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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.09.2008
Aktenzeichen: 2 UF 111/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 c Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen das am 8. Mai 2008 verkündete Urteil des Amtgerichts - Familiengericht - Witten im Ausspruch über den Versorgungsausgleich wird auf Kosten der Antragstellerin bei einem Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens von 2.000,00 € zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die am 3.9.1944 geborene Antragstellerin und der am 15.7.1941 geborene Antragsgegner schlossen am 8.8.1966 die Ehe.

Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen.

Während des ehelichen Zusammenlebens waren beide Parteien berufstätig. Sie sind mittlerweile aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und beziehen Renten.

Die Parteien trennten sich am 8.7.2006. Die Antragstellerin verblieb in dem ehelichen Haus, das auf dem Grundstück der Parteien, die Miteigentümer je zu 1/2 sind, steht.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11.5.2007 die Scheidung der Ehe beantragt. Zudem hat sie den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs begehrt.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Ausschluss sei gem. § 1587 c Nr. 1 BGB wegen schwerwiegender und wiederholter Verfehlungen des Antragsgegners gerechtfertigt.

Der Antragsgegner habe sie während des ehelichen Zusammenlebens von Beginn an vernachlässigt und sei auf ihre Belange nicht eingegangen. Er habe massive Alkoholprobleme gehabt. Es sei immer wieder zu heftigen Streitigkeiten gekommen, wobei der Antragsgegner sie wiederholt unter Alkoholeinfluss tätlich angegriffen und verletzt habe. Sie habe die Ehe insgesamt als ein Martyrium erlebt und an ihr gleichwohl nur wegen der Kinder und ihrer katholischen Glaubensüberzeugung festgehalten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Antragstellerin wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 14.3.2008 (Bl. 81 ff. d.A.), 23.4.2008 (Bl. 106 ff. d.A.) und 30.04.2008 (Bl. 122 ff. d.A.) sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 03.04.2008 (Bl. 88, 89 d.A.) Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat der Scheidung der Ehe zugestimmt und ist dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs entgegengetreten.

Er hat bestritten, gegenüber der Antragstellerin tätlich geworden zu sein, wobei er eingeräumt hat, dass er sich während des ehelichen Zusammenlebens "hin und wieder" mit der Ehefrau gestritten habe, wobei es zu wechselseitigen Beleidigungen gekommen sei.

Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden. Den Versorgungsausgleich hat es zugunsten des Antragsgegners durchgeführt, indem es monatliche Rentenanwartschaften der Antragstellerin von 20,95 €, bezogen auf den 31.5.2007, bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen hat.

Zum abgelehnten Ausschluss des Versorgungsausgleichs hat das Familiengericht ausgeführt, unter Würdigung der Gesamtdauer der Ehe könne auch auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht als grob unbillig qualifiziert werden.

Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner sein Fehlverhalten immer wieder verziehen habe und sie die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht finanziell erheblich belaste.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 125 ff. d.A.) verwiesen.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den völligen Ausschluss des Versorgungsausgleichs weiter.

Wegen ihres Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 12.06.2008 (Bl. 144 ff. d.A.), 11.08.2008 (Bl. 194 ff. d.A.) und 5.9.2008 (Bl. 219 ff. d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil, wobei er insbesondere auf die - nach seiner Auffassung - gute Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin verweist.

Wegen der Einzelheiten auf den Inhalt seiner Schriftsätze vom 8.8.2008 (Bl. 179 ff. d.A.) und 20.8.2008 (Bl. 215 ff. d.A.) nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige befristete Beschwerde ist unbegründet.

Das Familiengericht hat es zu Recht mit einer im Wesentlichen zutreffenden Begründung abgelehnt, den Versorgungsausgleich ganz oder zum Teil gem. § 1587 c Nr. 1 BGB auszuschließen.

Unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist auch auf der Grundlage des konkreten streitigen Tatsachenvortrages der Antragstellerin zu den Eheverfehlungen des Antragsgegners die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten des Antragsgegners nicht grob unbillig i.S. des § 1587 c Nr. 1 BGB, der als einziger Ausschlusstatbestand des § 1587 c BGB in Betracht kommt.

Gem. § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre; hierbei dürfen Umstände nicht allein deshalb berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.

Zwar kann auch eheliches Fehlverhalten ohne wirtschaftliche Relevanz die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den ausgleichspflichtigen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fällt (vgl. etwa BGH FamRZ 1983, 32; 1987, 362; NJW 1990, 2745; OLG Bamberg, FamRZ 2007, 1748).

Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich jedoch, dass eine schematische Anwendung durch ein bloßes Einordnen des Sachverhalts in eine bestimmte Fallgruppe der Aufgabe der Norm, im Einzelfall eine grobe Unbilligkeit und die Verletzung von Grundrechten auszuschließen, nicht gerecht werden kann. Es bedarf stets einer Einzelfallprüfung mit einer wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. z.B. BVerfG, FamRZ 2003, 1173; BGH, FamRZ 2006, 769).

Nach der somit gebotenen Einzelfallprüfung widerspricht es unter Einbeziehung aller für die Durchführung des Versorgungsausgleichs relevanten Umständen nicht dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise, wenn der Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragstellerin in der vom Familiengericht festgesetzten Höhe durchgeführt wird:

1.

