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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 290/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB §§ 56 f
Die Strafaussetzung zur Bewährung kann nicht mit der Weisung verbunden werden, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und deren Gebiet während der Bewährungszeit nicht zu betreten.
Beschluss

Strafsache

gegen A.B., alias A.L.

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubten Führens einer halbautomatischen Selbstladewaffe, (hier: Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung - § 57 Abs. 1 StGB).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München II vom 27. Oktober 2003 gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 20./22. Oktober 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 12. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm und des Verurteilten sowie seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Gründe:

Der Beschwerdegegner ist - unter dem Namen A.L., geboren am 16. November 1951 in Zeniza/Jugoslawien - durch Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts München II vom 28. Februar 1982 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat er am 4. Juli 1981 einem V-Mann des Bayerischen Landeskriminalamtes 925 g Heroinzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 38 %, welche sichergestellt werden konnte, zu einem Preis von 160.000,- DM zu verkaufen versucht.

Unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft wurde die Strafe zunächst in der Justizvollzugsanstalt Schwerte vollstreckt, bis der Verurteilte während einer Ausführung am 19. Juli 1984 entwich. Im Jahre 1996 wurde er in der Schweiz in anderer Sache festgenommen, am 4. November 1996 dort in Auslieferungshaft genommen und am 30. April 1997 an die deutschen Behörden ausgeliefert. Die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts München II wurde sodann in der Justizvollzugsanstalt Schwerte weitervollstreckt.

Nachdem der Verurteilte bereits durch unanfechtbaren Bescheid des Kreises Unna vom 15. April 1983 unbefristet aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden war, hat die Staatsanwaltschaft München II mit Verfügung vom 3. Juni 1998 von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe mit der Abschiebung des Verurteilten, frühestens zum 1. Dezember 1998, abgesehen. Der Verurteilte wurde daraufhin am 8. Dezember 1998 abgeschoben.

Am 27. November 2002 wurde der Verurteilte am Grenzübergang Weil am Rhein - Autobahn - bei seiner Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland in die Schweiz von Beamten der Schweizer Grenzwacht kontrolliert und dem Bundesgrenzschutz überstellt. Anschließend wurde er aufgrund des Vollstreckungshaftbefehls in vorliegender Sache wieder in Haft genommen.

Mit Verfügung vom 19. Februar 2003 lehnte die Staatsanwaltschaft München II den Antrag des Verurteilten, erneut von der weiteren Strafvollstreckung gemäß § 456 a StPO abzusehen, ab. Der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde hat der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht München mit Bescheid vom 15. April 2003 keine Folge geleistet; der diesbezügliche Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Mai 2003 verworfen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diesen Beschluss, der großenteils auch im nunmehr angefochtenen Beschluss zitiert worden ist, Bezug genommen.

Die Strafvollstreckungskammer hat nunmehr durch Beschluss vom 20. Oktober 2003 die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts München II vom 28. Januar 1982 mit der Maßgabe zur Bewährung ausgesetzt, dass der Verurteilte aus der Haft unmittelbar der Ausländerbehörde des Kreises Unna zur Abschiebung zu übergeben ist, sobald die Abschiebung möglich ist. Durch weiteren Beschluss vom 22. Oktober 2003 ist dieser Beschluss dahin ergänzt worden, dass die Bewährungszeit drei Jahre dauert und dem Verurteilten die Weisung erteilt wird, nach seiner Abschiebung nicht erneut nach Deutschland zurückzukehren. Zugleich ist ihm für den Fall seiner Rückkehr nach Deutschland der Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe angedroht worden und die Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewährung der Justizvollzugsanstalt Schwerte übertragen worden.

Die gegen diese Beschlüsse gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München II ist zulässig und hat zumindest vorläufig Erfolg.

Der vorläufige Erfolg des Rechtsmittels folgt aus der Unzulässigkeit der mit der Strafrestaussetzung verbundenen Weisung, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und deren Gebiet während der Bewährungszeit nicht zu betreten. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (NStZ 1987, 24 = GA 85, 517 = MDR 1985, 600, der sich das Landgericht Braunschweig in StV 2001, 240 LS und weitgehend auch die Literatur angeschlossen haben: LK-Gribbohm, StGB, 11. Aufl., § 56 c Rdnr. 27; SS-Stree, StGB, 26. Aufl., § 56 c Rdnr. 17, Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 56 c Rdnr. 4).

Demzufolge war ebenfalls entsprechend der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz der angefochtene Beschluss insgesamt und nicht nur die unzulässige Weisung aufzuheben, wenngleich die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungsentscheidung in an sich nicht zu beanstandender Weise insbesondere auf den starken persönlichen Eindruck, den der Verurteilte auf sie gemacht hat, gestützt hat. Auch wenn diesem Eindruck nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und auch der anderen Senate des Oberlandesgerichts Hamm in aller Regel eine besondere Bedeutung beizumessen ist, kann letztlich doch nicht ausgeschlossen werden, dass auch ohne die beanstandete Weisung eine Aussetzungsentscheidung zugunsten des Verurteilten getroffen worden wäre. Gerade deren Anordnung zeigt, dass die Strafvollstreckungskammer zu einer positiven Prognose möglicherweise nur in Verbindung mit der getroffenen Weisung gelangt ist.

Um dem Verurteilten nicht eine Instanz zu nehmen, war die Sache daher an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

Dem Verurteilten, der in seiner mündlichen Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer bekräftigt hat, tatsächlich A.B. zu heißen, inzwischen jedoch nicht mehr bestreitet, die unter dem Namen A.L. am 28. Januar 1982 verurteilte Person zu sein, steht es im Übrigen frei, bei der Vollstreckungsbehörde erneut einen Antrag gemäß § 456 a StPO auf Absehen von der weiteren Strafvollstreckung zu stellen, zumal er sich inzwischen seit seiner erneuten Inhaftierung am 27. November 2002 wiederum mehr als ein Jahr in Haft befindet und 2/3 der verhängten Strafe seit dem 23. Oktober 2003 verbüßt sind.

Bei einer solchen Maßnahme wäre im Übrigen der von der Strafvollstreckungskammer beabsichtigte Erfolg einer auch vom Verurteilten gewünschten Ausreise nach Bosnien-Herzegovina mit der Sanktion der erneuten Verhaftung und weiteren Strafvollstreckung bei einer Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erreichen.

Ende der Entscheidung

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