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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 2 U 19/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 13
BGB § 14
BGB § 275 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 284
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 293
BGB § 295
BGB § 323
BGB § 323 Abs. 1
BGB § 323 Abs. 5 S. 2
BGB § 326 Abs. 5
BGB § 346
BGB § 347 Abs. 2 S. 1
BGB § 434
BGB § 434 Abs. 1 S. 1
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 437 Nr. 3
BGB § 440
BGB § 440 S. 2
BGB § 446
BGB § 474
BGB § 476
ZPO § 139
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 756
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07. Dezember 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.390,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.01.2004 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Herausgabe des dunkelbraunen 2000 geborenen Wallachs mit der Lebensnummer XXXX nebst Eigentumsurkunde und Pferdepass.

2. Es wird festgestellt, dass

a) sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Pferdes seit dem 16.01.2004 in Verzug befindet und

b) der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen, für eine artgerechte Haltung des vorbezeichneten Pferdes erforderlichen Aufwendungen (insbesondere Kosten des Stalls, des Futters, der Strohmatratze, der artgerechten Bewegung, des Hufschmieds, des Tierarztes, der Tierhalterhaftpflichtversicherung usw.) zu ersetzen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Insoweit bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.640,51 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines zwischen den Parteien unter dem 09.01.2004 geschlossenen Kaufvertrages über das im Tenor bezeichnete Pferd

Folgende Positionen ergeben den unter Ziffer 1) tenorierten Zahlungsanspruch:

1. Kaufpreis 10.000,00 Euro

2. Kastration u. Ankaufsuntersuchung 500,00 Euro 3. Stallkosten W 02/04 - 04/04 765,00 Euro

4. Tierarztkosten für Impfungen pp. 125,51 Euro 11.390,51 Euro

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 07.12.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mängelbehaftet gewesen sei. Jedenfalls stehe dem vom Kläger geltend gemachten Rücktritt entgegen, dass keine Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzt worden sei. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2004 vorgetragen habe, eine Nachbesserung in Gestalt einer Operation sei unmöglich, sei der Vortrag verspätet.

Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht forderte der Kläger mit an den Beklagten persönlich gerichtetem Schreiben vom 08.12.2004 diesen unter Fristsetzung bis zum 20.12.2004 zur Abholung des Pferdes zwecks Operation in einer Fachklinik für Pferde auf. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erklärte er mit Schreiben vom 30.12.2004 erneut den Rücktritt vom dem am 09.01.2004 geschlossenen Pferdekaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.01.2005 zur Rückzahlung des Kaufpreise Zug um Zug gegen Abholung des Pferdes auf.

Gegen das am 20.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger sodann mit am 20.01.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz, der am 21.02.20005 (= Montag) bei Gericht eingegangen ist, begründet.

Er macht unter dezidierter Darlegung im Einzelnen geltend, eine Nachbesserung in Gestalt einer Operation sei deshalb nicht möglich, weil Operationsspuren verblieben und das Pferd im Wert gemindert werde. Im übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag dazu, dass das Pferd bereits bei Gefahrübergang am 25.01.2004 an einer hochgradigen Osteochondrosis dissecans (im Folgenden: OCD) im rechten hinteren Kniescheibengelenk gelitten habe.

Der Kläger beantragt,

das am 07.12.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen ( 2 O 219/04) einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Siegen zurückzuverweisen.

Hilfsweise,

das am 07.12.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen ( 2 O 219/04) abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.390,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.04.2004, 11.01 Uhr vormittags zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Herausgabe des dunkelbraunen 2000 geborenen Wallachs mit der Lebensnummer XXXX nebst Eigentumsurkunde und Pferdepass.