Allerdings ist dem - als richtig unterstellten - tatsächlichen Vorbringen der Antragstellerin zu entnehmen, dass der Antragsgegner wiederholt gravierende Eheverfehlungen unter Alkoholeinfluss begangen hat, wobei die Streitigkeiten zwischen den Parteien nicht nur verbal ausgefochten wurden, sondern der Antragsgegner die Antragstellerin dabei auch tätlich angriff. Auch ist danach festzustellen, dass der Antragsgegner nicht im gebotenen Maße (§ 1353 BGB) auf die Belange der Antragstellerin Rücksicht genommen hat.

2.

Jedoch kann im Rahmen der Billigkeitsprüfung nicht außer Acht gelassen werden, worauf das Familiengericht zutreffend hingewiesen hat, dass die Antragstellerin gleichwohl die eheliche Lebensgemeinschaft fortgesetzt und mit dem Antragsgegner zusammen ihr Leben gestaltet hat. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass die Parteien trotz der Konflikte ihre finanzielle Lebensführung bis zur Trennung eng miteinander verknüpft hatten. So hatte die Antragstellerin, wie sich aus der Korrespondenz zum Zugewinnausgleich ergibt, ihr hohes Nachlassvermögen auf gemeinsame Konten der Parteien transferiert. Auch der Antragsgegner hatte Einkünfte und jedenfalls einen Teil seines Vermögens auf die gemeinsamen Konten der Parteien buchen lassen. Die Abstimmung unter den Parteien in finanziellen Dingen ging so weit, dass sie dem gemeinsamen Sohn und dessen Ehefrau ein hohes Darlehen gewährten, das am 23.7.2007 noch in Höhe von 214.789,22 € valutierte. Diese Handlungsweisen zeigen, dass die Antragstellerin, die aufgrund ihrer Erwerbseinkünfte und ihres Vermögens nicht vom Antragsgegner wirtschaftlich abhängig war, bis zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Verfehlungen des Antragsgegners nicht als so schwerwiegend angesehen hatte, dass sie die Ehe als Versorgungs- und Wirtschaftsgemeinschaft in Frage stellte. Dabei kann ihr diesbezügliches Verhalten nicht dadurch relativiert werden, dass sie - nach ihren Angaben- aufgrund der gemeinsamen Kinder und im Hinblick auf ihre religiöse Überzeugung an der Ehe zunächst festgehalten hatte. Denn weder die Interessen der Kinder noch Glaubensvorschriften geboten es, so eng verflochten miteinander zu wirtschaften.

3.

Zudem ist im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen eine grobe Unbilligkeit anzuführen, dass aufgrund der Einkommens- und Vermögenslage der Parteien der Versorgungsausgleich und der Zugewinnausgleich, über den die Parteien sich ebenfalls noch streiten, eng miteinander zusammenhängen und damit insgesamt die finanziellen Folgen der Ehescheidung und nicht die personalen Verfehlungen als Ursache der Scheidung im Vordergrund stehen.

Die Antragstellerin macht einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 210.000 € geltend. Der Antragsgegner meint, dass ihr ein Zugewinnausgleichsanspruch von allenfalls 90.000 € zustehe. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Antragsgegner aus der Veräußerung von Firmenanteilen einen Betrag von 580.000 DM im Jahr 2001 einbrachte, der für die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs relevant ist. Dies zeigt, dass der Antragsgegner für die Altersvorsorge geeignetes Vermögen seinem Einkommensniveau entsprechend nicht allein über die gesetzliche Rentenversicherung als abhängig Beschäftigter gebildet hat, sondern zum Teil auch aufgrund seiner unternehmerischen Tätigkeit. Hätte der Antragsgegner statt dessen seine Erwerbseinkünfte in Anlageformen investiert, die dem Versorgungsausgleich unterliegen, hätte dies zu einem Versorgungsausgleichsanspruch zugunsten der Antragstellerin geführt. In diesem Fall hätte die Antragstellerin nicht erreichen können, dass wegen des ehelichen Fehlverhaltens ihre Altersvorsorge ganz oder zum nicht Teil in die Bilanz der auszugleichen Anwartschaften eingestellt wird.

4.

Schließlich spricht gegen die Anwendung des § 1587 c Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass aufgrund der insgesamt erheblich überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin der auszugleichende Betrag von lediglich 20,95 € monatlich (bezogen auf den 31.05.2007) für die Antragstellerin finanziell nicht ins Gewicht fällt.

Die Antragstellerin bezieht monatliche Renten von insgesamt rund 1.500 €.

Sie wohnt in dem ehelichen Haus. Das Hausgrundstück ist nur noch geringfügig belastet. Sie erhält von ihrem Sohn einen Darlehensrückzahlungsbetrag in Höhe von 494,04 € monatlich. Die Antragstellerin beziffert ihr Vermögen zum Endstichtag im Rahmen des Zugewinnausgleichs mit insgesamt rund 347.000 €. Hinzu kommt ein Zugewinnausgleichsanspruch, der nach den divergierenden Vorstellungen der Parteien in dem Bereich zwischen 90.000 € bis 210.000 € liegt. Unter diesen Umständen ist der Unterhalt der Antragstellerin auch dann gesichert, wenn sich, entsprechend ihrer Befürchtung, ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert und hierdurch ein erhöhter Unterhaltsbedarf entsteht.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Beschwerdewert hat der Senat nach Maßgabe § 49 Nr. 3 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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