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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 116/2000
Rechtsgebiete: ZDG, GG, StGB


Vorschriften:

ZDG § 15 a
ZDG § 53
GG Art 12
GG Art 12 a
StGB § 56 b
StGB § 46
Leitsatz:

Einem wegen Dienstflucht nach § 53 Abs. 1 ZDG zu einer Bewährungsstrafe Verurteilten kann als einer Bewährungsauflage aufgegeben werden, ein freies Arbeitsverhältnis gemäß § 15 a ZDG abzuleisten. Dies verstößt weder gegen § 46 Abs. 3 StGB noch gegen das Verbot der unzulässigen Doppelbestrafung. Auch § 56 b StGB und Art. 12 GG sind nicht verletzt. Der Eingriff in Art. 12 a GG ist nämlich durch Art 12 a GG als verfassungsimmanente Schranke gerechtfertigt. Dem Verurteilten ist allerdings eine ausreichend lange Frist zur Eingehung des freien Arbeitsverhältnisses einzuräumen.


2 Ws 116/2000 OLG Hamm Senat 2

Beschluss

Strafsache gegen Y.T.,

wegen Dienstflucht

hier: (Beschwerde des Verurteilten gegen den Bewährungsbeschluss des Landgerichts Bochum).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 13. März 2000 gegen den Bewährungsbeschluss der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 3. März 2000 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 24. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten mit der Maßgabe verworfen, dass der Verurteilte bis Ende des Jahres 2001 ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG einzugehen hat.

Gründe:

I.

1. Der Verurteilte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die ihm in einem Bewährungsbeschluss gemachte Auflage, gemäß § 15 a ZDG ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen.

Dem Verfahren liegt in etwa folgender zeitlicher Ablauf zugrunde:

Dem Verurteilten, der anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist, wurde mit Schreiben des Bundesamtes für den Zivildienst (BAZD) vom 14. Januar 1997 die Heranziehung zum Zivildienst zum 01. Juli 1997 angekündigt. Seinen Antrag auf Befreiung vom Zivildienst vom 27. Januar 1997, den er mit der Gefährdung seiner beruflichen Ausbildung begründete, lehnte das BAZD mit Bescheid vom 5. Februar 1997 ab. Unter Hinweis auf sein bevorstehendes Vordiplom stellte der Verurteilte am 11. Februar 1997 einen Antrag auf Zurückstellung vom Zivildienst, in dem er sich aber generell zur Ableistung des Zivildienstes bereit erklärte. Diesen Antrag wies das BAZD mit Bescheid vom 3. März 1997 zurück. Mit Bescheid des BAZD vom 11. März 1997 wurde der Verurteilte zur Ableistung des Zivildienstes für die Zeit vom 3. August 1998 bis zum 31. August 1999 einberufen, wobei auch die Dienststelle bereits mitgeteilt wurde. Die über einen Verfahrensbevollmächtigten erhobenen Widersprüche vom 7. März 1997 gegen den ablehnenden Bescheid des BAZD vom 3. März 1997 und gegen den Einberufungsbescheid vom 11. März 1997 wurden nicht begründet und sodann mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1997 zurückgewiesen. Eine daraufhin zunächst erhobene Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen den Bescheid vom 3. März 1997 nahm der Rechtsanwalt des Verurteiltes zurück, was die Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch Beschluss vom 22. Juli 1997 zur Folge hatte.

Der Verurteilte trat den Zivildienst am 3. August 1998 nicht an. Der daraufhin erfolgten schriftlichen Aufforderung zur Aufnahme des Zivildienstes vom 13. August 1998 seitens des BAZD ist der Verurteilte trotz Ankündigung strafrechtlicher Maßnahmen nicht nachgekommen.

Im daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat sich der Verurteilte erstmals mit Schreiben vom 19. Januar 1999 gegenüber dem Amtsgericht dahin eingelassen, dass er aus Gewissensgründen als Zeuge Jehovas auch die Ableistung des Zivildienstes ablehne, da der im Sinne der Landesverteidigung als waffenloser Wehrdienst anzusehen sei.

2.

Der Verurteilte ist dann in diesem Verfahren durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27. Januar 1999 wegen Dienstflucht gem. § 53 Abs. 1 ZDG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht Bochum durch Urteil vom 18. August 1999 verworfen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des Verurteilten, die mit einer formellen Rüge Erfolg hatte, mit Beschluss vom 7. Dezember 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen. Mit Urteil vom 3. März 2000 hat das Landgericht die - nunmehr in der erneuten Berufungsverhandlung durch den Verurteilte auf das Strafmaß beschränkte - Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten hat das Landgericht festgestellt: Der Angeklagte ist seit 1992 getaufter Zeuge Jehovas. Seit Oktober 1996 studiert er Medizin, derzeit in Berlin. Das Vordiplom hat er im August/September 1998 abgelegt.

