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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.09.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 216/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 302
StPO § 322
Wird trotz eines erklärten Rechtsmittelverzichts ein Rechtsmittel eingelegt, muss dieses als unzulässig verworfen werden. Die Erklärung als durch Verzicht erledigt, kommt nur in Betracht, wenn die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme im Streit ist.
2 Ws 216/01 OLG Hamm Senat 2

Beschluss

Strafsache

wegen Computersabotage (§ 303 b StGB) (hier: Sofortige Beschwerde gegen den die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist ablehnenden und die Erledigung der Berufung durch einen Verzicht feststellenden Beschluss).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 30. Juli 2001 gegen den Beschluss der 1. kleinen Jugendkammer des Landgerichts Hagen vom 11. Juli 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.09.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird insoweit verworfen, als im angefochtenen Beschluss der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist verworfen worden ist.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die 1. kleine Jugendkammer des Landgerichts Hagen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird, zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 27. Februar 2001 wegen Computersabotage schuldig gesprochen worden. Das Amtsgericht hat von Strafe abgesehen und dem Angeklagten aufgegeben, einen karitativen Hilfsdienst von 100 Stunden nach näherer Weisung des Jugendamtes der Stadt Hagen abzuleisten. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte nach Verkündung des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet. Der Rechtsmittelverzicht ist ihm ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vorgelesen und von ihm genehmigt worden.

Mit Schreiben vom 28. März 2001 hat der Angeklagte sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung von Rechtsmitteln beantragt und diesen im wesentlichen damit begründet, dass er sich aufgrund des Strafverfahrens und der Verurteilung in einer schlechten psychischen Verfassung befunden habe und er sich an den gesamten Verlauf der Hauptverhandlung sowie den größten Teil der Urteilsverkündung nur bruchstückhaft erinnere. Mit weiterem Schreiben vom 2. April 2001 hat der Angeklagte darüber hinaus Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 27. Februar 2001 eingelegt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist als unzulässig verworfen und die Berufung als durch Verzicht erledigt erklärt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, diese zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vom 27. Februar 2001 auf Rechtsmittel gegen das Urteil des Amtsgerichts verzichtet. Dieser Verzicht schließt u.a. auch die Wiedereinsetzung wegen Versäumung von Rechtsmittelfristen aus (vgl. u.a. BGH NJW 1978, 330; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., 2001, § 302 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Nur wenn der Verzicht unwirksam war, kann dies ggf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung einer Rechtsmittelfrist begründen (vgl. BGH NJW 1995, 2568 für die Revision). Dahinstehen kann, inwieweit diese Entscheidung, in der ein Rechtsmittelverzicht des Angeklagten deshalb als wirksam angesehen worden ist, weil ihm eine vom Vorsitzenden unzuständiger Weise abgegebene und nicht eingehaltene Zusage zugrunde lag, auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden kann. Denn selbst wenn das im Ergebnis möglich und zutreffend sein sollte, ist hier nicht von einem unwirksamen Rechtsmittelverzicht auszugehen. Es entspricht allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein Rechtsmittelverzicht nur unter besonderen Umständen widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden kann (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 302 Rn. 23 mit weiteren Nachweisen; BGH bei Becker NStZ-RR 2001, 265). Solche sind aber nicht ersichtlich. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten ersichtlich sind. Dies ist nach der eingeholten dienstlichen Äußerung der erkennenden Jugendrichterin vielmehr ausgeschlossen. Konkrete Anhaltspunkte werden dazu vom Angeklagten auch mit der sofortigen Beschwerde nicht vorgetragen. Dass der Angeklagte den Rechtsmittelverzicht möglicherweise unüberlegt und voreilig erklärt hat, berechtigt ihn nun nicht, damit die Wirksamkeit seiner Erklärung zu bestreiten (BGH, a.a.O.; zur Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme bzw. eines -verzichts von jugendlichen und heranwachsenden Angeklagten siehe auch BGH NStZ-RR 1998, 60).

2.

Vorläufigen Erfolg hat die sofortige Beschwerde allerdings insoweit, als das Landgericht die Berufung des Angeklagten als durch Verzicht erledigt erklärt hat. Das wäre nur dann zutreffend gewesen, wenn die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme im Streit wäre (vgl. die Fallgestaltung bei BGH NStE StPO § 302 Nr. 26; so auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 302 Rn. 26). Wird hingegen - wie vorliegend - trotz eines erklärten Rechtsmittelverzichts ein Rechtsmittel eingelegt, richtet sich dieses gegen ein infolge des Verzichts rechtskräftiges Urteil. Dieses Rechtsmittel ist dann unzulässig und muss demgemäss auch als unzulässig verworfen werden (BGH NJW 1984, 1974, 1975; zuletzt BGH bei Becker NStZ-RR 2001, 265; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.). Diese Verwerfung hat hier wegen der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 322 Abs. 1 StPO (OLG Hamm MDR 1974, 715), auf die die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat, durch das Landgericht als Berufungsgericht zu erfolgen. Deshalb ist der angefochtene Beschluss hinsichtlich des feststellenden Teils aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung an das Landgericht, das, da der Senat eine abschließende Entscheidung nicht treffen konnte, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird, zurückverwiesen worden.

Ende der Entscheidung

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