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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 2 WF 74/05
Rechtsgebiete: ZPO, SGB III, BGB


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 97
ZPO § 127 II 2
ZPO § 127 II 3
SGB III §§ 80 ff.
BGB § 1603 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 31.1.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 6.1.2005 dahin abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für seinen Antrag vom 20.12.2004 unter Beiordnung von Rechtsanwalt E aus F bewilligt wird.

Die Anordnung von Ratenzahlungen bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde auf Kosten des Antragstellers nach einem Wert von 500,00 € als unzulässig verworfen.

Gründe: I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung der Urkunde des Jugendamtes der Stadt Essen vom 11.10.2002, mit der er sich zur Zahlung von 231 € Kindesunterhalt an die minderjährige Klägerin (seine leibliche Tochter) verpflichtet hat, auf einen Betrag von 154,63 €. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe verweigert und seinen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. II. Die Beschwerde ist - soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung richtet - nicht statthaft (§ 707 II 2 ZPO analog; Zöller-Herget, Zivilprozessordnung, 25. A. § 769, Rz. 13), mit der Folge, dass sie insoweit als unzulässig zu verwerfen war. Insoweit beruhen die Nebenentscheidungen auf den §§ 97, 3 ZPO. Im übrigen - soweit sie sich gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe richtet - hat die gem. § 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde in der Sache Erfolg. Nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts von 840 € verbleiben dem Antragsteller von seinem Arbeitslosengeld noch rund 155 €, mit denen er nicht zur Leistung des vollen titulierten Kindesunterhalts der Lage ist. Die Frage, ob einem Umschüler bei der Inanspruchnahme auf Kindesunterhalt der Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen (so: OLG Dresden FamRZ 1999,1015; LSG Nordrhein-Westfalen FamRZ 2001, 1739) oder derjenige eines Erwerbstätigen (so: OLG Hamm FamRZ 1999, 1015, 1016; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1215; Wendl / Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. A. § 2, Rz. 266) oder ein Zwischenbetrag (so: OLG Köln FamRZ 1998, 480) zuzugestehen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Senat vermag diese Frage nicht für alle Fälle einer stattfinden Umschulung einheitlich zu beantworten. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Nur, wenn ausreichende Anhaltspunkte vorhanden sind, die eine Gleichstellung mit einem Erwerbstätigen rechtfertigen, kann von einem ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalt von derzeit 840 € ausgegangen werden. Andernfalls muß es bei dem für nicht Erwerbstätige angenommenen Selbstbehalt von derzeit 730 € verbleiben. Die bisher vom Antragsteller vorgetragenen Umstände sprechen dafür, dass der Ansatz des höheren Selbstbehalts von 840 € eher seien Bedürfnissen und seiner Lebensstellung entspricht als der geringere Selbstbehalt für nicht Erwerbstätige. Da der Antragsteller die Umschulung auf der Fachschule in Vollzeitform betreibt, bei welcher erfahrungsgemäß rund 35 Wochenstunden Unterricht zuzüglich die Zeit für die häusliche Nacharbeit anfallen, ist er zeitlich in etwa in gleichem Umfang beschäftigt, wie ein erwerbstätiger Unterhaltsschuldner. Daher fehlt ihm, wie einem Erwerbstätigen auch, die Zeit, seinen Lebensbedarf besonders günstig zu decken, indem er z. B. Sonderangebote studiert und sein Kaufverhalten entsprechend ausrichtet. Auch sein Bekleidungsbedarf entspricht dem eines Erwerbstätigen. Darauf, dass er gegen den Träger der Umschulungsmaßnahme nach den §§ 80 ff. SGB III einen Anspruch auf Ersatz von Lernmitteln, Fahrtkosten , Arbeitskleidung und ggf. Kosten für auswärtige Unterbringung hat, kommt es nicht an, denn diese Kosten schmälern das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen eines Erwerbstätigen (sofern sie nicht vom Arbeitgeber erstattet werden) ohnehin, mit der Folge, dass der Umschüler hieraus keinen besonderen Vorteil gegenüber einem Erwerbstätigen erfährt. Letztlich ist auch der Zweck des erhöhten notwendigen Selbstbehalts, dem Erwerbstätigen einen Anreiz dafür zu schaffen, dass er seine bisherige Tätigkeit fortsetzt auf die konkrete Situation des Antragstellers übertragbar. Er hat schlüssig vorgetragen, dass er infolge einer Herzerkrankung seinen bisher gelernten und ausgeübten Beruf als Heizungsinstallateur nicht mehr ausüben kann und daher die Umschulungsmaßnahme für die Wiedereingliederung in das Berufsleben notwendig ist. In einem solchen Fall dient die Umschulung nicht lediglich der Verbesserung bestehender Berufsaussichten, auf die sich der Unterhaltsschuldner im Zweifel nicht berufen kann, sondern zur Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit überhaupt. Dann erscheint es auch gerechtfertigt, ihm durch die Gewährung des für Erwerbstätige zugeschnittenen Selbstbehalts einen entsprechenden Anreiz zu verschaffen, die Schulungsmaßnahme erfolgreich abzuschließen.

Aus der erhöhten Erwerbsobliegenheit des Antragstellers nach § 1603 II BGB kann für die Frage, ob der notwendige Selbstbehalt für einen Erwerbstätigen oder für einen nicht Erwerbstätigen anzusetzen ist, nichts hergeleitet werden. Diese hat vielmehr Bedeutung für die Frage, ob sich der Unterhaltsschuldner auf seine Leistungsunfähigkeit bei Unterschreitung seines Selbstbehalt berufen kann oder nicht. Die Berufung auf seine teilweise Leistungsunfähigkeit kann ihm vor dem Hintergrund der von ihm vorgetragenen Erkrankung und, da beide Parteien die Durchführung der Umschulung hinnehmen, jedenfalls im summarischen Verfahren nicht versagt werden.

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