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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.08.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 201/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 140 |
Beschluss Strafsache
gegen B.W.,
wegen Vollrausches
(hier: Sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen die Ablehnung ihrer bedingten Entlassung aus der Unterbringung und Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger).
Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 11. Juli 2000 und auf den Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger vom 17. Juli 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Der Verurteilten wird Rechtsanwalt W. aus Lippstadt als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Verurteilten verworfen.
Gründe:
I.
Die Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. August 1998 wegen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hat die Verurteilte ihren Ehemann im alkoholisierten Zustand erstochen. Wegen der Alkoholabhängigkeit der Verurteilten ist gemäß § 64 StGB ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Das Landgericht hat außerdem den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe von 1 Jahr angeordnet.
Bis zum 14. April 1999 ist dieser Teil der Strafe gegen die Verurteilte, die sich insgesamt seit dem 15. April 1998 in (Untersuchungs-)Haft befindet, vollstreckt worden. Seitdem befindet sich die Verurteilte in der Unterbringung, die zunächst in Schloß Haldem vollzogen worden ist. Hier konnten bei der Verurteilten, die seit dem 16. Dezember 1999 unter Betreuung steht, keine Behandlungsfortschritte erzielt werden. Am 16. Mai 2000 ist die Verurteilte dann nach Hemer in die Hans-Prinzhorn-Klinik verlegt worden. Dort zeigen sich jetzt erste Behandlungserfolge. Die Klinik hat in ihrer gemäß § 67 e StGB abgegebenen Stellungnahme vom 3. Juli 2000 die Fortdauer der Maßnahme für erforderlich angesehen.
Demgemäss hat die Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss die bedingte Entlassung der Verurteilten aus der Unterbringung (§ 67 d StGB) abgelehnt. Dagegen wendet sich die Verurteilte mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, dass die von der Klinik in Aussicht gestellte Verlegung auf eine offene sozialtherapeutische Therapiestation deutlich mache, dass die weitere Unterbringung nicht mehr erforderlich sei. Die Verurteilte hat zudem die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Der Verteidiger der Verurteilten hat beantragt, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beiordnungsantrag zurückzuweisen und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Verurteilten war Rechtsanwalt W. aus Lippstadt als Pflichtverteidiger beizuordnen (§ 140 StPO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch im Strafvollstreckungsverfahren in Betracht (vgl. zuletzt Senat in StraFo 2000, 32 = StV 2000, 92 = NStZ-RR 2000, 113 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Vorliegend kann dahinstehen, ob die Beiordnung von Rechtsanwalt W. wegen der noch zu erwartenden Unterbringungsdauer und damit wegen der "Schwere der Tat" (vgl. zur Pflichtverteidigung im Verfahren zur Strafrestaussetzung Rotthaus NStZ 2000, 350) zu erfolgen hatte. Jedenfalls war vorliegend wegen "Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage" und/oder wegen der Unfähigkeit der Verurteilten sich selbst zu verteidigen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten. Die Verurteilte ist seit mehr als zwei Jahren nicht mehr in Freiheit. Sie streitet für ihre bedingte Entlassung aus der Unterbringung, wobei schwierige medizinische und therapeutische Fragen von Belang sind. Die Verurteilte steht seit Ende 1999 unter Betreuung. Infolge des Alkoholmissbrauchs ist es bei ihr, wie in der Klinik Schloß Haldem festgestellt worden ist, bereits zu einem hirnorganischen Abbau gekommen. Diese Umstände führen nach Auffassung des Senats zu der Annahme, dass die Verurteilte nicht in der Lage ist, ihre Rechte selbst sachgerecht wahrzunehmen. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - nicht aus dem Schreiben der Verurteilten vom 15. Juli 2000. Allein damit, dass die Verurteilte selbst Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer eingelegt und mit einigen Worten begründet hat, lässt sich nicht nachvollziehbar begründen, die Verurteilte sei zu einer sachgerechten Interessenwahrnehmung in der Lage. Dies zeigt sich schon allein darin, dass sich die Verurteilte mit den Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise auseinandersetzt.
Bei der somit vorzunehmenden Beiordnung des Pflichtverteidigers handelt es sich um eine Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Vorsitzenden.
III.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung werden durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt. Nach den der Strafvollstreckungskammer vorliegenden ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ist die Kammer zu Recht davon ausgegangen, dass derzeit eine Erprobung der Verurteilten in Freiheit noch nicht verantwortet werden kann. Der Senat nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sich diese nach eigener Prüfung zu eigen. Zusätzlich weist er nur darauf hin, dass der Verteidiger einen Zirkelschluss begeht, wenn er aus dem Umstand, dass der Verurteilten die kurzfristige Verlegung auf eine offene Station in Aussicht gestellt worden ist, schließt, die weitere Unterbringung sei nicht mehr erforderlich. Denn erst nach erfolgreicher Erprobung auf einer offenen Station kommt eine bedingte Entlassung der Verurteilten überhaupt in Betracht. Bei der eindeutigen Stellungnahme der behandelnden Ärzte und Therapeuten war auch die Einholung des vom Verteidiger beantragten Sachverständigengutachtens nicht erforderlich.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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