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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.11.2008
Aktenzeichen: 2 U 155/08
Rechtsgebiete: BGB, GPSG


Vorschriften:

BGB § 241 Abs. 2
BGB § 247
BGB § 280
BGB § 434 Abs. 1 Satz 1
BGB § 434 Abs. 2 Satz 2
BGB § 823 Abs. 2
GPSG § 4 Abs. 1
GPSG § 4 Abs. 2
GPSG § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27.06.2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Falschbetankung seines Fahrzeugs geltend. Wegen des weitergehenden Sachverhalts sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei wegen der Ausgestaltung der Zapfsäulen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Vorschriften des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG).

Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er macht unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine in der Anordnung der Zapfsäulen liegende Pflichtverletzung der Beklagten verneint.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bochum vom 27.06.2008, Az. I-4 O 140_08, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 7.159,48 zuzüglich 8 % Zinsen über dem Basiszins nach § 247 BGB seit dem 13.03.2008 zu zahlen.

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bochum vom 27.06.2008, Az. I-4 O 140/08, zur weiteren Verhandlung an das Landgericht Bochum zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weitergehenden Sachvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 280, 241 Abs. 2 BGB sind nicht erfüllt.

1.

Zwar ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Der Kläger hat am 28.02.2008 an der von der "C3-Tankstelle G" betriebenen C3-Tankstelle mit Betanken seines Fahrzeugs einen Kaufvertrag über 40,19 l Ultimate 100 zum Preis von 63,66 Euro geschlossen. Dabei fungierte die Tankstellenbetreiberin auf Seiten der Beklagten ausweislich deren Schreiben vom 12.03.2008 als Handelsvertreterin, die die Produkte im Namen der Beklagten verkauft. Vertragspartner des Kaufvertrages ist daher die Beklagte.

2.

Dass der Kläger sein Fahrzeug versehentlich anstelle mit Diesel-Kraftstoff mit Superbenzin betankt hat und dies bei der Weiterfahrt zur Zerstörung des Motors und zur Beschädigung von für die Kraftstoffversorgung erforderlichen Aggregaten führte, beruht nicht auf einer Pflichtverletzung der Beklagten.

a)

Das Geschehen fällt nicht unter die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 oder § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB. Da der Kläger selbst getankt hat, kann er sich nicht darauf stützen, die Beklagte habe falsches Benzin geliefert. Vielmehr hat der Kläger das Produkt - Superbenzin Ultimate 100 - erhalten, über den der Kaufvertrag geschlossen worden ist. Ebensowenig stellt das Vorhalten der Zapfsäule an der nach Klägeransicht falschen Stelle einen Montagefehler im Sinne des § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB dar.

b)

Die vom Kläger gerügte Anordnung der Zapfsäulen, bei der sich die Zapfsäulen für Diesel an den beiden äußeren Enden der Zapfsäulenbatterie befinden, verletzt nicht die der Beklagten mit Eröffnung der Gefahrenanlage obliegende vertragliche Sorgfaltspflicht.

aa)

Innerhalb einer vertraglichen Sonderbeziehung können zunächst die Maßstäbe zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht herangezogen werden, die jedem obliegt, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenanlage gleich welcher Art für Dritte öffnet. Im Rahmen dieser Pflicht sind diejenigen Maßnahmen erforderlich, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für notwendig und ausreichend erachten darf, um andere Personen vor Schäden an ihren Rechtsgütern zu bewahren. Der Dritte ist aber in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation, bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. z.B. BGH, NJW 2006, 2326).

Auch wenn man davon ausgeht, dass an vertragliche Schutzpflichten höhere Anforderungen als an allgemeine Verkehrssicherungspflichten außerhalb einer Sonderbeziehung zu stellen sind, stellt die vorgeschriebene Anordnung der Zapfsäulen keine Verletzung der aus dem Vertrag mit dem Tankkunden resultierenden Sorgfaltspflichten der Beklagten dar. Aus den vom Kläger vorgelegten Fotos ist ersichtlich, dass große blaue bzw. schwarze (letzteres für ultimate Diesel) auf den jeweiligen Zapfsäulen angebrachte Schilder anzeigen, welcher Kraftstoff aus der betreffenden Säule zu entnehmen ist. Bereits daraus ist für einen Kunden ohne Weiteres zu ersehen, welche Zapfsäulen Diesel-Kraftstoff enthalten. Denn dort tragen die vorbezeichneten Schilder jeweils die Bezeichnung "Diesel", die sich im Übrigen auf der schwarzen Plakette auf der Zapfpistole selbst wiederholt. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die rechts neben der Zapfsäule "Superdiesel" vorhandene Säule durch die Bezeichnung "Ultimate 100" unzureichend gekennzeichnet ist, bringen die unter den Schildern und unmittelbar über den Zapfpistolen angebrachten Aufkleber, die der Kunde sogar in der vom Kläger beschriebenen "gebückten Haltung" sehen kann, eindeutigen Aufschluss. Die Säule, aus der der Kläger getankt hat, ist mit einem unmissverständlichen Aufkleber "Superplus unverbleit" gekennzeichnet. Sofern der Kläger vorträgt, er habe den am oberen Rand des runden Aufklebers befindlichen Schriftzug "dieser Kraftstoff enthält", der an der vom Kläger genutzten Säule nur teilweise lesbar war, fälschlich als "Diesel-Kraftstoff" gelesen, ist dies angesichts des mittig auf dem Aufkleber befindlichen Hinweises auf unverbleiten Kraftstoff "Super unverbleit ROZ 98" nicht plausibel.

bb)

Die vom Kläger monierte Anordnung der Zapfsäulen stellt auch keinen Verstoß gegen etwaig durch das GPSG modifizierte Sorgfaltspflichten dar. Zwar stellt das GPSG ein Schutzgesetzt i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Zudem ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass das GPSG, das die EG-Richtlinie "allgemeine Produktsicherheit" umsetzt, die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflicht zu stellen sind, erhöht und nicht etwa verringert.

Letztendlich kann jedoch dahinstehen, ob das GPSG hier einschlägig ist, insbesondere auch, ob die gerügte Pflichtverletzung nebst daraus resultierendem Schaden dem sich aus §§ 4 Abs. 1 i.V.m. 3 bzw. § 4 Abs. 2 GPSG ergebenden Schutzzweck der Norm unterfällt.

Jedenfalls stellt die Anordnung der Zapfsäulen keine Verletzung der in § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GPSG genannten Vorgaben dar. Tatbestandsvoraussetzung dieser Vorschriften ist, dass das Produkt die Sicherheit und Gesundheit des Verwenders (und etwa sonstige geschützte Rechtsgüter) bei ordnungsgemäßer Anwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung nicht gefährdet. Zur Vermeidung einer solchen "vorhersehbaren Fehlbedienung" durch Benutzung einer falschen Zapfsäule dienen die oben dargestellten, an der Zapfbatterie angebrachten mehrfachen Beschriftungen, die über die Qualität des aus der jeweiligen Zapfsäule zu entnehmenden Kraftstoffes informieren. Als "letzte Instanz" warnt der Aufkleber auf der Zapfpistole, die der Verwender gebrauchsbedingt im Blick haben muss. Die Gesamtheit dieser vom Verwender getroffenen Schutzmaßnahmen genügt den Vorgaben des § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GPSG.

C

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

D

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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