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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 313/2000
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 81
StGB § 20
StGB § 21
Leitsatz

Zu den Anforderungen an den Beschluss, mit dem die Unterbringung des Angeklagten zur Beobachtung im Rahmen der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit angeordnet wird.


Beschluss: Strafsache gegen K.H., wegen schwerer räuberischer Erpressung (hier: Sofortige Beschwerde der Betreuerin der Beschuldigten gegen die Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung).

Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin der Beschuldigten gegen den Beschluss der 1. großen auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 19. Oktober 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 1. großen auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 19. Oktober 2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die 1. große auswärtige Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen die Beschuldigte ist ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer räuberischer Erpressung anhängig. In diesem hat die 1. große auswärtige Strafkammer des Landgerichts Bochum am 27. September 2000 zunächst angeordnet, dass zu der Frage, ob aus psychiatrischer Sicht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Beschuldigten im Sinn der §§ 20, 21 StGB die Unterbringung der Beschuldigten zur Beobachtung in dem Westfälischen Zentrum für Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn erforderlich sei, ein ärztliches Gutachten eingeholt werden soll. Mit der Erstattung des Gutachtens hat sie den Arzt für Psychiatrie Leitenden Landesmedizinaldirektor i.R. Dr. med. Achim T. beauftragt. Nach Anhörung des Sachverständigen hat die Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss die Unterbringung der Beschuldigten angeordnet. Hiergegen wendet sich die Betreuerin der Beschuldigten mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:

"Die gem. § 81 Abs. 4 StPO statthafte und gem. § 311 Abs. 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Die Befugnis der Betreuerin im Rahmen ihres Aufgabenkreises zur Einlegung der Beschwerde ergibt sich aus § 298 StPO.

Die Annahme des erforderlichen dringenden Tatverdachts einer schweren räuberischen Erpressung begegnet zwar keinen Bedenken. Das Landgericht hat den dringenden Tatverdacht zutreffend aufgrund der Angaben der Zeugen PHM C. und PK S. (Bl. 2 d.A.), R., J. (Bl. 13 - 17 d.A.), dem Lichtbild der Videoüberwachung (Bl. 18 d.A.) sowie den Angaben der Beschuldigten selbst (Bl. 48 d.A.) bejaht.

Auch die Einholung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Beschuldigten, im vorliegenden Fall zur Prüfung der Schuldfähigkeit gem. §§ 20, 21 StGB, erscheint im Hinblick auf die Erkrankung der Beschuldigten und deren auffälliges Verhalten bei und unmittelbar nach der Tat unerlässlich.

Das Landgericht ist jedoch der in § 81 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Anhörungspflicht zur Frage des Erfordernisses der Unterbringung zur Beobachtung zwecks Vorbereitung des Gutachtens nicht ausreichend nachgekommen. Zwar ist der Arzt für Psychiatrie Dr. med. A.T. gehört worden; das Gericht ist auch grundsätzlich nicht an die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 81 Rdnr. 13). Die Stellungnahme des Sachverständigen, aus psychiatrischer Sicht solle ein Epileptologe gehört werden, der auch darüber befinden sollte, ob aus fachlicher Sicht eine stationäre Beobachtung der Beschuldigten in einer Klinik für Epileptologie erforderlich sei, gibt für die hier in Rede stehende Frage nichts her. Bereits deshalb erscheint es geboten, einen weiteren Sachverständigen anzuhören (zu vgl. OLG Hamm, NJW 1957, 1290).

In diesem Zusammenhang leidet der angefochtene Beschluss auch an folgendem Mangel:

Die Unterbringung gem. § 81 StPO darf nur dann angeordnet werden, wenn sie unerlässlich ist (BVerfG NJW 1963, 2368, 2370; BVerfG StV 1995, 617), wenn also der psychische Zustand des Beschuldigten anders nicht beurteilt werden kann (Karlsruhe NJW 1973, 573). Sie ist insbesondere unzulässig, wenn der Sachverständige durch ambulante Untersuchungen ein genügend sicheres Bild gewinnen kann (OLG Düsseldorf, StV 1993, 571; OLG Frankfurt StV 1996, 51). Dem angefochtenen Beschluss sind jedoch irgendwelche Gründe, weshalb die Unterbringung der Beschuldigten zur Begutachtung unerlässlich ist, nicht zu entnehmen (zu vgl. OLG Frankfurt StV 1986, 51; OLG Karlsruhe NJW 1973, 573).

Letztendlich ist zu bemerken: Die pauschale Einweisung für die gesetzliche Höchstdauer von sechs Wochen ist unzulässig; die Anhörung des Sachverständigen muss sich vielmehr auch auf die voraussichtliche notwendige Dauer erstrecken (OLG Karlsruhe, a.a.O.)."

Diesen zutreffenden Ausführungen, die der obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere auch der der Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm entsprechen, tritt der Senat nach eigener Prüfung bei. Demgemäss waren der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die auswärtige Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen. Diese wird, da eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat nicht ergangen ist, auch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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