Die Strafaussetzung zur Bewährung hat das Landgericht wie folgt begründet:

"Dem Angeklagten ist eine günstige Zukunftsprognose zu erstellen, da er wegen Dienstflucht kein weiteres Mal bestraft werden kann; da seine Verweigerung auf einer einheitlichen Entscheidung beruht, tritt mit Verurteilung in vorliegender Sache Strafklageverbrauch für alle weiteren eventuellen Dienstverweigerungen ein. Die Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) gebietet eine Vollstreckung der Strafe deshalb nicht, weil dem Angeklagten im Rahmen des Bewährungsbeschlusses die Abhaltung eines freien Arbeitsverhältnisses nach § 15 a Zivildienstgesetz aufgegeben worden ist und danach den Erfordernissen des Wehr- und Dienstrechtes Genüge getan ist."

Unter Ziffer 2 des zugleich erlassenen Bewährungsbeschlusses hat das Landgericht dem Verurteilten die Auflage erteilt, ein freies Arbeitsverhältnis gem. § 15 a ZDG abzuleisten und ihm insbesondere aufgegeben, binnen eines Monats nach Rechtskraft des Urteils einen entsprechenden Antrag beim Bundesamt für den Zivildienst in Köln zu stellen und im weiteren den Anordnungen des Amtes Folge zu leisten.

Gegen diese Weisung richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des OLG Koblenz (NStZ-RR 1997, 149 ff.) ist er der Ansicht, dass die Bewährungsauflage gegen den Grundsatz der Berufsfreiheit verstoße, wofür § 56 StGB keine ausreichende Rechtsgrundlage sei. Zudem führe die durch den Bewährungsbeschluss begründete Verpflichtung ein freies Arbeitsverhältnis gem. § 15 a ZDG einzugehen zu einer unzulässigen Doppelbestrafung, da er, der Verurteilte, neben der Bestrafung wegen Dienstflucht zusätzlich ein freies Arbeitsverhältnis abzuleisten habe. Der Verurteilte weist weiter ausdrücklich darauf hin, dass er nichts "dagegen" habe, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG einzugehen. Die mit der Bewährungsauflage verbundenen Sanktionen bei Nichtableistung könne er jedoch nicht akzeptieren.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24. März 2000 der Beschwerde insoweit abgeholfen, als für die Pflicht, beim Bundesamt für den Zivildienst in Köln einen Antrag auf Anerkennung eines freien Arbeitsverhältnisses gem. § 15 a ZDG zu stellen, nicht eine Monatsfrist ab Rechtskraft des Urteils gelte, sondern eine solche nach Entscheidung des Beschwerdesenats des Oberlandesgericht über die Beschwerde. Im übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit dem Verurteilten die Auflage erteilt worden ist, ein freies Arbeitsverhältnis gem. § 15 a ZDG abzuleisten. Nach ihrer Auffassung greift die Auferlegung der Verpflichtung, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG abzuleisten, unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes des Verurteilten zu tief und damit nicht mehr hinnehmbar in dessen Lebensführung ein und sei somit nicht mehr verhältnismäßig.

Auf Auskunftsersuchen des Senats hat der Verurteilte im Beschwerdeverfahren erklärt, dass er mittlerweile verheiratet sei und das erste Staatsexamen abgelegt habe. Das zweite Staatsexamen werde er voraussichtlich im August 2001 ablegen. Mit dem zweiten Staatsexamen ende die Studienzeit. An das zweite Staatsexamen schließe sich das ein Jahr dauernde sog. Praktische Jahr an, auf das das dritte Staatsexamen im August 2002 und die vorläufige Approbation folge. Danach werde er 18 Monate als Arzt im Praktikum arbeiten. Nach Ablauf dieser 18 Monate werde er voraussichtlich im Frühjahr 2004 die endgültige Approbation erhalten. Er beabsichtige im Wintersemester 2000/2001 und Sommersemester 2001 für zwei Semester in Stockholm/Schweden zu studieren.

Ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG ist der Verurteilte bislang nicht eingegangen. Nach schriftlicher Auskunft des BAZD vom 1. Februar 2000 hatte der Verurteilte bis zu diesem Zeitpunkt auch keinen für das Eingehen eines freien Arbeitsverhältnisses gem. § 15 a ZDG erforderlichen Antrag gestellt.

II.

