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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 254/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 67 d
StGB § 57
Die Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist zwingend anzuordnen, sobald sich der Zweck der Unterbringung auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage als nicht mehr erreichbar herausstellt.
2 Ws 253/03 2 Ws 254/03 2 Ws 255/03

Beschluss

Strafsache

gegen T.T.

wegen schweren Raubes,

(hier: sofortige Beschwerde gegen die Anordnung gemäß § 67 d Abs. 5 StGB, gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung sowie die Anordnung von Führungsaufsicht).

Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten vom 19. September 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 16. September 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 10. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist am 7. Juli 1999 rechtskräftig durch das Landgericht Essen wegen schweren Raubes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer, schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer, Diebstahls in neun Fällen, Betruges in zwölf Fällen, Hehlerei und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, die seit dem 26. Juli 1999 vollzogen wird. Er befand sich zunächst im Westfälischen Therapiezentrum Marsberg "Bilstein". Am 22. Oktober 2001 wurde er in das Adaptionshaus Södingstraße in 58095 Hagen, einer Facheinrichtung für Drogenabhängige, verlegt. Während der Unterbringung wurde in der Vergangenheit mehrfach deren Fortdauer angeordnet, zuletzt noch mit Beschluss vom 3. Juli 2003.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 16. September 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach mündlicher Anhörung des Untergebrachten entschieden, dass

1.

die mit Urteil des Landgerichts Essen vom 7. Juli 1999 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67d Abs. 5 StGB nicht weiter zu vollziehen ist,

2.

die Aussetzung der noch offenen Restfreiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt und der Vollzug der Strafe angeordnet wird,

3.

mit der Entlassung des Betroffenen aus der Unterbringung Führungsaufsicht eintritt, deren Dauer auf drei Jahre bemessen wurde.

Ihre Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer damit begründet, dass eine Weiterbehandlung des Untergebrachten keine konkrete Aussicht auf Erfolg verspreche, wovon sie sich aufgrund der mündlichen Anhörung des Betroffenen sowie des für diesen zuständigen Sozialarbeiters im Adaptionshaus überzeugt habe. Der Untergebrachte habe anlässlich seiner Anhörung eingeräumt, im Verlauf der Therapie im Adaptionshaus gegen aufgestellte Regeln verstoßen und sich nicht intensiv genug um eine Arbeitsstelle oder ein Praktikum bemüht sowie im Jahr 2002 entgegen den Vorgaben der Therapie um die Auszahlung von Vorschüssen bei seinem Arbeitgeber gebeten zu haben. Er habe darüber hinaus eingestanden, seine erste Arbeitsstelle im Jahr 2002 und seine zweite Arbeitsstelle Mitte Juli 2003 aus eigenem Verschulden aufgegeben zu haben, Anfang Juli 2003 zweckbestimmtes Geld seines freigegebenen Sperrkontos anderweitig ausgegeben, einen Betrag in Höhe von etwa 150,00 EURO an Spielautomaten verspielt, nach seinem erneuten Einzug am 20. Juli 2003 im Adaptionshaus Zielvereinbarungen nicht eingehalten und Ende Juli 2003 im Adaptionshaus entgegen der Wahrheit vorgespiegelt zu haben, einer nächtlichen Arbeitsbeschaffung nachzugehen. Schließlich sei er am 01. August 2003 nach einer durchzechten Nacht volltrunken und aufgrund dieses Zustandes zunächst nicht ansprechbar gewesen. Der von der Strafvollstreckungskammer angehörte zuständige Sozialarbeiter habe die Behandlung des Beschwerdeführers gleichfalls als gescheitert angesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Der Untergebrachte hat gegen den vorgenannten Beschluss fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, die er jedoch nicht begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht die Unterbringung des Beschwerdeführers beendet.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht am 16. März 1994 (BGBl. I 3012) für nichtig erklärten § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB konnte das Gericht nachträglich bestimmen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist, wenn ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann. Entgegen dem Wortlaut dieser früher geltenden Norm liegt die Anordnung des weiteren Vollzugs einer - erfolglosen - Unterbringung jedoch nicht etwa im Ermessen des Gerichts, sondern nach der genannten verfassungsrechtlichen Entscheidung (BVerfG 91, 2 ff. = NStZ 1994, 578) darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglichen Prognose keine hinreichend konkrete Aussicht mehr auf einen Behandlungserfolg besteht. Folglich ist die Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwingend anzuordnen, sobald sich der Zweck der Unterbringung auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage als nicht mehr erreichbar herausstellt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Der Untergebrachte hat einen dahingehenden Rechtsanspruch, weil sich der Gesetzgeber in den §§ 67 bis 67 g StGB für ein System der nur teilweisen Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Freiheitsstrafe entschieden hat. Aufgrund ihrer lediglich beschränkten Anrechenbarkeit (vgl. §67Abs. Satz 1 StGB) kann der weitere Vollzug der Maßregel in Addition mit der Freiheitsstrafe aber zu einer Verlängerung der Freiheitsentziehung insgesamt führen. Die Fortdauer der Unterbringung verletzt deshalb das Freiheitsrecht des Probanden unabhängig von dessen Wünschen und Vorlieben, wenn sie mangels einer konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr geeignet ist, den Schutz der Allgemeinheit zu bewirken (vgl. BVerfG, a. a. O.).

