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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 216/09
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 213 |
Ein gebuchter Urlaub des Angeklagten oder des Verteidigers seines Vertrauens ist im Rahmen der Ermessensausübung bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag nur dann zu beachten, wenn der Urlaub bereits vor Kenntnis des Hauptverhandlungstermins verbindlich gebucht war.
Beschluss
Strafsache
wegen Betruges.
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 21. Juli 2009 gegen die Ablehnung seines Terminsverlegungsantrages durch den Vorsitzenden der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 15. Juli 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 08. 2009 durch beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Nachdem der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 02. Juni 2009 - 74 Ls 2 Js 98/08 - 4/09 - , durch das er wegen gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen zu einer vollstreckbaren Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden war, form- und fristgerecht unter dem 03. Juni 2009 Berufung eingelegt hatte, hat der Vorsitzende der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum durch Verfügung vom 19. Juni 2009 Hauptverhandlungstermin auf den 20. August 2009 festgesetzt. Der Termin, zu dem neben dem Beschwerdeführer und dessen Verteidiger auch der Nebenkläger und sein Vertreter sowie ein Dolmetscher und sieben Zeugen geladen wurden, war zuvor mit dem Büro des Verteidigers, der bis zum 03. August 2009 verhindert war, abgesprochen worden.
Die Terminsladung wurde dem Beschwerdeführer am 27. Juni 2009 zugestellt. Durch am 15. Juli bei dem Landgericht eingegangenes privatschriftliches Schreiben vom 09. Juli 2009 beantragte der Beschwerdeführer Terminsverlegung mit der Begründung, er befinde sich vom 07. bis zum 24. August 2009 in Urlaub. Gleichzeitig übersandte er den Ausdruck einer Reisereservierung für einen Auslandsflug am 07. August 2009 sowie den Rückflug am 24. August 2009. Der übersandte Internet-Ausdruck weist am unteren Seitenrand das Datum "13.07.2009" auf. Den Terminsverlegungsantrag lehnte der Vorsitzende der 4. kleinen Strafkammer unter dem 15. Juli 2009 - dem Beschwerdeführer durch Schreiben vom 16. Juli 2009 mitgeteilt - ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine ausreichende Entschuldigung sei in der Urlaubsreise nicht zu sehen, zumal diese erst nach dem Erhalt der Ladung zum Hauptverhandlungstermin gebucht worden und nicht ersichtlich sei, dass sie unbedingt in der Zeit, in der die Hauptverhandlung terminiert sei, durchgeführt werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung des Vorsitzenden der 4. kleinen Strafkammer vom 15. Juli 2009 Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtete sich der Beschwerdeführer durch weiteres privatschriftliches Schreiben vom 21. Juli 2009, welches am 22. Juli 2009 bei dem Landgericht Bochum einging. Er führte zur Begründung im Wesentlichen an, er sei aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage, den Urlaub zu verschieben. Er habe im laufenden Jahr den Urlaub bereits verschoben und an drei - erstinstanzlichen - Gerichtsterminen teilgenommen, von denen zwei wegen Urlaubs des Richters und eines Rechtsanwaltes verlegt worden seien. Zudem sei er an die Schulferien seines Sohnes gebunden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das privatschriftliche Schreiben des Beschwerdeführers vom 21. Juli 2009 verwiesen.
Unter dem 24. Juli 2009 lehnte der Vorsitzende der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum diesen Terminsverlegungsantrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe die Reise in Kenntnis des Termins ohne Rücksprache gebucht, ohne dass zu erkennen sei, dass diese Reise sich über den Terminstag erstrecken müsse. Insbesondere könnten die Schulferien des Sohnes nicht der Grund sein, da der Hauptverhandlungstermin am 20. August 2009 außerhalb der Ferienzeit liege. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidung des Vorsitzenden vom 24. Juli 2009 Bezug genommen.
Nachdem der Beschwerdeführer auf Anregung des Vorsitzenden durch anwaltlichen Schriftsatz vom 04. August 2009 sein Schreiben vom 21. Juli 2009 ausdrücklich als "Beschwerde" bezeichnet hatte, half der Vorsitzende dieser unter dem 05. August 2009 nicht ab.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat unter dem 10. August 2009 Stellung genommen und beantragt wie beschlossen.
