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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.09.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 218/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 213
StPO § 305
Zur Anfechtbarkeit der Terminsverfügung des Vorsitzenden.
Beschluss

Strafsache

wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, (hier: Beschwerde gegen eine Terminsverfügung des Vorsitzenden der Strafkammer

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 01. August 2005 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 28. Juli 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 09. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Hagen hat gegen den Beschwerdeführer unter dem 08. März 2005 wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen und Verbreitung pornographischer Schriften vor der 1. großen Strafkammer als Jugendschutzkammer des Landgerichts Hagen Anklage erhoben. Mit Verfügung vom 30. Mai 2005 hat der Kammervorsitzende Termin zur Hauptverhandlung bestimmt auf den 19. September 2005 mit Fortsetzungsterminen am 20. und 26. September 2005, nachdem er zuvor durch Verfügung vom 20. Mai 2005 die Geschäftsstelle gebeten hatte, mit der Verteidigung, dem Nebenklägervertreter und dem Sachverständigen "vorsorglich für den Fall der Eröffnung zur Durchführung der Hauptverhandlung mehrere Termine anzubieten und die Verfügbarkeit zu vermerken". Der Vorsitzende hatte insgesamt sechs Termine und zwar den 19., 20., 21., 22., 26. und 27. September 2005 zur Auswahl genannt. Die Verteidigung teilte der Geschäftsstelle mit, dass die angebotenen Termine am 19., 20., 21., 22. und 26. September 2005 frei seien; am 27. September 2005 stehe er nicht zur Verfügung. Der Vorsitzende hat daraufhin durch Verfügung vom 30. Mai 2005 die eingangs erwähnten Termine - 19., 20. und 26. September 2005 - festgesetzt, da zu diesen Terminen sämtliche Prozessbeteiligten ihre Teilnahme zusagen konnten.

Nachdem die Verteidigung die Terminsladung, die seitens der Ladungsbeamtin vom 06. Juni 2005 datiert, unter dem 18. Juli 2005 erhalten hatte, teilte sie mit Schriftsatz vom selben Tage mit, es sei ihr wegen anderweitiger Gerichtstermine nicht möglich, den Fortsetzungstermin am 26. September 2005 wahrzunehmen. Zwar seien seinerzeit verschiedene Termine ins Auge gefasst worden, dies liege aber schon längere Zeit zurück, so dass die avisierten Termine nicht auf solch lange Zeit nur vorsorglich hätten reserviert werden können. Sie bat daher um Terminsverschiebung und bot Ausweichtermin u.a. den 27. September 2005 an. Der Vorsitzende der 1. Strafkammer hat den Antrag der Verteidigung, den Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung am 26. September 2005 zu verlegen, durch Beschluss vom 28. Juli 2005 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, sämtliche in dieser Sache anberaumten Sitzungstage - so auch der 26. September 2005 - seien mit allen notwendigen Verfahrensbeteiligten zuvor abgesprochen und auf die übereinstimmende Mitteilung der Terminsverfügbarkeit bestimmt worden. Zu keinem Zeitpunkt habe die Verteidigung mitgeteilt, ein zugesagter Termin sei nicht verfügbar oder angekündigt, einen hier bereits zugesagten Termin ohne weitere Rückfrage anderweitig vergeben zu wollen. Unter diesen Umständen handele die Verteidigung bei der Zusage, an hier einvernehmlich vereinbarten Sitzungstagen, anderweitig Gerichtstermine wahrzunehmen, unmittelbar vorhersehbar in dem Risiko einer Terminskollision. Eine Terminsabsprache mit der Verteidigung ergebe keinerlei Sinn mehr, wenn zugesagte Termine ohne jede Vergewisserung anderweitig vergeben werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 01. August 2005, mit der gerügt wird, bei der Anfrage am 20. Mai 2005 seitens der Geschäftsstelle habe es sich nicht um eine verbindliche Terminsabsprache gehandelt. Da kurzfristig eine Bestätigung der Termine seitens des Gerichts nicht erfolgt sei und nicht gleich mehrere Termine frei gehalten werden könnten, seien andere Termine angenommen worden. Mit Beschluss vom 9. August 2005 hat der Vorsitzende der Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