So liegt der Fall hier. Die Strafvollstreckungskammer hat ausführlich dargelegt, dass ein weiterer Vollzug der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht mehr zu dessen Heilung und Besserung beitragen kann. Der Beschwerdeführer hat sich als therapieunwillig erwiesen, so dass dessen Unterbringung zwingend zu beenden war. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Untergebrachte anlässlich seiner mündlichen Anhörung am 10. September 2003 wie bei den früheren Anhörungen auch - wiederholt seinen Behandlungswillen bekundet hat. Sein Verhalten in der Vergangenheit immerhin befindet er sich seit dem 26. Juli 1999, mithin vier Jahre in der Entziehungsanstalt hat eindeutig gezeigt, dass er nicht bereit ist, aktiv an der ihm zugedachten Therapie mitzuwirken. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Unterbringung ihren Sinn verloren hat. Der Senat nimmt insoweit, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug.

2. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt hat, die Vollstreckung der noch offenen Restfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.

Es fehlt an einer positiven Prognose, d.h. einer begründeten Erwartung, der Verurteilte werde außerhalb des Strafvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen. Er verfügt weder über eine Arbeitsstelle noch eine Wohnung und hat keine finanziellen Mittel. Auch wenn der Verurteilte zu seiner Freundin und deren Eltern eine gute Beziehung unterhält, reicht dieser Umstand allein nicht aus, um eine günstige Prognose zu bejahen. Der Verurteilte hat durch sein Verhalten während der Unterbringung erkennbar gezeigt, dass er dazu neigt, über seine Verhältnisse zu leben, im Übermaß Alkohol zu sich zu nehmen und nicht lediglich geringfügige Geldsummen an Spielautomaten zu verspielen. Außerdem war er auch in der Vergangenheit nicht bereit, Tätigkeiten mit nur geringer Entlohnung auszuüben. Es steht daher zu befürchten, dass er in alte Verhaltensmuster verfällt und erneut straffällig wird. Zwar ist für die Annahme einer günstigen Prognose nicht erforderlich, dass ein Rückfall des Verurteilten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Unter Berücksichtigung des Schutzes der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftaten hängt das geforderte Maß der Wahrscheinlichkeit einer günstigen Prognose maßgeblich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes ab (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 57 Rdnr. 14 m. w. Nachw.). Der Beschwerdeführer ist aber vom Landgericht Essen wegen der Verwirklichung mehrerer Verbrechenstatbestände (schwerer Raub in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer sowie schwere räuberischer Erpressung in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer) verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen liegt bei dem Verurteilten eine Persönlichkeitsstörung vor, die aus psychiatrischer Sicht als dissoziale Persönlichkeit einzuordnen ist. Durch den Maßregelvollzug sollte eine psychosoziale Nachreifung und Festigung seiner Persönlichkeit bewirkt werden. Den Berichten der Therapieeinrichtung sowie dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. Brkanovic und des Dipl.-Psychologen Binder vom 7. November 2002 ist zu entnehmen, dass bei dem Verurteilten nach wie vor jedoch deutliche Defizite bestehen, die unvereinbar sind mit einem selbständigen und sozial angepassten Leben in Freiheit; danach hat er die erforderliche Entlassungsreife noch nicht erreicht. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, der Verurteilte werde außerhalb des Strafvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen. Voraussetzung hierfür wäre ein wesentlicher und stabiler Behandlungserfolg, der jedoch fehlt, was sich insbesondere in dem exzessiven Alkoholmissbrauch am 01. August 2003 zeigt.

3. Die Führungsaufsicht und die damit zusammenhängende Unterstellung unter die Bewährungsaufsicht tritt von Gesetzes wegen ein (§ 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB), und zwar unabhängig davon, ob der Verurteilte noch Strafhaft zu verbüßen hat (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1996, 567; KG NStZ-RR 2002, 138, 139). Der Gesetzgeber hat die Führungsaufsicht für eine Vollzugslage eingeführt, in der die Überführung des Probanden in den Strafvollzug die Regel ist und gleichwohl den Beginn der Führungsaufsicht ohne Ausnahme auf die Beendigung der Unterbringung bestimmt.

Die die Führungsaufsicht betreffenden Anordnungen sind deshalb zu diesem Zeitpunkt zu treffen. Insofern unterscheidet sich der § 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB nach seinem eindeutigen Wortlaut von § 68 f Abs. 1 StGB, der die Führungsaufsicht nach voller Verbüßung längerer Freiheitsstrafen betrifft und Führungsaufsicht erst mit der Entlassung in die Freiheit eintreten lässt.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO

Ende der Entscheidung

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