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:
"Die Beschwerde ist gem. § 305 Abs. 1 StPO unstatthaft, da sie eine Entscheidung des erkennenden Gerichts betrifft, die der Urteilsfällung vorausgeht, ohne dass einer der Ausnahmefälle des § 305 Satz 2 StPO vorliegt. Gegenstand der Beschwerde ist nämlich die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden der Strafkammer. Die Anberaumung der Termine für die Hauptverhandlung bzw. die Ablehnung der Aufhebung einzelner Verhandlungstermine ist eine Entscheidung, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht, ausschließlich der Vorbereitung der Urteilsfällung dient und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußert. Solche Entscheidungen sind aber gem. § 305 Satz 1 StPO der Anfechtung entzogen, um Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 305 Rdnr. 1 m.w.N.). Hierzu gehören grundsätzlich auch Beschwerden des Angeklagten bzw. dessen Verteidigers gegen eine Terminsverschiebung (zu vgl. Senatsbeschluss vom 08.09.2005 - 2 Ws 218/05 -, m.w.N.), wobei dahinstehen kann, ob Beschwerden gegen die Terminsbestimmung des Vorsitzenden nur bei Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensunterschreitung für zulässig anzusehen sind. Denn eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung des Vorsitzenden der 4. kleinen Strafkammer ist nicht feststellbar. Der Vorsitzende hat zutreffend und von dem Angeklagten auch nicht bestritten darauf hingewiesen, dass dieser die Reise in Kenntnis des Hauptverhandlungstermins gebucht und darüber hinaus auch keine ausreichenden Gründe vorgetragen hat, die eine Aufhebung des Verhandlungstermins notwendig erscheinen ließen."
Diesen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ist - zutreffend -zu entnehmen, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beschwerdemöglichkeit gegen Terminsverfügungen beziehungsweise Ablehnungen von Anträgen auf Terminsverlegung gegeben ist, in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist.
Die ältere und - soweit ersichtlich - nur noch vereinzelt in der Rechtsprechung vertretene Ansicht hält eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer beantragten Verlegung eines Hauptverhandlungstermins generell im Hinblick auf die Regelung in § 305 Satz 1 StPO für unzulässig. Dies soll sich aus dem entsprechend anwendbaren Grundgedanken des § 305 Satz 1 StPO ergeben, wonach Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration nicht selbstständig, sondern ausschließlich im Rahmen des Rechtsmittels gegen das Urteil angefochten werden können (OLG Düsseldorf, VRS 90, 127, 128 mit Verweis auf den dortigen Senatsbeschluss vom 04. August 1987 - 1 Ws 603/87 - sowie zahlreichen weiteren Nachweisen; ebenso: Beschluss des 4. Strafsenats des OLG Hamm vom 22. September 1988 - 4 Ws 436/88 -, abgedruckt in: NStZ 1989, 133 mit weiteren Nachweisen; OLG Stuttgart, NJW 1976, 1647, 1648 mit ausführlicher Darstellung des damaligen Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur sowie OLG Stuttgart, MDR 1980, 954; siehe dazu auch: Senatsbeschluss vom 08. September 2005 - 2 Ws 218/05 -, zitiert nach juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen, der eine Entscheidung des Meinungsstreits letztlich offen lässt; ebenso offengelassen in: OLG Rostock, Beschluss vom 02. Juni 2004 - I Ws 230/04 -, zitiert nach juris Rn. 16, 17, 19 mit weiteren Nachweisen). Im - vorliegend nicht gegebenen - Falle der Verhinderung des Verteidigers könne der Angeklagte das Beschwerdevorbringen in der Hauptverhandlung gemäß §§ 228 Abs. 2, 265 Abs. 4 StPO im Rahmen eines Aussetzungsantrages geltend machen und bei Ablehnung durch Gerichtsbeschluss seine Revision auf eine Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO stützen, so dass für eine selbstständige Beschwerdemöglichkeit kein Raum sei (OLG Stuttgart, NJW 1976, 1647, 1648; Beschluss des 4. Strafsenats des OLG Hamm vom 22. September 1988, NStZ 1989, 133; OLG Düsseldorf, VRS 90, 127, 128 mit weiteren Nachweisen; siehe auch: Senatsbeschluss vom 08. September 2005 - 2 Ws 218/05 -, zitiert nach juris Rn. 10). Darüber hinaus wird argumentiert, durch eine selbstständige Beschwerdemöglichkeit werde die sich aus § 213 StPO ergebende "Terminshoheit" des Vorsitzenden untergraben, der letztlich allein die Übersicht über die im Spruchkörper anfallenden und zu terminierenden Strafsachen habe. Dadurch werde letztlich ein sinnvolles und effizientes Terminieren unmöglich gemacht (OLG Stuttgart, NJW 1976, 1647, 1648; Beschluss des 4. Strafsenats des OLG Hamm vom 22. September 1988, NStZ 1989, 133; OLG Düsseldorf, VRS 90, 127, 128). Darüber hinaus betreffe § 213 StPO ausschließlich die Zuständigkeit des Vorsitzenden für die Terminsbestimmung, nicht aber dessen Ermessen, so dass für die Annahme eines Ermessens grundsätzlich kein Raum sei (Senatsbeschluss vom 08. September 2005 - 2 Ws 218/05 -, zitiert nach juris Rn. 10).
