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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 246/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 456
Leitsatz: Zum Vollstreckungsaufschub, wenn ansonsten zum Zwecke der sofortigen Vollstreckung eine medizinische Heilbehandlung angebrochen werden müsste, was medizinisch untunlich wäre.
Beschluss Strafsache gegen J.A.,

wegen Betruges u.a.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24. August 2000 gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 21. August 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bis zum Ende der stationären Heilbehandlung am 27. September 2000 aufgeschoben wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluss vom 21. August 2000 hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Hagen die Anträge des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung einer "Haftunterbrechung" und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung verworfen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24. August 2000, mit der dieser seine Anträge aufrechterhält.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Wegen des Sachstandes und des Verfahrensganges wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Die gemäß §§ 458 Abs. 2, 462 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in geringem Umfang Erfolg.

Das Landgericht Hagen hat dem Verurteilten zu Unrecht den Vollstreckungsaufschub nach § 456 Abs. 1 StPO versagt. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, wenn dem Verurteilten durch die sofortige Vollstreckung erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Im Fall der sofortigen Vollstreckung müsste der Verurteilte seine am 16. August 2000 angetretene stationäre Heilbehandlung in der Asklepios Nordseeklinik Westerland/Sylt abbrechen, die der Behandlung akuter Erkrankungen, namentlich seiner Schuppenflechte, dient. Diese Heilbehandlung, die nach einer Bescheinigung der Klinik voraussichtlich am 27. September 2000 erfolgreich abgeschlossen sein wird, wird auch von der Ltd. Reg. Med. Direktorin der Justizvollzugsanstalt Bochum, Frau Dr. W., in ihrer Stellungnahme vom 23. August 2000 als sinnvoll erachtet. Frau Dr. W. führt darin aus, dass eine solche Behandlung auch während des Vollzuges in Spezialeinrichtungen gewährleistet ist und ab 27. September 2000 Haftfähigkeit besteht.

Unter den dargelegten Umständen wäre ein Abbruch der Heilbehandlung zum Zwecke der sofortigen Vollstreckung medizinisch untunlich. Damit würden aber beim Verurteilten erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile, die auch unter Berücksichtigung des nahen Behandlungsabschlusses nicht angemessen sind, entstehen. Daher ist dem Verurteilten bis zum Abschluss der Heilbehandlung am 27. September 2000 Vollstreckungsaufschub zu gewähren.

Im Übrigen hat die Strafkammer zu Recht die Anträge des Verurteilten zurückgewiesen. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung. Nach § 455 Abs. 2 StPO ist dem Verurteilten Strafaufschub zu gewähren, wenn die Besorgnis einer Lebensgefahr besteht, wobei nicht die bloße Möglichkeit genügt, dass sich eine Krankheit lebensbedrohlich verschlechtern könnte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 455 Rdnr. 5).

Eine derartige nahe Lebensgefahr, die mit der Vollstreckung der Freiheitsstrafe einhergehen könnte, ist jedoch auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Verurteilten nicht ersichtlich.

Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch der Vollstreckungsbehörden im Rahmen der Prüfung des § 455 Abs. 3 StPO sind ebenfalls nicht gegeben, nachdem die Vollstreckungsbehörde eigenständige Ermittlungen zur Haftfähigkeit des Verurteilten angestellt und die dabei erzielten Ergebnisse zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 u. 4 StPO. Da die Anträge des Verurteilten auf eine längerfristige Vollstreckungsunterbrechung gerichtet sind, ist der gewährte vorübergehende Vollstreckungsaufschub ein nur geringer Erfolg, so dass Billigkeitserwägungen es nicht gebieten, der Staatskasse die Gebühren und die entstandenen Auslagen des Verurteilten teilweise aufzuerlegen. Aus der Beschwerdebegründung wird vielmehr ersichtlich, dass der Verurteilte die sofortige Beschwerde auch dann eingelegt hätte, wenn schon das Landgericht Hagen einen vorübergehenden Vollstreckungsaufschub gewährt hätte.

Ende der Entscheidung

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