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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.01.2005
Aktenzeichen: 2 WF 604/04
Rechtsgebiete: ZPO, SGB II
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 | |
ZPO § 287 | |
SGB II § 20 Abs. 3 |
Tenor:
wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 17. November 2004 abgeändert.
Der Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin Q in F Prozesskostenhilfe bewilligt.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die gem. § 127 Abs.2 ZPO statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
Nach dem derzeitigen Sachstand kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Klägerin von vornherein ohne hinreichende Erfolgsaussicht ist. Die vom Familiengericht im Rahmen der Erwerbsobliegenheit bzw. der Zurechnung eines fiktiven Einkommens wegen Verletzung dieser Obliegenheit angestellten Erwägungen übersteigen die auch bei Bestehen einer Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind die stellenden Anforderungen an die Beklagte. Die Einkommensfiktion hat sich in erster Linie zu orientieren an den bisher erzielten Einkünften. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen. Bei den von der Beklagten bislang ausgeübten Tätigkeiten kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, das sie mit einer vollschichtigen Beschäftigung mehr als 750 € monatlich verdienen könnte. Daran würde auch eine überregionale Bewerbung der Beklagten nichts ändern, wobei eine Verpflichtung hierzu im Hinblick darauf, dass sie mit ihrem Ehemann in E wohnt zweifelhaft erscheint. Eine generelle Verpflichtung zu einer Nebentätigkeit lehnt der Senat ab, da die Möglichkeit hierzu erst unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geprüft werden kann. In den vielen vom Senat geprüften Fällen hat sich gezeigt, dass die Hauptbeschäftigung einschließlich Arbeitspausen und Fahrtzeiten bereits rd. 10 Stunden werktäglich in Anspruch nimmt. Wenn überhaupt, ist dann eine Nebentätigkeit allenfalls in geringem Umfang zumutbar und nicht jeweils bis mtl. 400 € oder sogar noch darüber hinaus. Die Darlegungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien in einer Vielzahl von Verfahren vor dem Senat zeigen, dass die Ausübung einer Nebentätigkeit neben einer vollschichtigen Beschäftigung der Ausnahmefall ist, und zwar auch vor der Trennung und Scheidung und auch bei Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern.
Schließlich hält der Senat auch eine generelle Herabsetzung des Selbstbehalts im Hinblick auf das Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen mit einem Partner nicht für geboten. Der BGH (FamRZ 2004, 24) hat zwar in einem von ihm entschiedenen Fall die pauschale Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts um rd. 22% nicht beanstandet. Er hat sich jedoch hierbei nicht mit seiner ständigen Rechtsprechung auseinandergesetzt, nach der eine Herabsetzung des Selbstbehalts im Hinblick auf das Zusammenleben immer konkrete Feststellungen erfordert, dass solche Ersparnisse vorliegen, wobei bei entsprechenden Feststellung eine Schätzung gem. § 287 ZPO hinsichtlich der Höhe erfolgen kann (BGH FamRZ 1995, 343; 1991, 182). Der Senat hält weiterhin konkrete Feststellungen für erforderlich. Eine pauschale Kürzung des Selbstbehalts in Höhe von bis zu 27% ist unangemessen, zumal sie nicht berücksichtigt, dass der Vorteil beiden zusammenlebenden Partnern in gleicher Weise, d.h. zur Hälfte zukommt und nicht ausschließlich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Partners herangezogen werden kann (so konsequent OLG Hamm - 11. FS - OLGR 2004, 26, welches mit 13,5% nur den halben des mit insgesamt 27% angenommenen Vorteil berücksichtigt). Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber in den für das Arbeitslosengeld II ab 1. 1. 2005 geltenden § 20 Abs.3 SGB II aufgenommen, indem die Regelleistung bei Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft von zwei erwachsenen Personen im Hinblick auf die Ersparnisse aus dem Zusammenleben um 10% für jede Person gekürzt wird.
Angaben aus der Erklärung des Unterhaltspflichtigen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Zusammenhang mit einem Prozesskostenhilfeantrag (§ 117 Abs.2 ZPO) können nicht zur Bezifferung einer eventuellen Ersparnis aus dem Zusammenleben herangezogen werden. Vielmehr ist der betreffenden Partei gegebenenfalls aufzugeben, hierzu ergänzend vorzutragen (Mietkosten, Einkommen des Partners). Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Aufklärung im Prozesskostenhilfeverfahren ab, da die Rechtsverteidigung der Beklagten aufgrund der geringen Höhe des ihr zuzurechnenden Einkommens auch bei einer Herabsetzung des Selbstbehalts weitgehend Erfolg versprechend ist. Es ist nicht Aufgabe des summarischen Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens, den Umfang der Erfolgsaussicht exakt zu bestimmen, wenn erkennbar ist, dass die Erfolgsaussicht nicht völlig unbedeutend ist.
Ende der Entscheidung
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