2. festzustellen, dass

a) sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Pferdes seit dem 30.04.2004, 11.01 Uhr vormittags, in Verzug befindet und

b) der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Aufwendungen für das vorbezeichnete Pferd (insbesondere Kosten des Stalls, des Futters, der Strohmatratze, der artgerechten Bewegung, des Hufschmieds, des Tierarztes, der Tierhalterhaftpflichtversicherung usw.) zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags bestreitet er das Vorliegen einer OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk bereits bei Gefahrübergang. Hierzu vertritt er die Auffassung, dass das Pferd bei Vorhandensein der ausweislich der Röntgenbilder in erheblicher Ausprägung vorhandenen OCD bereits bei Gefahrübergang zu diesem Zeitpunkt schon hätte lahmen müssen. Vielmehr stehe die OCD mit einer traumatischen Verletzung in Zusammenhang, die der frisch kastrierte Hengst nach Gefahrübergang Anfang März 2004 anlässlich der Aufstallung neben einer Stute erlitten habe. Das Pferd habe - unstreitig - in der Box getobt und diese erheblich beschädigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02. Juni 2005 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T vom 05.03.2006 nebst im Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 03.07.2006 niedergelegter mündlicher Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nach den hilfsweise gestellten Sachanträgen überwiegend Erfolg. Soweit der Kläger darüber hinaus vorrangig unter Berufung auf eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht die Zurückverweisung beantragt hat, liegen die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vor. Die Berufungsbegründung enthält keinerlei Darlegung zur Verletzung der Hinweispflicht des § 139 ZPO. Vielmehr rügt der Kläger, dass das Landgericht seine in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2004 zur Möglichkeit der Nachbesserung abgegebene Erklärung nicht richtig verstanden habe und aufgrund dessen der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Sachaufklärung - hier durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - nicht nachgekommen sei.

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 10.000,00 Euro sowie Ersatz der notwendigen Verwendungen in Höhe von 765,00 Euro (Stallkosten) und 125,51 Euro (Tierarztkosten), insgesamt ein Betrag von 10.890,51 Euro, Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pferdes gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 i.V.m. §§ 346, 347 Abs. 2 S. 1 BGB zu.

1.

Zwischen den Parteien ist am 09.01.2004 ein schriftlicher Kaufvertrag über das im Tenor bezeichnete Pferd zum Preis von 10.000,00 Euro geschlossen worden.

Es handelt sich um einen Verbrauchsgüterkauf, § 474 BGB. Der Beklagte, der unter "Gestüt - Ferienpension - Reitschule H" firmiert, ist Unternehmer i.S.d. § 14 BGB. Bei dem Kläger, der das Pferd offenbar für seine Tochter gekauft hat, handelt es sich um einen Verbraucher i.S.d. § 13 BGB.

2.

Es ist davon auszugehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 BGB in Gestalt einer OCD mit einer ca. 3,5 cm großen Läsion im rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war.

a)

Es kann dahinstehen, ob die Parteien den Gesundheitszustand des Pferdes, wie er in dem Bericht zur Ankaufsuntersuchung vom 05.01.2004 festgestellt ist, zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gemacht haben. Jedenfalls stellt die vom Sachverständigen Prof. Dr. T diagnostizierte OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Denn sie beruht nicht etwa auf einem altersentsprechenden üblichen Verschleiss, sondern ist entweder genetisch oder traumatisch bedingt. Eine solche Erkrankung entspricht nicht dem üblichen Zustand eines zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vier Jahre alten, noch nicht angerittenen Pferdes und musste vom Kläger auch nicht erwartet werden. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Pferd ausweislich des im Kaufvertrag in Bezug genommenen Ankaufsuntersuchungsberichts vom 05.01.2004 bereits OCDs jeweils an der Dorsalseite der Fesselgelenke vorne links und hinten rechts sowie am Sprunggelenk rechts aufwies. Aus diesem Befund ergab sich kein Verdacht für das Vorliegen weiterer OCDs an anderen Gelenken.

b)

Der gemäß § 476 BGB beweisbelastete Beklagte hat nicht den Beweis führen können, dass das Pferd bei Gefahrübergang im Januar 2004 noch nicht mit der vom Sachverständigen diagnostizierten krankhaften Veränderung in Gestalt einer OCD am rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war.

Dies gilt unabhängig davon, ob man den Gefahrübergang gemäß § 446 BGB auf den Tag der Übergabe des Pferdes am 25.01.2004 datiert oder angesichts dessen, dass die Eigentumspapiere dem Kläger bereits am 09.01.2004 übergeben wurden und das Pferd in der Folgezeit bis zum 25.01.2004 nur aufgrund der Zusatzvereinbarung "Kastration und anschließender, für die Heilung erforderlicher Aufenthalt bei dem Beklagten" dort verblieb, von einem zulässigerweise durch Parteivereinbarung auf den 09.01.2004 vorgezogenen Gefahrübergang ausgeht.

aa)

Die Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutung des § 476 BGB sind erfüllt.

