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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 506/2001
Rechtsgebiete: GewO, OWiG


Vorschriften:

GewO § 145 Abs. 1 Nr. 1
GewO § 55
OWiG § 14
Nur derjenige ist als Reisegewerbetreibender anzusehen, der "in eigener Person" Bestellungen aufsucht.
Beschluss Bußgeldsache gegen B.G.

wegen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 28. November 2000 gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 21. November 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.07.2001 durch die Richterin am Landgericht (als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird

1. im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Betroffene der Beteiligung am gewerbsmäßigen Aufsuchen von Bestellungen ohne Reisegewerbekarte schuldig ist,

2. im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Witten zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

Gründe:

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 21. November 2000 wegen "Verletzung von Vorschriften über das Reisegewerbe nach den §§ 145 Abs. 1 Nr. 1, 55 GewO" zu einer Geldbuße von 1.500,- DM verurteilt worden.

Das Amtsgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

"Der zum Zeitpunkt des Vorfalles 33 Jahre alte Betroffene ist von Beruf selbständiger Kaufmann. Seit 10 Jahren betreibt er ein angemeldetes Gewerbe, in welchem er von Zeitschriftenerwerbern sogenannte "Scheine" über ein Zeitschriftenabonnement aufkauft und mit Gewinn an einen Grossisten in Hamburg weiterverkauft. Sein Einkommen beziffert der Betroffene auf monatlich 2.500,00 DM bis 3.000,00 DM. Der Betroffene ist verheiratet und hat eine Tochter im Alter von 9 Jahren. Die Ehefrau des Betroffenen ist Hausfrau und hat kein eigenes Einkommen.

In der Vergangenheit ist der Betroffene zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bamberg vom 08.08.1986 wurde er wegen Anstiftung zur strafbaren Werbung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen, den Tagessatz zu je 50,00 DM verurteilt. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 08.12.1994 wurde er wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt, ferner wurde ihm für die Dauer von 2 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Der Betroffene, der das bereits erwähnte angemeldete Gewerbe stationär betreibt, verfügt nicht über eine Reisegewerbekarte. Um an die an Grossisten weiter zu verkaufenden "Scheine" zu gelangen, setzt der Betroffene sogenannte "Drückerkolonnen" ein. Eine Drückerkolonne, zu der auch der Zeuge B. gehört, ist in einem Hotel in Castrop-Rauxel untergebracht. Zu dieser Drückerkolonne hält der Betroffene regelmäßig Kontakt, er frühstückt in dem Hotel in Castrop-Rauxel regelmäßig mit Mitgliedern der Drückerkolonne und übernachtet teilweise in diesem Hotel. Von hier aus steuert der Betroffene den Einsatz der "Drückerkolonne".

Aus dieser Situation heraus fuhr der Betroffene am 19.03.1999 die für ihn tätigen Zeitschriftenwerber K., L., u.a. mit dem VW-Bulli des P. aus Dortmund nach Dortmund-Bennighoven, damit die genannten Personen dort an Haustüren der Anwohner Zeitschriftenabonnements einwerben konnten, um diese dann anschließend gegen Vergütung dem Betroffenen zu überlassen. Der Betroffene selbst übte keine Gewerbetätigkeit an den Haustüren aus, er blieb in dem Fahrzeug des P. sitzen und wartete auf die Rückkehr der Zeitschriftenwerber. Diese selbst hatten ebenso wenig wie der Betroffene eine Reisegewerbekarte. Der Zeuge B., der über eine Reisegewerbekarte verfügt, war am 19.03.99 nicht in Dortmund-Bennighoven im Einsatz. Die für den Betroffenen als Zeitschriftenwerber zum Vorfallzeitpunkt angetroffenen Personen waren nicht diejenigen, die bei der Zeugin T. ein Zeitschriftenabonnement einzuwerben versuchten, vielmehr warben die Personen bei anderen Anwohnern der Straßen in Dortmund-Bennighoven Zeitschriftenabonnementen ein, um diese an den Betroffenen weiterzugeben."

Das Amtsgericht hat anschließend die Einlassung des Betroffenen und die Aussage des Zeugen B., der für den Betroffenen tätig gewesen ist, gewürdigt. Sodann hat es festgestellt:

"Nach allem hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Betroffene entgegen §§ 145 Abs. 1 Nr. 1, 55 GewO selbst als Organisator und Einsatzleiter einer Werbekolonne und damit als Mittäter ein Reisegewerbe ausübte, ohne im Besitz einer Reisegewerbekarte zu sein.

Bei der Strafzumessung hat das Amtsgericht die Vorverurteilungen des Betroffenen berücksichtigt."

Gegen das Urteil richtet sich der Betroffene mit seiner rechtzeitig eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er unter näherer Begründung die Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass der Betroffene der Beteiligung am gewerbsmäßigen Aufsuchen von Bestellungen ohne Reisegewerbekarte schuldig ist sowie den Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Witten zurückzuverweisen.

II.

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig und hat einen teilweisen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Juli 2001 ausgeführt:

"Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht in der gem. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Form ausgeführt worden und damit unzulässig.

Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler führt zu einem vorläufigen Erfolg des Rechtsmittels.

Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, ob das Gericht den Betroffenen verurteilt hat, weil er selbst nicht im Besitz einer Reisegewerbekarte war. Die Formulierung "Nach allem hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Betroffene entgegen §§ 145 Abs. 1 Nr. 1, 55 GewO selbst als Organisator und Einsatzleiter einer Werbekolonne und damit als Mittäter ein Reisegewerbe ausübte, ohne im Besitz einer Reisegewerbekarte gewesen zu sein." legt zumindest nahe, dass das Gericht der Ansicht war, der Betroffene habe selbst eine Reisegewerbekarte haben müssen. Diese Auffassung wäre jedoch rechtsfehlerhaft, weil § 55 GewO nur denjenigen als Reisegewerbetreibenden ansieht und zur Inhaltung einer Reisegewerbekarte verpflichtet, der "in eigener Person" Bestellungen aufsucht. Dies war jedoch nach den Feststellungen des Amtsgerichts in der Person des Betroffenen gerade nicht der Fall.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen jedoch eine Verurteilung des Betroffenen gem. §§ 145 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. 55 Abs. 1 und 2 GewO i. V. m. § 14 OWiG, weil nach den Feststellungen des Gerichts der Betroffene das ordnungswidrige Verhalten der entgegen § 55 GewO ohne Reisegewerbekarte tätigen Zeitschriftenwerber - zumindest durch das Chauffieren zum Einsatzort - wissentlich gefördert hat. Der Schuldspruch ist entsprechend zu berichtigen.

Der Rechtsfolgenausspruch begegnet Bedenken. Zwar genügen die Erörterungen hinsichtlich des Interesses des Betroffenen an der Durchführung der Tat und der Art und Weise der Beteiligung des Betroffenen noch den Anforderungen, die bei einer Tatbeteiligung nach § 14 OWiG im Hinblick auf die Bemessung der Höhe der Geldbuße erforderlich sind. Fehlerhaft war jedoch die Verwertung der strafrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen. Beide Eintragungen waren gem. § 47 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. §§ 46 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BZRG zum Zeitpunkt der Urteilsfindung tilgungsreif. Sie hätten daher gem. § 51 Abs. 1 BZRG bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße außer Betracht bleiben müssen. Das Amtsgericht wird über den Rechtsfolgenausspruch neu zu entscheiden haben."

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung an und hat daher wie geschehen entschieden. Den Schuldspruch konnte der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in eigener Zuständigkeit berichtigen, da eine andere Verteidigungsmöglichkeit des Betroffenen nicht ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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