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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 138/09
Rechtsgebiete: VollzG, StPO, StGB
Vorschriften:
VollzG § 43 Abs. 10 Nr. 3 | |
StPO § 454 Abs. 1 | |
StPO § 454 Abs. 3 | |
StGB § 57 | |
StGB § 57 Abs. 1 Nr. 2 |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.
Der Verurteilte ist am 02. Juni 2009 zu entlassen.
Eine Anrechnung nach § 43 Abs.10 Nr.3 VollzG ist ausgeschlossen.
Gründe:
I.
Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 25. August 2005 gegen den Verurteilten wegen schwerer räuberischer Erpressung - Überfall einer Sparkassenfiliale unter Einsatz einer Gaspistole und einer Bombenattrappe - eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten festgesetzt.
Zweidrittel der Strafe waren am 01. Februar 2009 verbüßt. Die Justizvollzugsanstalt Bochum hat zu einer bedingten Entlassung des Verurteilten Stellung genommen und diese angesichts u.a. des starken Hafteindrucks, der tiefen Reue und des Eingebundenseins in seine Familie befürwortet.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat den Verurteilten zweimal persönlich angehört und ein sozial- und kriminalprognostisches Gutachten eingeholt.
Der Sachverständige kommt hierin zu dem Ergebnis, dass das Risiko eines einschlägigen Rückfalls als gering anzusehen ist. Delikte mit direkter Gewaltanwendung seien aufgrund der Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Einstellungen schwer vorstellbar, zumindest im Rahmen normal menschlicher Konfliktlagen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat mit Beschluss vom 26. März 2009 die bedingte Entlassung des Verurteilten angeordnet. Zur Begründung hat sie u.a. auf den überaus positiven persönlichen Eindruck, den positiven Haftverlauf, die günstige Einschätzung des Sachverständigen und die gewandelten Familienstrukturen verwiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft Essen mit ihrer sofortigen Beschwerde, der sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen hat.
Zur Begründung führen die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft insbesondere aus, dass die Vorstrafen und die Tatumstände in dem angefochtenen Beschluss nicht hinreichend gewürdigt seien und dass angesichts dieser Gesichtspunkte eine bedingte Entlassung nicht in Betracht käme.
II.
Die gem. § 454 Abs.1 und 3 StPO, 57 StGB statthafte und im übrigen auch zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe u.a. dann zur Bewährung aus, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Wenngleich eine positive Entscheidung keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraussetzt, muss namentlich infolge günstiger Wirkungen des Strafvollzuges eine wirklich nahe liegende Chance dafür bestehen (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 57 Randziffer 14). Bei der Prognoseentscheidung sind die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von einer Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Je nach der Schwere der Straftaten, die möglicherweise vom Verurteilten nach Erlangung der Freiheit begangen werden können, ist bei der Einschätzung einer günstigen Prognose ein unterschiedliches Maß zugrunde zu legen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 201; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 172).
In Anwendung dieser Grundsätze kann dem Verurteilten eine günstige Sozialprognose gestellt werden.
Hierbei kommt dem persönlichen Eindruck der Strafvollstreckungskammer insoweit eine entscheidende Bedeutung zu. Ein Abweichen von der von der Strafvollstreckungskammer für einen Verurteilten gestellten Prognose kommt nur dann in Betracht, wenn wichtige Gesichtspunkte übersehen worden sind oder wenn nach der Sachlage auch einem günstigen Eindruck bei der mündlichen Anhörung offensichtlich kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2002 in 2 Ws 3 u. 43/03 m.w.N. und 09. Dezember 2008 in 2 Ws 348/08).
Beides ist vorliegend der nicht Fall.
Die Strafvollstreckungskammer hat in noch ausreichendem Maße die wesentlichen Gesichtspunkte genannt und bewertet, sowie dem überaus positiven Eindruck bei der mündlichen Anhörung, seinem Verhalten im Vollzug, seiner ernstgemeinten Reue sowie seinem gewandelten und stabilen familiären Umfeld eine gewichtige Rolle beigemessen.
Dies ist unter Berücksichtigung aller Prognosegesichtspunkte nicht zu beanstanden.
Die Strafvollstreckungskammer hat zwar die Vorstrafen des Verurteilten nur äußerst knapp und die Tatumstände gar nicht bzw. nicht ausdrücklich in ihre Prognoseentscheidung einfließen lassen, jedoch sind dies vorliegend keine derart gewichtigen Gesichtspunkte, welche angesichts der übrigen überaus positiven Aspekte ein Abweichen von der Prognoseentscheidung der Strafvollstreckungskammer rechtfertigen würden.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Verurteilte bei der Tat mit erhöhter krimineller Energie - Gasrevolver, Bombenattrappe, Vorbereitung der Tat - vorgegangen ist; andererseits sind aber auch die Entstehungsgeschichte der Tat, sein laienhaftes Vorgehen sowie sein Nachtatverhalten - Geständnis, Nennen des Verstecks der Beute, ernsthafte Entschuldigung bei den geschädigten Zeugen - zu berücksichtigen.
Auch die Vorstrafen des Verurteilten haben bei der Prognoseentscheidung ein erhebliches Gewicht. Der Verurteilte ist vor dieser Tat mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, so u.a. wegen Körperverletzung, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und Vornahme sexueller Handlungen vor Kindern.
Dies sind gewichtige und schwere Straftaten. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Verurteilte die Straftaten zum Teil noch als Jugendlicher bzw. Heranwachsender begangen hat, es insoweit teilweise jugendtypische Verfehlungen waren und danach wie - z.B. der BtM-Verstoß - nicht wieder vorkamen.
Darüber hinaus ist der Verurteilte nach 1996 bis zu der hier maßgeblichen Tat in 2005 nicht straffällig geworden.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Straftat der Vornahme sexueller Handlungen angesichts des wechselnden Einlassungsverhaltens des Verurteilten - mal Geständnis, mal Bestreiten - nach wie vor unaufgearbeitet ist, jedoch liegt die Verurteilung nunmehr fast 13 Jahre zurück, der Verurteilte strebt mit seiner Ehefrau eine Paarberatung an und auch nach Einschätzung des Sachverständigen ist die Wahrscheinlichkeit einer derartigen einschlägigen erneuten Tat unter den jetzigen Voraussetzungen sehr gering.
Angesichts dieser vorliegenden Besonderheiten sowohl bei den Vorstrafen als auch bei den Tatumständen gewinnen - so wie es auch die Strafvollstreckungskammer bewertet hat - die übrigen Prognosegesichtspunkte - wie die überaus günstige Einschätzung seitens des Sachverständigen, der starke Hafteindruck, die ernst gemeinte Reue und insbesondere auch das in seinen Einstellungen gewandelte und stabilere Familienumfeld, welches dem Verurteilten sehr wichtig ist - eine gewichtige Rolle.
Die sofortige Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1, 2 S.1 StPO.
Eine Anrechnung gem. § 43 Abs. 10 Nr.3 VollzG ist ausgeschlossen, um die Entlassung organisatorisch vorzubereiten.
Ende der Entscheidung
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