Die gemäß § 305 a StPO in Verbindung mit § 268 a StPO statthafte und zulässige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache im wesentlichen keinen Erfolg. Sie führt lediglich dazu, dass dem Verurteilten für das Eingehen eines freien Arbeitsverhältnisses nach § 15 a ZDG eine längere Frist, nämlich bis zum Ende des Jahres 2001, zu gewähren war.

1. Die gegen einen Bewährungsbeschluss nach § 268 a StPO grundsätzlich zulässige Beschwerde kann nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die getroffene Anordnung gesetzwidrig ist. Die vom Landgericht getroffene Anordnung, den in § 15 a ZDG vorgesehenen Dienst zu leisten, ist indes vorliegend nicht gesetzwidrig.

a) Die dem Verurteilten im Bewährungsbeschluss gemachte Auflage, ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen, führt - entgegen der Auffassung des Verurteilten - nicht zu einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen im Sinn von § 46 Abs. 3 StGB. Denn nur aufgrund der vorgenommenen Auflagenerteilung im Bewährungsbeschluss hat das Berufungsgericht bei seiner gem. § 56 StGB zu treffenden Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt die Notwendigkeit der Vollstreckung der Strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung gem. § 56 Abs. 3 StGB verneint. Darin ist weder eine Doppelverwertung zu sehen, noch ist der Verurteilte dadurch beschwert. (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1999, 155)

b) Die Auflage führt auch nicht - wie vom Verurteilte geltend gemacht wird - zu einer unzulässigen Doppelbestrafung des Verurteilten. Denn mit der Bewährungsauflage, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG abzuleisten, wird dem Verurteilten keine Pflicht auferlegt, die ohne diese Auflage nicht bestünde. Auch die Verurteilung nach § 53 ZDG führt nämlich nicht dazu, dass der Verurteilte von seiner gesetzlichen Pflicht zur Ableistung des Dienstes befreit wird. Diese bleibt bestehen. Die dem Verurteilte erteilte Auflage will somit lediglich verhindern, dass der nach § 53 ZDG Verurteilte seiner nach wie vor bestehenden Verpflichtung aufgrund Strafklageverbrauchs ggf. sanktionslos nicht nachkommt. Bei einer zukünftigen Weigerung des Verurteilten, ein freies Arbeitsverhältnis abzuleisten, würde er nämlich zwar durch die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes des § 53 Abs. 1 ZDG eine neue Straftat begehen, diese könnte aber wegen des aus Art. 103 Abs. 3 GG folgenden Doppelbestrafungsverbotes nicht erneut geahndet werden (vgl. BVerfGE 23,191).

Da die Auflage nicht zur Folge hat, dass die Strafaussetzung zur Bewährung schon bei Weigerung des bereits abgeurteilten Verhaltens widerrufen werden würde, ist auch unter diesem Gesichtspunkt eine Gesetzwidrigkeit nicht festzustellen. Denn eine erneute Weigerung des Verurteilten zur Ableistung des Zivildienstes wäre - wie dargelegt - straflos. Nur für den Fall, dass er innerhalb der festgesetzten Frist kein Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG eingeht, müsste er - als Folge seiner ursprünglichen Weigerung - mit dem Widerruf der Strafaussetzung rechnen.

c) Soweit dem Verurteilten das Eingehen und Ableisten eines freien Arbeitsverhältnisses auferlegt worden ist, verstößt dies auch nicht gegen § 56 b StGB oder Art. 12 GG.

§ 56 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die mit der Beschwerde angegriffene Bewährungsauflage. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Vorschrift des § 56 b Abs. 2 StGB, soweit sie in Nr. 3 die Erbringung gemeinnütziger Leistungen als Bewährungsauflage zulässt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. BVerfGE 83, 119; Tröndle in Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 56 b StGB Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Eine derartige Bewährungsauflage begründet nämlich keinen Zwang zur Arbeit im Sinne einer Arbeitsstrafe, sondern stellt vielmehr - mit der Auferlegung einer Arbeitspflicht - einen Weg dar, um die Vollstreckung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe abzuwenden. Auflagen sollen der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen (§ 56 b Abs. 1 Satz 1 StGB). Die möglichen und damit gesetzlichen Auflagen sind in § 56 b Abs. 1 StGB abschließend aufgezählt.

Bei der Auflage, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG abzuleisten, handelt es sich um eine im Sinne des Abs. 2 dieser Bestimmung zulässige gemeinnützige Leistung. Da eine solche Leistung in § 15 a ZDG als Voraussetzung zur Verschonung mit dem Ersatzdienst vorgesehen ist, kann sie als Auflage nach § 56 b Abs. 2 StGB nicht als gesetzwidrig angesehen werden; denn auch als Auflage dient sie dem Zweck, den Verurteilten vor der Vollstreckung der Strafe zu bewahren und ist diesem damit günstig. (vgl. BayObLG 70, 122 ff; BVerfGE 83, 119; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 155; siehe aber OLG Koblenz NStZ-RR 1997, 151).

