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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.06.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 143/2000
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 453 Abs. 1 Satz 2
StGB § 56 f
Leitsatz

Zur Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Erlass einer Entscheidung über den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung.

- Az: 2 Ws 142 u. 143/2000 OLG Hamm -


2 Ws 142/2000 2 Ws 143/2000

Beschluss: Strafsache gegen H.K. wegen gefährlicher Körperverletzung pp., (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in zwei Verfahren).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 10. April 2000 gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 23. Februar 2000 und vom 1. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.06.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 23. Februar 2000 (StVK K 1545/99) wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

2. Der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 1. März 2000 (StVK K 1546/99) wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens insoweit, an das Landgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe :

Der Beschwerdeführer ist in den Verfahren StVK K 1545/99 LG Bochum und StVK K 1546/99 LG Bochum durch Beschlüsse vom 5. November 1999 nach der Verbüßung von jeweils 2/3 zweier Freiheitsstrafen mit Wirkung vom 19. November 1999 bedingt aus der Strafhaft entlassen worden. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Februar 2000 (StVK K 1545/99) hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Aussetzung der Reststrafe der viermonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 2. April 1998 widerrufen, nachdem sie dem Verurteilten zuvor die Gelegenheit zur Anhörung in einem Anhörungstermin eingeräumt hatte, welche dieser aber nicht wahrgenommen hatte. Mit dem überdies angefochtenen Beschluss vom 1. März 2000 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Aussetzung des noch nicht verbüßten Strafrests der einjährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27. November 1996 widerrufen. In diesem Verfahren ist dem Verurteilten Gelegenheit zur Anhörung in einem mündlichen Anhörungstermin oder zur schriftlichen Stellungnahme nicht gewährt worden. Begründet hat die Strafvollstreckungskammer beide Widerrufsentscheidungen damit, dass der Verurteilte gröblich und beharrlich gegen Auflagen und Weisungen der Bewährungsbeschlüsse vom 5. November 1999 verstoßen habe. So habe er eine Wohneinrichtung, in der er Wohnung nehmen sollte, bereits nach zwei Tagen verlassen, keinen Kontakt zur Bewährungshilfe gehalten und seinen Wohnsitzwechsel der Strafvollstreckungskammer nicht mitgeteilt. Dadurch gebe der mehrfach vorbestrafte Verurteilte Anlass zur Besorgnis, er werde erneut Straftaten begehen.

Gegen beide Widerrufsbeschlüsse richtet sich die rechtzeitige und zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten. Inzwischen ist gegen den Verurteilten unter dem 14. April 2000 durch die Staatsanwaltschaft Bochum (33 Js 136/00) Anklage erhoben worden wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie wegen Volksverhetzung, begangen in den Bewährungszeiten am 17. und 18. Februar 2000. Insoweit hat sich der Verurteilte in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. Februar 2000, die dem Senat nunmehr vorliegt, weitestgehend geständig eingelassen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 23. Februar 2000 als unbegründet zu verwerfen sowie den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 1. März 2000 aufzuheben und die Sache zur Anhörung des Verurteilten und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bochum zurückzuverweisen. Diesen Antrag hat sie wie folgt begründet:

"II.

Die gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 23.02.2000 gerichtete und gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO, § 56 f StGB statthafte und fristgemäß (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Dem Verfahrenserfordernis der ordnungsgemäßen Anhörung des Verurteilten gem. § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO ist Genüge getan. Den Anhörungstermin vom 23.02.2000 hat der Verurteilte unentschuldigt nicht wahrgenommen. Die Ladung zu diesem Termin ist ihm ordnungsgemäß zugestellt worden (Bl. 21, 21 R Bew.H 1545/99). Insoweit ist ausreichend, dass dem Verurteilten ein Termin zur mündlichen Anhörung eingeräumt worden ist und er nicht dargelegt hat, dass er an der Wahrnehmung dieses Termins gehindert war. Insbesondere konnte die Durchführung der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer nicht zwangsweise durchgesetzt werden (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 453 Rdnr. 7; Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 453 Rdnr. 7).

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat die Aussetzung der Reststrafe zu Recht widerrufen. Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB ist die Strafaussetzung zu widerrufen, wenn der Verurteilte gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird. Mit dem Bewährungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer war dem Verurteilten aufgegeben worden, sich unverzüglich nach der Haftentlassung in die "Christliche Lebensgemeinschaft Josefshof" in Berlin zu begeben. Diese Einrichtung hat er - entgegen der Auflage - bereits nach einem Tag wieder verlassen, da ihm das Leben in dieser Einrichtung als "zu hart" erschien. Dieser Umstand zeigt, dass der Verurteilte offensichtlich nicht gewillt ist, sich den gerichtlichen Auflagen und Weisungen, die ihm im Rahmen seiner Lebensführung Halt geben und ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten sollen, zu fügen. Es ist daher zu besorgen, dass der mehrfach vorbestrafte Verurteilte erneut in krimineller Verhaltensmuster abgleiten wird, zumal auch das von der Bewährungshilfe geschilderte Freizeitverhalten des Verurteilten nicht geeignet erscheint, ihm gefestigten sozialen Halt zu vermitteln. Weder der Umstand, dass der Beschuldigte als arbeitssuchend gemeldet ist, noch dass er über eine eigene kleine Wohnung verfügt, vermögen eine günstige Sozialprognose zu begründen, sodass weniger einschneidende Maßnahmen gem. § 56 f Abs. 2 StGB nicht in Betracht kommen.

Zudem steht der Verurteilte in dem Verfahren 33 Js 136/00 StA Bochum wegen des Vorwurfs der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Volksverhetzung, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und der Sachbeschädigung, begangen am 17. und 18.02.2000, unter Anklage.

III.

Die gegen den Beschluss des Landgerichts vom 01.03.2000 gerichtete sofortige Beschwerde ist ebenfalls zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat insoweit dem Verfahrenserfordernis der mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht genügt. Die dem Verurteilten durch Niederlegung unter dem 27.01.2000 zugestellte Ladung zum Termin der Anhörung am 23.02.2000 bezog sich lediglich auf die Frage des Widerrufs der Reststrafenaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 02.04.1998. Daher ist dem Verurteilten lediglich in diesem Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, da die Ladung nicht erkennen lässt, dass die Kammer auch mit der Frage des Widerrufs der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27.11.1996 befasst war.

Die Entscheidung verletzt daher den Verurteilten in seinem aus § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör und unterliegt daher der Aufhebung."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Zwar hat der Verurteilte zur Überzeugung des Senats (vgl. insoweit Tröndle/Fischer StGB, 49. Aufl. zu § 56 f Rn. 3 b m.w.N.) am 17. und 18. Februar 2000, also während des Laufes beider Bewährungszeiten eine Mehrzahl von eingeräumten Straftaten begangen und so gezeigt, dass er die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Deshalb könnte eine Widerrufsentscheidung im Ergebnis auch auf § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützt werden. Gleichwohl ist aber in dem Verfahren StVK K 1546/99 LG Bochum der Anspruch des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, da ihm hier weder Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gemäß § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO noch wenigstens zur vorherigen schriftlichen Stellungnahme gemäß § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO gegeben worden ist. Der Senat hat davon abgesehen, dem Beschwerdeführer selbst nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren, da ihm in diesem Falle eine Instanz verloren ginge.

Danach war die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 25. Februar 2000 (StVK K 1545/99) mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 1. März 2000 (StVK K 1546/99) hingegen war aufzuheben und die Sache insoweit zur Anhörung und erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum, die insoweit auch über die Kosten dieses Rechtsmittels zu befinden hat, zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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