Die - mittlerweile - wohl herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur hält die Beschwerde gegen Terminierungsentscheidungen des Vorsitzenden abweichend vom Grundsatz des § 305 Satz 1 StPO ausnahmsweise dann gemäß § 304 Abs. 1 uns Abs. 2 StPO für statthaft, wenn sie in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffen wurden und daher für die Verfahrensbeteiligten eine besondere, selbstständige Beschwer bewirken (OLG Bamberg, Beschluss vom 09. März 1999 - 3 Ws 169/99 -, zitiert nach juris Rn. Orientierungssatz 1 und Rn. 7; OLG München, NStZ 1994, 451 und Beschluss vom 06. Februar 2007 - 3 Ws 68/07 -, zitiert nach juris Orientierungssatz, abgedruckt in: StV 2007, 518; OLG Dresden, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 1 Ws 121/04 -, zitiert nach juris Rn. 6, 8; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05. April 2005 - 1 Ws 361/05 -, zitiert nach juris Orientierungssatz 1, abgedruckt in: StV 2005, 491 - 492; LG Dresden, Beschluss vom 07. Februar 2007 - 3 Qs 14/07 -, zitiert nach juris Rn. 6; LG Düsseldorf, NStZ 2003, 168; so auch: Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 213 Rn. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen für beide Auffassungen). Wegen der grundsätzlichen "Terminshoheit" des Vorsitzenden soll die angefochtene Entscheidung indes auch in diesen Fällen lediglich auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung und nicht auf Zweckmäßigkeit geprüft werden. Dabei soll das Beschwerdegericht überprüfen können, ob der Vorsitzende das staatliche Interesse an einer reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens und die Interessen des Angeklagten, wozu insbesondere das Interesse der Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens gehört, angemessen gegeneinander abgewogen hat (siehe nur: OLG Dresden, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 1 Ws 121/04 -, zitiert nach juris Rn. 8; OLG München, NStZ 1994, 451; OLG Nürnberg, Beschluss vom 05. April 2005 - 1 Ws 361/05 -, zitiert nach juris Orientierungssatz 1).
Der Senat kann auch in der vorliegenden Sache letztlich eine Entscheidung dahinstehen lassen, ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist. Denn die dazu aufgestellten Voraussetzungen sind vorliegend jedenfalls nicht gegeben. Ein Ermessensfehlgebrauch durch den Vorsitzenden der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum ist nicht ersichtlich, worauf auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme bereits zutreffend hingewiesen hat. Das Interesse des angeklagten Beschwerdeführers an der Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens ist vorliegend gerade nicht beeinträchtigt. Vielmehr ist der Hauptverhandlungstermin vor seiner Festsetzung gerade mit dessen Büro abgesprochen worden. Dass der Beschwerdeführer eine - soweit ersichtlich - private Urlaubsreise über den Zeitpunkt des Hauptverhandlungstermins hinaus gebucht hat, kann vorliegend ebenfalls zu keiner anderen Entscheidung führen. Dabei ist bereits zu beachten, dass der Beschwerdeführer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat, er damit ohnehin mit der Terminierung der Berufungshauptverhandlung rechnen musste und insoweit seine privaten Dispositionsmöglichkeiten nach Ansicht des Senats Einschränkungen unterlagen. Zwar soll ein gebuchter Urlaub des Angeklagten oder des Verteidigers seines Vertrauens in nicht sehr umfangreichen beziehungsweise in nicht komplizierten Verfahren im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung bei Terminierungsentscheidungen zu beachten sein und in der Regel zur Terminsverlegung führen (LG Oldenburg, Beschluss vom 21. August 2008 - 1 Qs 314/08 -, zitiert nach juris Orientierungssatz 1, abgedruckt in: StraFo 2008, 471 - 472; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 213 Rn. 7). Dies kann nach Ansicht des Senats indes ausschließlich dann der Fall sein, wenn der Urlaub bereits vor Kenntnis des Hauptverhandlungstermins verbindlich gebucht war, was vorliegend gerade nicht der Fall gewesen ist. Da ein überzeugender Grund für die Reisezeit über den Hauptverhandlungstermin hinaus zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, wobei der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die fortgeltenden zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung nimmt, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden, kommt ein Ermessensfehlgebrauch nicht in Betracht.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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