Jedenfalls in II. Instanz ist unstreitig, dass binnen 6 Monaten seit Gefahrübergang, namentlich bereits im April 2004, die OCD mit dem Chip, wie er bei der röntgenologischen Untersuchung des Dr. med. vet. W vom 19.04.2004 befundet worden ist, im rechten hinteren Kniescheibengelenk vorlag.

bb)

Die Vermutungswirkung des § 476 BGB ist auch nicht aufgrund einer Unvereinbarkeit mit der Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen.

(1)

Da die Vermutungswirkung grundsätzlich auch auf den Tierkauf anzuwenden ist, kann sich eine Unvereinbarkeit nicht bereits aus der Art der Sache ergeben.

(2)

Ebensowenig hat der für das Eingreifen der Ausnahmeregel des § 476 BGB beweisbelastete Beklagte bewiesen, dass die Vermutungswirkung mit der Art des Mangels unvereinbar ist.

Eine solche Unvereinbarkeit ist nicht bereits stets dann gegeben, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann (vgl. BGH NJW 2005, 3490 für den Sachkauf). Ebensowenig rechtfertigt auch beim Tierkauf allein die Ungewissheit über den Entstehungszeitpunkt des Mangels den Ausschluss der Vermutungswirkung ( BGH Urteil vom 29.03.2006, VIII ZR 173/05). Maßgeblich ist vielmehr die spezifische Art der Tierkrankheit.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch nicht damit der Nachweis der Unvereinbarkeit der Vermutungswirkung geführt, dass vorliegend für die OCD mehrere Ursachen in Betracht kommen, die z.B. in Gestalt einer Traumatisierung, einer akuten entzündlichen Gelenkerkrankung (Arthritis) oder einer chronischen Gelenkerkrankung (Arthrose) auch nach Gefahrübergang eingetreten sein können,. Ließe bereits die Möglichkeit verschiedener und nicht sämtlich im Verantwortungsbereich des Verkäufers liegender Ursachen für den vorhandenen Sachmangel die Vermutungswirkung entfallen, führte dies zu einer Aushöhlung des Verbraucherschutzes im Rahmen des § 476 BGB. Das gilt bei der hier in Rede stehenden Erkrankung insbesondere deshalb, weil nach Darlegung des Sachverständigen derzeit keine Möglichkeit besteht, vorhandene Chips nach ihrer Genese (wachstums- oder traumatisch bedingte OCD) zu differenzieren. Anders als dem Verkäufer, der bei einer Röntgenuntersuchung des Kniegelenks vor Verkauf den Mangel hätte feststellen können, verbleibt dem Käufer nach Gefahrübergang angesichts der eingeschränkten diagnostischen Mittel bei mehreren, vom Verkäufer behaupteten Ursachen der OCD keine Nachweismöglichkeit zum Vorhandensein des Mangels bereits bei Gefahrübergang.

cc)

Der Beklagte hat nach dem Ergebnis de Beweisaufnahme die gemäß § 476 BGB bestehende Vermutung, dass die OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, auch nicht widerlegt.

(1)

Der Sachverständige hat es angesichts dieses auch in den Akten dokumentierten Zeitpunktes für unwahrscheinlich erachtet, dass Anfang März 2004 ein akutes Trauma bei einem bis dato nicht geschädigten rechten hinteren Kniescheibengelenk zu der diagnostizierten OCD geführt haben kann. Nach seiner Einschätzung könnte die von ihm festgestellte erhebliche Läsion mit einem Umfang von ca. 3,5 cm, wenn sie denn einen traumatischen Ursprung hätte, nur durch ein schweres Trauma verursacht worden sein. Dieses wiederum hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit spontan eine deutliche Hangbeinlahmheit und zwingend eine erhebliche Schwellung nach sich gezogen, so dass Anlass zur sofortigen Konsultation eines Tierarztes bestanden hätte. Diese hat nach den Akten allerdings weder Anfang noch Mitte März 2004 stattgefunden. Vielmehr trägt der Kläger eine beginnende Lahmheit am 01.04.2004 und -unstreitig - eine erste kniegelenksbezogene tierärztliche Untersuchung am 19.04.2004 vor. Anhaltspunkte für eine frühere veterinärmedizinische Behandlung des Kniegelenks liegen auch im übrigen nicht vor.

