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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.07.2006
Aktenzeichen: 2 Ws 164/06
Rechtsgebiete: IRG
Vorschriften:
IRG § 54 |
Beschluss
Strafsache (Vollstreckungshilfesache)
gegen K.B.
Raubes, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a., (hier: Rechtshilfe durch Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 23. Juni 2006 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 19. Juni 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 07. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass sich die Erklärung über die Zulässigkeit der Vollstreckung aus dem Urteil des Bezirksgerichts Liegnitz (Legnica) vom 4. März 2005 nicht auch auf die verhängte Geldstrafe und die entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe bezieht und somit die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60,- € entfällt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
Gründe:
Der Beschwerdeführer ist durch in seiner Anwesenheit verkündetes Urteil des Bezirksgerichts in Liegnitz (Legnica)/Polen vom 4. März 2005 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, schweren Raubes, unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Strafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug sowie zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je 250 Zloty verurteilt worden. Nach dem in dem Urteil festgestellten Sachverhalt hatte der Verurteilte von Mitte 2003 bis zum 10. Februar 2004 einer kriminellen Vereinigung angehört, am 9. Januar 2004 einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie im Dezember 2003 2,4602 kg Haschisch nach Polen eingeführt und dort an einen Dritten weitergegeben. Die in dieser Sache verbüßte Untersuchungshaft vom 10. Februar 2004 bis zum 4. März 2005 wurde auf die Freiheitsstrafe angerechnet und der Beschwerdeführer offensichtlich an diesem Tage aus der bis dahin vollzogenen Untersuchungshaft entlassen. Das Urteil ist seit dem 11. März 2005 rechtskräftig.
Das polnische Justizministerium hat mit an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gerichteten Schreiben vom 11. Juli 2005 und 15. September 2005 um die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Restes der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ersucht. In diesen Schreiben ist zutreffend die vollzogene Untersuchungshaft mit einem Jahr und 22 Tagen und die somit noch zu verbüßende Reststrafe mit zwei Jahren fünf Monaten und acht Tagen berechnet worden. Das Ersuchen des polnischen Justizministeriums und somit der polnischen Behörden erstreckt sich ausdrücklich nicht auch auf die Vollstreckung der Geldstrafe und eine eventuell sich daraus ergebende Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit dem angefochtenen Beschluss die Vollstreckung aus dem genannten Urteil insgesamt für zulässig erklärt und gegen den Verurteilten entsprechend dem polnischen Straferkenntnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten unter Anrechnung der in Polen bereits erlittenen Untersuchungshaft sowie eine Gesamtgeldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60,- € festgesetzt.
Da der Beschwerdeführer dies vorher beantragt hatte, ist in dem angefochtenen Beschluss zudem in den Gründen festgestellt worden, dass eine Anrechnung der in Polen verbüßten Untersuchungshaft im Verhältnis 1:3 nicht in Betracht kommt, sondern dass die Anrechnung im Verhältnis 1:1 zu erfolgen hat.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer in erster Linie gegen die Ablehnung einer Anrechnung der Untersuchungshaft im Verhältnis 1:3 wendet, ist gemäß § 55 Abs. 2 IRG zulässig, in der Sache jedoch nur in geringem Umfang begründet.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat das Urteil des Bezirksgerichts in Liegnitz vom 4. März 2005 im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckbar erklärt und zugleich zutreffend gemäß § 54 Abs. 1 IRG die in Polen verhängte Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug in eine Gesamtfreiheitsstrafe nach deutschem Recht von gleicher Dauer umgewandelt.
Soweit dies allerdings auch - in an sich nicht zu beanstander Weise (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 20. März 2000 in 2 Ws 82/00 = Rpfleger 2000, 351) - für die verhängte Gesamtgeldstrafe und die sich daraus ergebende Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt ist, war die Entscheidung aufzuheben, da die Vollstreckung auch dieser Sanktion nicht Gegenstand des Ersuchens der polnischen Behörden ist.
Im Ergebnis zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer auch die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 54 Abs. 1 IRG für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland als im Verhältnis 1:1 für vollstreckbar erklärt und gemäß § 54 Abs. 4 IRG die Untersuchungshaft in demselben Verhältnis angerechnet. Für die von dem Verurteilten erstrebte Höheranrechnung der in Polen vollzogenen Untersuchungshaft ist nämlich kein Raum.
Dabei kann dahinstehen, ob aufgrund der vom Verurteilten geltend gemachten Erschwernisse überhaupt eine andere als die beschlossene 1:1-Anrechnung hätte in Betracht kommen können. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist es keineswegs allgemein anerkannt, dass eine im Ausland erlittene Haft in Deutschland erhöht anzurechnen ist (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 51 Rdnr. 19 mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung).
Insbesondere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zu denen inzwischen auch Polen gehört, kommt ein anderer Maßstab als 1:1 bei der Anrechnung nur in besonderen Ausnahmefällen, von denen ein solcher hier aber nicht vorliegen dürfte, in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 in 5 StR 162/03 = NStZ-RR 2003, 364 (Ls), zuletzt bestätigt durch BGH, Beschluss vom 15. März 2006 in 2 StR 22/06).
Die Höheranrechnung scheidet vorliegend aber schon deshalb aus, weil die Vorschrift des § 51 StGB, insbesondere die des § 51 Abs. 4 S. 2 StGB, auf die der Verurteilte sich offenbar berufen will, auf die vorliegende Fallgestaltung schon dem Grunde nach keine Anwendung findet.
§ 51 StGB ist nämlich nur dann anwendbar, wenn über die Anrechnung einer ausländischen Strafe oder eines im Ausland erlittenen Freiheitsentzugs (Auslieferungshaft) auf eine von einem deutschen Gericht verhängte Strafe zu entscheiden ist (so bereits Senatsbeschluss vom 6. Mai 1999 in 2 Ws 140/99 = NStZ-RR 1999, 384).
Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr geht es um die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Erkenntnisses für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland im Wege der Rechtshilfe nach § 54 IRG. Grundlage der Vollstreckung bleibt aber das ausländische Erkenntnis. Dessen Strafzumessung wird ebenso wenig überprüft wie die Möglichkeit einer nach deutschem Recht gegebenen Anrechnungsmöglichkeit für im Ausland erlittene Haft, soweit sie in dem ausländischen Verfahren vollzogen worden ist.
Die sofortige Beschwerde war mit der getroffenen Maßgabe somit als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 IRG, 473 Abs. 1 u. 4 StPO, wobei es angesichts des nur äußerst geringen Erfolgs des Rechtsmittels nicht unbillig ist, dass der Beschwerdeführer die gesamten Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat und eine ihm günstigere Kostenentscheidung nicht gerechtfertigt erscheint.
Ende der Entscheidung
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