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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 286/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Leitsatz: Zur Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes im Fall des Widerrufs von Strafaussetzung zur Bewährung für vom Verurteilten nach § 56 f Abs. 3 S.2 StGB erbrachte Leistungen, wenn sich seit der Verurteilung die maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschneidend verändert oder die Einkünfte des Verurteilten sich allein aus strafbaren Tun ergeben haben.
Beschluss: Strafsache gegen S.S.,

wegen Förderung der Prostitution u.a.(hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 29. September 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 22. September 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 31. 10. 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die vom Verurteilten in Erfüllung der Bewährungsauflage erbrachte Leistung in der Weise angerechnet wird, dass 6 Monate der Freiheitsstrafe als verbüßt gelten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Essen am 31. Dezember 1997 wegen "Förderung der Prostitution in Tateinheit mit Zuhälterei in zwei Fällen" unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Gleichzeitig wurde ihm die Auflage erteilt, eine Geldbuße in Höhe von 30.000,- DM an das Frauenhaus in Essen zu zahlen. Diese Auflage hat der Verurteilte erfüllt.

Am 9. Juni 2000 verurteilte ihn das Landgericht Bochum wegen zahlreicher im Zeitraum von September 1997 bis Ende 1998 begangener Taten u.a. Förderung der Prostitution und Menschenhandel- zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren sechs Monaten.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum mit dem angefochtenen Beschluss die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und die gezahlte Geldbuße im Umfang von drei Monaten auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit der sofortigen Beschwerde rügt der Verurteilte die nach seiner Ansicht zu geringe Anrechnung der gezahlten Geldbuße auf die Freiheitsstrafe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache zumindest teilweise Erfolg.

Bezüglich des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung konnte die sofortige Beschwerde keinen Erfolg haben. Aufgrund der vom Beschwerdeführer während der Bewährungszeit begangenen zahlreichen einschlägigen und erheblichen Straftaten kommen mildere Maßnahmen als der Widerruf nicht in Betracht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Hinsichtlich des Umfangs der Anrechnung der gezahlten Geldbuße auf die Freiheitsstrafe hat die sofortige Beschwerde dagegen Erfolg. Der Senat hält die Anrechnung in Höhe von sechs Monaten für angemessen.

Nach § 56 f Abs. 3 S.2 StGB können Leistungen, die vom Verurteilten zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen erbracht worden sind, nach dem Widerruf der Strafaussetzung auf die Strafe angerechnet werden. Da die Form und der Umfang gesetzlich nicht geregelt ist, hat das Gericht deshalb den Anrechnungsmaßstab nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung ein angemessener Ausgleich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Genugtuung und Sühne für begangenes Unrecht dafür zu gewähren, dass Leistungen nicht erstattet werden (vgl. BGHSt 36, 378, 383).

Einen Anhaltspunkt kann zwar dabei grundsätzlich das Tagessatzsystem bieten (vgl. BGH NJW 1990, 1674, 1675). Es kann aber der vom Gesetz verfolgten Genugtuungsfunktion zuwiderlaufen, wenn sich wie hier- die für die Bestimmung des Tagessatzhöhe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschneidend verändert oder die Einkünfte des Verurteilten sich allein aus strafbaren Tun ergeben haben.

Bei der Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes muss deshalb im erheblichen Umfang auch die Funktion der Auflagen und Weisungen Berücksichtigung finden. Diese sollen den Verurteilten an die drohende Vollstreckung der Freiheitsstrafe erinnern und treten neben die sich allein aus der Strafaussetzung ergebende Drohung (vgl. OLG Celle NStZ 1992, 336, 337). Aus diesem Grund kann die vollständige Erfüllung einer Auflage nie zur vollständigen Erledigung der Strafe führen (OLG Celle. a.a.O.). Die in der Literatur vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. Horn in Strafverteidiger 1992, 540) vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da eine vollständige Erledigung einer Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Geldbuße der Entscheidung des Tatrichters zuwiderliefe, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe für erforderlich gehalten hat.

Im Hinblick darauf, dass das Landgericht Essen zwar einerseits die längste noch aussetzbare Freiheitsstrafe verhängt hat, aber andererseits dem Verurteilten auch eine erhebliche Geldbuße auferlegt hat, erscheint deshalb die Anrechnung von nur drei Monaten zu niedrig bemessen. Die Höhe der Geldbuße rechtfertigt es, sie mit einem Viertel der Freiheitsstrafe (= sechs Monate) in Beziehung zu setzen und in diesem Umfang die Anrechnung zu erklären. Eine noch umfangreichere Anrechnung würde demgegenüber der Genugtuungs- und Sühnefunktion nicht mehr gerecht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 u. 4 StPO, da das Rechtsmittel im Ergebnis nahezu keinen Erfolg gehabt hat.

Ende der Entscheidung

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