Gegen die Zulässigkeit der Auflage lässt sich auch nicht die Entscheidung des BVerfG vom 21. Oktober 1981 (NJW 1982, 323 f) anführen, wonach eine Bewährungsauflage, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, eine unzulässige Einschränkung der Berufsfreiheit darstellt. Denn der Entscheidung des BVerfG lag kein dem hier vorliegenden vergleichbarer Fall zugrunde. Zum einen hatte das BVerfG über eine auf § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB - und nicht wie vorliegend nach Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift - gestützte Auflage zu befinden, nach welcher eine wegen Vollstreckungsvereitelung Verurteilte den von ihr verursachten Schaden nach besten Kräften wieder gut machen und dazu unverzüglich ein Arbeitsverhältnis begründen sollte. Zum anderen bezog sich die Entscheidung des BVerfG nicht wie vorliegend auf die Ableistung einer Wehrdienst- oder anderen Dienstverpflichtung. In dem Fall, den das BVerfG zu entscheiden hatte, war dem Verurteilten ein "normales" Arbeitsverhältnis als Auflage erteilt worden. Im Unterschied dazu hat das Berufungsgericht dem Verurteilten vorliegend mit der Auferlegung der Abhaltung eines freien Arbeitsverhältnisses nach § 15 a ZDG eine ihn ohnehin auch trotz Verurteilung weiter treffenden aus Art. 12 a GG folgenden Dienstpflicht zur Auflage gemacht.

Die Auferlegung der Abhaltung eines freien Arbeitsverhältnisses nach § 15 a ZDG verletzt den Verurteilten vorliegend auch nicht in seiner durch Art.12 GG geschützten Berufsfreiheit. Zwar wird durch die Auflage in die Berufsfreiheit des Verurteilten eingegriffen, da er seine Ausbildung für die Dauer von zwei Jahren zu unterbrechen hat. Dieser Eingriff ist jedoch vorliegend durch Art. 12 a GG als verfassungsimmanente Schranke des Art. 12 I GG gerechtfertigt. Der Verurteilte ist auch trotz seiner Verurteilung wegen Dienstflucht gem. § 56 ZDG von seiner aus Art. 12 a GG folgenden Dienstpflicht nicht befreit. § 15 a ZDG stellt als eine Art. 12 a GG konkretisierende Gesetzesnorm eine ausreichende Rechtsgrundlage für Eingriffe in die durch Art. 12 a GG geschützte Berufsfreiheit dar. Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Verurteilten ist vorliegend auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da nach Auffassung des Senats dem aus Art. 12 a GG folgenden staatlichen Interesse an der Erbringung des Dienstes durch den Verurteilten, der Aufrechterhaltung der Wehr- und Dienstrechtes und der (Wehr-)Dienstgerechtigkeit hier der Vorrang gegenüber dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Verurteilten an einer ungehinderten Fortführung seiner Berufsausbildung, dem Medizinstudium und der sich anschließenden beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie Berufsausübung gebührt. Dies folgt aus einer umfassenden Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen, welche bei der Kollision von Verfassungsrecht vorzunehmen ist und in der die kollidierenden Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen sind. Zwar befindet sich der Verurteilte in einem schon verhältnismäßig weit fortgeschrittenen Stadium seiner Ausbildung. Er ist Medizinstudent und hat bereits sein Physikum und sein erstes Staatsexamen abgelegt. Eine Unterbrechung seiner Ausbildung für die Dauer von zwei Jahren zur Ableistung eines freien Arbeitsverhältnisses nach § 15 a ZDG stellt für ihn eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Sie wird im Zweifel auch zur Folge haben, dass sich der Verurteilte einen Teil seiner bislang erworbenen Kenntnisse bei Wiederaufnahme der Ausbildung nach Ableistung des freien Arbeitsverhältnisses erneut aneignen muß, da diese nach einer Ausbildungsunterbrechung von zwei Jahren kaum noch präsent sein werden. Jedoch muß im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden, dass der Verurteilte diese Situation in erheblichen Umfang mitverschuldet hat. Denn noch vor Aufnahme seines Studiums im Oktober 1996 war ihm bekannt, dass er aufgrund der ihm bei als Ergebnis der Musterung bescheinigten Diensttauglichkeit dazu verpflichtet ist, Dienst (Wehr-, Zivil- oder Ersatzdienst) zu leisten. Noch innerhalb der ersten beiden Semester seines Studiums, also in einem sehr frühen Stadium seiner Ausbildung, wurde er als anerkannter Kriegsdienstverweigerer zur Ableistung des Zivildienstes einberufen. Trotzdem setzte der Verurteilte sein Studium fort, obwohl es ihm nach Auffassung des Senats zu diesem Zeitpunkt zumutbar war, sein Studium zu unterbrechen und seiner Dienstverpflichtung nachzukommen. Einem Gewissenskonflikt, der ihm bis zu diesem Zeitpunkt einen Dienstantritt ggf. unmöglich gemacht hätte, sah er sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgesetzt. Auf einen Gewissenskonflikt hat er sich nämlich erstmals im Lauf der Strafverfahrens mit Schreiben an das Amtsgericht Bochum vom 19. Januar 1999, also zu einem Zeitpunkt als sein Studium bereits erheblich fortgeschritten war. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er sich nicht um die Ableistung eines Dienstes gekümmert.

