3 OWiG, 473, 467 Abs. 1 StPO. Der Senat hält es nicht für angezeigt, von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen, da die Verjährung bereits eingetreten war, bevor das Verfahren gerichtlich anhängig wurde. Daher waren auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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