(2)

Der Beklagte hat auch im übrigen nicht beweisen können, dass die OCD erst nach Gefahrübergang entstanden ist.

Seine Behauptung, die OCD habe bei Gefahrübergang jedenfalls noch nicht in der auf den Röntgenbildern erkennbaren Ausprägung vorliegen können, da sie andernfalls unausweichlich bereits zu Lahmheitserscheinungen geführt hätte, hat der Sachverständige Prof. Dr. T nicht bestätigt. Dieser hat vielmehr sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei der mündlichen Erläuterung desselben darauf verwiesen, dass eine (entwicklungsbedingte) OCD, die mit den seiner Darlegung nach typischen röntgenologischen Erscheinungsbildern wie bei dem streitgegenständlichen Pferd einhergeht, zur Lahmheit erst während der ersten Wochen des Einreitens führen kann. An anderer Stelle weist der Sachverständige darauf hin, dass die Erkrankung solange verborgen bleiben kann, bis das Pferd trainiert oder angeritten wird und sich dann erst nach Wochen oder Monaten in einer Lahmheit äußert. Danach konnte das noch nicht angerittene Pferd auch mit der Läsion, wie sie auf dem Röntgenbild vom 19.04.2004 erkennbar ist, ohne weiteres bei Gefahrübergang beschwerdefrei sein.

3.

Mit Schreiben vom 08.12.2004 hat der Kläger eine Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzt.

a)

Der Zugang des Schreibens bei dem Beklagten ist ebenso wie dessen Inhalt unstreitig und daher beachtlich, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO ankommt. Das gilt selbst dann, wenn - wie vorliegend - vor einer Sachentscheidung eine Beweisaufnahme erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2005, 291 ff.)

b)

Die Erklärung konnte auch gegenüber dem Beklagten persönlich wirksam abgegeben werden. Zwar ermächtigt die Prozessvollmacht des beauftragten Rechtsanwalts zur Führung des gesamten Prozesses in allen Instanzen und beinhaltet damit entgegen der Auffassung des Klägers auch die Ermächtigung zur Entgegennahme empfangsbedürftiger Willenserklärungen materiell-rechtlichen Inhalts ausserhalb des Prozesses (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 81 Rnr. 10). Dem Gegner ist es - möglicherweise unter Verstoß gegen Standesrecht - jedoch unbenommen, diese Erklärungen auch gegenüber der Partei selbst abzugeben.

c)

Die mit Schreiben vom 08.12.2004 erklärte Fristsetzung entspricht auch inhaltlich den Anforderungen des § 323 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat die Frist nach Tagen bzw. Monaten bestimmt. Zudem wird aus dem Schreiben, das auf den bei Nichteinhaltung der Fristen drohenden Rücktritt hinweist, deutlich, dass die Aufforderung ernst gemeint ist.

d)

Eine Nachbesserung innerhalb der gesetzten Frist ist nicht erfolgt.

4.

Die Pflichtverletzung ist auch erheblich, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. Bei dem Pferd liegt eine mindestens mittelgradige OCD-Läsion vor, bei der die Prognose für eine Heilung nach durchgeführter Operation unsicher ist.

5.

Mit Schreiben vom 30.12.2004 und damit nach Ablauf der gesetzten Frist zur Nacherfüllung hat der Kläger erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag vom 09.01.2004 erklärt.

6.

Im Zuge des durch den wirksamen Rücktritt entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses sind neben dem Kaufpreis die notwendigen Verwendungen in Gestalt von Stallkosten für die Monate 02/04 - 04/04 in Höhe von 765,00 Euro sowie die Tierarztkosten in Höhe von 125,51 Euro zu erstatten. Dass der Kläger diese Kosten aufgewandt hat, ist vom Beklagten nicht bestritten.