Nach allem ist dem aus Art.12 a GG folgenden staatlichen Interesse vorliegend der Vorrang vor dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Verurteilten zu gewähren. Ein anderes Abwägungsergebnis würde die Gefahr begründen, dass einer Vielzahl von Dienstpflichtigen der Anreiz für die Entschlussfassung gegeben würde, sich ihrer Dienstpflicht dauerhaft zu entziehen, indem sie in Kauf nehmen dafür "lediglich" zu einer - kaum fühlbaren - zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Dies würde eine nicht hinnehmbare Gefährdung des in Art. 12 a des Grundgesetzes verankerten Interesses an der Aufrechterhaltung der Wehr- und Dienstgerechtigkeit führen. Bei der Abwägung darf schließlich auch nicht übersehen werden, dass der Verurteilte durch seinen Verteidiger selbst erklärt hat, nichts dagegen zu haben, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG einzugehen. Er verhält sich also widersprüchlich, wenn er nun gegenüber der entsprechenden Bewährungsauflage geltend mache, sie verstoße gegen Verfassungsrecht.

2. Die vom Berufungsgericht gemachte Bewährungsauflage war jedoch insoweit gesetzwidrig, als dem Verurteilten auferlegt worden ist, binnen eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung des Senats über die Beschwerde beim Bundesamt für den Zivildienst in Köln einen Antrag auf Anerkennung eines freien Arbeitsverhältnisses gem. § 15 a ZDG zu stellen und im weiteren den Anordnungen des Amtes Folge zu leisten. Denn insoweit führt sie zu einer Verletzung des § 56 b Abs. 1 Satz 2 StGB, da dies eine unzumutbare Anforderung an den Verurteilten stellt (vgl. dazu auch Senat in NStZ-RR 1999, 155). Überdies birgt diese Frist die Gefahr der Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Denn dadurch bestünde die Möglichkeit, dass das Bundesamt für den Zivildienst den Verurteilten inmitten eines Ausbildungsabschnittes zur Ableistung des freien Arbeitsverhältnisses heranziehen könnte. Dies würde einen zu tiefen Einschnitt in die Ausbildung des Verurteilten bedeuten und wäre ihm weder zumutbar noch angemessen (vgl. auch dazu Senat, a.a.O.). Bei der Fristsetzung musste vielmehr Beachtung finden, dass sich die Ausbildung des Verurteilten in mehrere von einander trennbare Ausbildungsabschnitte (erstes Staatsexamen, zweites Staatsexamen, Praktisches Jahr [PJ], drittes Staatsexamen, Arzt im Praktikum [AiP]) aufteilt. Dem war nach Auffassung des Senats dadurch Rechnung zu tragen, dass dem Verurteilten durch die nunmehr gesetzte Frist die Möglichkeit gegeben wird, einen Ausbildungsabschnitt abzuschließen und im Anschluss daran seine Ausbildung zur Abhaltung des freien Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen. Nach seinen eigenen Angaben hat der Verurteilte das erste Staatsexamen im August 2000 abgelegt. Sein jetziger Ausbildungsabschnitt endet nach eigener Bekundung mit dem zweiten Staatsexamen voraussichtlich im August 2001. Unter Berücksichtigung der Ausbildungssituation des Verurteilten hielt der Senat es daher für angemessen, dem Verurteilten aufzuerlegen, bis Ende des Kalenderjahres 2001 ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a ZDG einzugehen. Ein weiterer Aufschub kann dem Verurteilten nicht gewährt werden.

III.

Nach allem war die Beschwerde daher mit geänderter Fristsetzung und mit der sich aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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