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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 25/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 311
StPO § 455
StPO § 455 Abs. 4
StPO § 458
StPO § 458 Abs. 2
StPO § 462 Abs. 1
StPO § 462 Abs. 3 S. 1
StPO § 473 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren wegen Betruges in 41 Fällen, davon in 26 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen versuchten Betruges in 7 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. Dezember 2001 (Az. Kls 102 Js 325/01 14 (IX) B 6/01 bzw. 102 VRs 30/02 StA Dortmund).

Mit seinen an die Staatsanwaltschaft Dortmund gerichteten Anträgen vom 16. Juni 2008 und 10. Juli 2008 hat der Verurteilte Haftunterbrechung wegen gesundheitlicher Beschwerden beantragt.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2008 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund die Strafunterbrechungsgesuche abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass sich aufgrund der eingeholten Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt Bochum keine Gründe für eine Haftunterbrechung ergeben hätten. Die medizinische Behandlung könne in dem erforderlichen Umfang in der Justizvollzugsanstalt erfolgen.

Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte unter dem 31. Juli 2008 Einwendungen erhoben und die gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 StPO beantragt, die die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum durch Beschluss vom 17. Dezember 2008 zurückgewiesen und sich zur Begründung auf § 455 Abs. 4 StPO gestützt hat.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 29. Dezember 2008.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 462 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1, 458 Abs. 2, 455, 311 StPO statthafte und fristgemäß erhobene sofortige Beschwerde ist zulässig, kann in der Sache aber keinen Erfolg haben.

Die Staatsanwaltschaft hat die Unterbrechung der Strafvollstreckung zu Recht abgelehnt. Das Landgericht Bochum hat die Einwendungen des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist nichts zu erinnern.

Da sich der Beschwerdeführer im Strafvollzug befindet, beurteilt sich die Unterbrechung einer Freiheitsstrafe nach § 455 Abs. 4 StPO. Danach kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen werden, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt, wegen der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für ihn - den Verurteilten - zu besorgen ist, oder der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann und zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird.

Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.

Die Gewährung von Strafunterbrechung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Der Gefangene hat auf sie keinen Rechtsanspruch, sondern er kann ausschließlich die fehlerfreie Ausübung des Ermessens verlangen. Bei der von der Staatsanwaltschaft zu treffenden Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Die gerichtliche Entscheidung, die auf die Einwendungen nach § 458 Abs. 2 StPO zu treffen ist, beinhaltet lediglich die Überprüfung, ob die Strafvollstreckungsbehörde ermessensfrei entschieden hat, insbesondere, ob die Staatsanwaltschaft die Grenzen des Ermessens eingehalten und alle hierfür maßbeglichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat (vgl. KK-Fischer, StPO, 6. Auflage, § 455 Rdnr. 17; KG NStZ 1994, 255; OLG Thüringen OLG-NL 2003, 263; OLG Thüringen ZfStrVO 2004, 298; OLG Jena StV 2004, 84). Bei dieser Überprüfung ist die Strafvollstreckungskammer nicht befugt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde zu setzen. Die Ermessensprüfung erfordert jedoch, dass die Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessenentscheidung getroffen hat.

Im Falle der Strafunterbrechung ergibt sich aus der Einräumung des Ermessens, dass die Vollstreckungsbehörde auf der Grundlage sämtlicher ihr im Entscheidungszeitpunkt vorliegender Erkenntnisse eine Gesamtabwägung durchzuführen hat, bei der die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs einerseits und das Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte, insbesondere seiner durch Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheit, andererseits gegenüberzustellen sind und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Interessenausgleich herbeizuführen ist (BVerfG NStZ-RR 2003, 345).

Nach den vorstehend näher bezeichneten Maßstäben ist gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dortmund nichts zu erinnern. Zwar geht sie in der Begründung ihrer Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Art der Erkrankung des Beschwerdeführers, ihre Behandelbarkeit und ihre voraussichtliche Dauer ein. Dies ist vorliegend aber unschädlich. Aus den Ausführungen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft sich sehr wohl der Beschwerden und Erkrankungen des Beschwerdeführers bewusst war, denn sie hat den medizinischen Dienst um Äußerung gebeten. Die Staatsanwaltschaft und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer haben bereits die gesetzlichen Voraussetzungen von in der Vollzugsanstalt oder einem Vollzugskrankenhaus nicht zu erkennender oder zu behandelnder Erkrankungen verneint. So ist die Justizvollzugsanstalt unter dem 11. Juli 2008 dem Unterbrechungsantrag entgegengetreten. Sie hat den medizinischen Dienst um Äußerung gebeten. Der zuständige Anstaltsarzt Dr. I hat sich dahingehend geäußert, dass der Verurteilte nicht die Bedingungen einer Haftunterbrechung erfülle. Die noch laufende Diagnostik sei überwiegend wiederholend. Diese Ausführungen sind so zu verstehen, dass es sich bei dem von dem Verurteilten in seinen (neuerlichen) Anträgen beschriebenen Krankheitsbild nicht um neuartige Erkrankungen handelt. Vielmehr handelt es sich um Beschwerden, die bereits früheren Strafunterbrechungsanträgen zugrunde lagen und eine Strafunterbrechung aus medizinischen Gründen nicht notwendig machten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund der Stellungnahme des medizinischen Dienstes keine weiteren medizinischen Befunde erhoben hat. Ein Ermessensfehlgebrauch ist jedenfalls nicht festzustellen.

Nach alledem war das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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