II.

Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung nutzloser Aufwendungen in Höhe von 500,00 Euro (Kastration und Ankaufuntersuchung) gemäß §§ 437 Nr. 3, 284 BGB zu. Insofern kann auf die obigen Ausführungen unter B. I. 1. - 3. verwiesen werden. Zu bejahen ist auch das i.R.d. Anspruches aus §§ 437 Nr. 2, 284 BGB zudem erforderliche Verschulden des Beklagten. Dieser hat die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 BGB nicht widerlegt.

Auch der Aufwendungsersatz steht dem Kläger, da selbst von ihm in dieser Weise als Minus zur unbeschränkten Leistung beantragt, nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes zu.

III.

Der mit dem Klageantrag zu 2 a) geltend gemachte, gemäß § 756 ZPO zulässige Feststellungsantrag ist im tenorierten Umfang begründet. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges liegen vor, §§ 293, 295 BGB. Das mit der Rücktrittserklärung vom 30.12.2004 abgegebene mündliche Angebot zur Abholung des Pferdes genügt, da der Beklagte zur Mitwirkung in Gestalt der Abholung des Tieres beim Kläger verpflichtet ist.

1.

Der Annahmeverzug ist jedoch nicht bereits, wie vom Kläger beantragt, mit Ablauf der mit erstem Rücktrittsschreiben vom 26.04.2004 gesetzten Frist bis zum 30.04.2004 11.00 Uhr vormittags eingetreten. Denn zu diesem Zeitpunkt fehlte es mangels bis dato erfolgter Fristsetzung zur Nacherfüllung an der Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises.

2.

Die Fristsetzung war auch nicht entbehrlich.

a)

Die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB lagen nicht vor. Zwar schied die Möglichkeit einer Nachlieferung angesichts der Individualität des verkauften Tieres aus. Es lagen jedoch die Voraussetzungen für eine Nachbesserung durch eine Operation vor. Zwar kommt eine Nachbesserung nur in Betracht, wenn sie ohne Einschränkung zu einem vertragsgemäßen Zustand der Sache führen kann. Allerdings steht nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T keinesfalls fest, dass der Defekt nicht vollständig beseitigt werden kann und damit ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt (vgl. dazu BGH NJW 2005, 2853 ff.). Der Sachverständige hat die Prognose lediglich als unsicher bezeichnet.

b)

Diese Einschätzung des Sachverständigen genügt auch nicht, um eine Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit gemäß § 440 S. 2 BGB zu bejahen. Die bei einer Operation grundsätzlich bestehenden Risiken begründen nicht bereits eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Vielmehr steht dem Käufer für den Fall, dass sich die Risiken verwirklichen, die Geltendmachung der fehlgeschlagenen Nachbesserung offen. Auch etwaig nach der Operation verbleibende Narben begründen keine Unzumutbarkeit, da sie vom Haarkleid verdeckt werden. Soweit der Kläger in II. Instanz erstmals auf die Gefahr einer Arthrose hingewiesen hat, fehlen für diesen neuen streitigen Vortrag die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1-3 ZPO.

IV.

Der Klageantrag zu 2 b) ist insgesamt zulässig, zumal sich der Schaden auch in der II. Instanz noch in der Fortentwicklung befindet. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Schaden hinsichtlich der zwischenzeitlich bereits angefallenen Kosten weiter hätte beziffert werden können.

Der Antrag ist mit der Einschränkung, dass die Kosten für die artgerechte Haltung des Pferdes notwendig sein müssen, begründet.

V.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Allerdings stehen dem Kläger Zinsen erst seit dem 16.01.2005 zu. Insofern kann auf die obenstehenden Ausführungen unter B. III. zum Klageantrag zu 2 a) verwiesen werden.

VI.

Anlass, die mündliche Verhandlung aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 14.07.2006 und 04.08.2006 wiederzueröffnen, bestand nicht.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

E.

Im Rahmen der Streitwertfestsetzung ist der Klageantrag zu 2a) mit einem Streitwert von 250,00 Euro, der Klageantrag zu 2 b) mit einem solchen von 5.000,00 € berücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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