"Die Beschwerde ist gemäß § 305 Abs. 1 StPO unstatthaft, da sie eine Entscheidung des erkennenden Gerichts betrifft, die der Urteilsfällung voraus geht, ohne dass einer der Ausnahmefälle des § 305 S. 2 StPO vorliegt. Gegenstand der Beschwerde ist nämlich die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden der Strafkammer. Die Anberaumung der Termine für die Hauptverhandlung bzw. die Ablehnung der Aufhebung einzelner Verhandlungstermine ist eine Entscheidung, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht, ausschließlich der Vorbereitung der Urteilsfällung dient und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußert. Solche Entscheidungen sind aber gem. § 305 S. 1 StPO der Anfechtung entzogen, um Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 305 Rdnr. 1 m.w.N.). Zwar wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Terminsverfügungen mit der Beschwerde angefochten werden können, in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 213 Rdnr. 8 m.w.N.), nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine solche Verfügung des Vorsitzenden jedoch unanfechtbar (vgl. OLG München, NStZ 1994, 451; OLG Frankfurt, StV 1997, 403: OLG Hamburg, StV 1995, 11; OLG Karlsruhe, StV 1991, 509). Jedenfalls gilt dies für den vorliegenden Fall, dass mit der Beschwerde eine Verhinderung des Verteidigers an der Wahrnehmung der anberaumten Hauptverhandlungstermine geltend gemacht wird (vgl. OLG Hamm, NStZ 1989, 133). Dies folgt bereits aus der in § 228 Abs. 2 StPO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, wonach eine Verhinderung des Verteidigers dem Angeklagten kein Recht gibt, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, es sei denn, der Angeklagte wird im Falle der notwendigen Verteidigung nicht verteidigt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Veranlassung, den Fall der Aussetzung der Hauptverhandlung anders zu behandeln als den der - zeitlich vorangehenden - Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden, besteht nicht."

Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend dargelegt hat, wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Terminsverfügungen mit der Beschwerde angefochten werden können, in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.

Die grundlegenden Vorschriften für die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden befinden sich in § 213 StPO und § 305 Satz 1 StPO. § 213 StPO regelt die Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Terminierung, während nach § 305 Satz 1 StPO Entscheidungen des Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nicht der Beschwerde durch die Verfahrensbeteiligten unterliegen. Diese Bestimmung schließt nach einer Auffassung generell jedenfalls die Beschwerde des Angeklagten bzw. des Verteidigers gegen eine Terminsverfügung aus (OLG Hamm NStZ 1989, 133; OLG Düsseldorf JMBlNW 1995, 248; OLG Celle NdsRPfl 1984, 72; OLG Stuttgart MDR 1980, 954; a.A., die Beschwerden gegen die Terminsbestimmung des Vorsitzenden bei Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensunterschreitung für zulässig ansehen: so OLG Dresden NJW 2004, 3196; OLG Frankfurt StV 1997, 402 OLG Hamburg StV 1995, 11; OLG München NStZ 1994, 451).

Für die Auffassung, die eine Beschwerde nicht zulassen will, spricht der eindeutige Wortlaut des § 305 Satz 1 StPO, wonach der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidungen nicht der Beschwerde unterliegen. Ausnahmen hat der Gesetzgeber in § 305 Satz 2 StPO aufgeführt; die Terminsbestimmung findet sich dort nicht.

§ 213 StPO betrifft nicht das Ermessen des Vorsitzenden bei der Terminsbestimmung, sondern regelt lediglich dessen Zuständigkeit. Für die Annahme eines Ermessens ist hier daher grundsätzlich kein Raum. Der Gesetzgeber hat überdies das Problem des verhinderten Verteidigers in § 228 Abs. 2 StPO geregelt und bestimmt, dass dem Angeklagten bei Verhinderung des Verteidigers kein Recht auf Aussetzung der Verhandlung zusteht. Dies muss erst recht für den Fall einer Terminsverlegung gelten. Mit der Konstruktion einer Ermessensüberprüfung würden diese Normen untergraben und die Terminsbestimmung des Vorsitzenden weitgehend ausgehöhlt.

Letztlich braucht dieser Streit hier aber nicht entschieden zu werden, da auch nach der Auffassung, die eine Beschwerde in Ausnahmefällen für statthaft erachtet, die Beschwerde hier nicht zulässig wäre. Eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung durch den Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer ist nämlich nicht feststellbar. Die Termine sind zuvor mit den notwendigen Prozessbeteiligten abgesprochen worden und es wäre Sache der Verteidigung gewesen, sich vor der Annahme anderweitiger Gerichtstermine bei der Strafkammer zu vergewissern, an welchen Tagen letztlich terminiert worden ist. Es dürfte allseits bekannt sein, dass Terminsverfügungen des Gerichts regelmäßig mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bei den Verfahrensbeteiligten eingehen, was seine Ursache im allgemeinen Geschäftsablauf findet.

Nach alledem war die Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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