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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.01.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 331/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454 Abs. 1 Satz 3
Leitsatz:

Zur Frage, wann im Strafvollstreckungsverfahren bei der mündlichen Anhörung die Anwesenheit eines Verteidigers erforderlich ist.


2 Ws 331/00 OLG Hamm Senat 2

Beschluss

Strafsache gegen D.L.,

wegen schweren Raubes

(hier: Ablehnung der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung und Festsetzung einer Sperrfrist - § 57 Abs. 1 u. 6 StGB).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 13. November 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 31. Oktober 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.01.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

Der vielfach, auch einschlägig, vorbestrafte Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 22. November 1995 wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten verurteilt worden.

2/3 dieser Strafe hatte er am 11. Oktober 1999 verbüßt; das Strafende ist auf den 31. August 2001 berechnet.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung abgelehnt und eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt, vor deren Ablauf ein neuer Antrag auf Aussetzung eines Strafrestes unzulässig ist.

Zu der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Verurteilten hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 18. Dezember 2000 u.a. folgendes ausgeführt:

"Verfahrensfehler, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen könnten, liegen nicht vor.

Unbeachtlich ist insbesondere, dass die Strafvollstreckungskammer die mündliche Anhörung des Verurteilten ohne dessen Verteidiger vorgenommen hat.

Zwar gibt der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens dem Verurteilten in analoger Anwendung der §§ 163 a Abs. 1 Abs. 3 Satz 2, 168 c Abs. 1, Abs. 5 StPO das Recht, bei seiner mündlichen Anhörung im Verfahren zur Aussetzung eines Strafrestes gemäß § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen. Der Verteidiger hat auch ein Recht zur Teilnahme an der mündlichen Anhörung. Dem in der Regel rechtsunkundigen und wenig handlungskompetenten Verurteilten ermöglicht erst ein unabhängiger, von ihm selbst gewählter und zur Hilfe verpflichteter Rechtsbeistand die sachgerechte und den Interessen entsprechende Wahrung und Ausübung der prozessualen Rechte und Möglichkeiten auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen, indem die tatsächlichen und rechtlich bedeutsamen Umstände vorgetragen werden (BVerfG, NJW 1993, 2301).

Allerdings gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Verurteilten nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf einen Rechtsbeistand. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Strafgefangenen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Verfahrens. Grundsätzlich ist es daher auch bei Anerkennung eines Rechtes zur Teilnahme eines Wahlverteidigers an der mündlichen Anhörung nicht Aufgabe des Gerichts, diesen von dem Termin zu benachrichtigen. Der Verurteilte muss selbst Vorsorge dafür treffen, dass sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt (BVerfG a.a.O.; BVerfG, StV 1993, 313).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die mündliche Anhörung kurzfristig terminiert ist. In diesem Fall muss das Gericht den Verteidiger benachrichtigen, weil sonst der Anspruch auf ein faires Verfahren nicht zu realisieren ist und praktisch ins Leere läuft (BVerfG, a.a.O.; Bringewat, NStZ 1996, 17, 18). Dieser Verpflichtung ist die Strafvollstreckungskammer - im Hinblick auf den durch Verfügung vom 24.10.2000 angesetzten Anhörungstermin am 31.10.2000 - nachgekommen, indem sie dem Verteidiger eine am 26.10.2000 zur Post gegebene Nachricht (Bl. 131 d. A.) hat zukommen lassen (zu vgl. Bl. 131 VH) und demzufolge die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um den Verteidiger von dem Anhörungstermin in Kenntnis zu setzen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Verteidiger die Benachrichtigung seinem eigenen Vorbringen nach erst am 02.11.2000 erhalten hat (zu vgl. Bl. 140, 143 VH). Zwar ist der Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung auch dann verletzt, wenn dem Vollstreckungsgericht die Versäumnis der Benachrichtigungspflicht des Verteidigers nicht angelastet werden kann, da es insoweit auf ein Verschulden nicht ankommt (zu vgl. BVerfG, StV 1994, 553). Vorliegend ist die Strafvollstreckungskammer ihrer Benachrichtigungspflicht jedoch - rechtzeitig - nachgekommen. Das Benachrichtigungsschreiben vom 24.10.2000 ist auch ordnungsgemäß an den Verteidiger des Verurteilten adressiert (Bl. 143 VH) und ausweislich des Ab-Vermerks am 26.10.2000 zur Post gegeben worden (zu vgl. Bl. 131 VH), so dass unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeiten die Nachricht am 27.10.2000 bei dem Verteidiger hätte eingehen müssen. Für eine ordnungsgemäße Zustellung musste die Strafvollstreckungskammer nicht Sorge tragen. Zwar empfiehlt es sich, sowohl den Verurteilten gegen Zustellungsnachweis als auch den Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis von dem Anhörungstermin in Kenntnis zu setzen (Bringewat, a.a.O.); dies ist jedoch nur zweckmäßig, nicht geboten (OLG Zweibrücken, StV 1993, 315, 316).

Die gemäß § 454 Abs. 3 StPO, 57 StGB statthafte und fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 57 Abs. 1 StGB kommt eine Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von 2/3 der verhängten Strafe nur dann in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann zu erproben. Dieser Einschätzung sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat und sein Verhalten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

Unter Zugrundelegung dieser vom Gesetz wegen zu berücksichtigenden Kriterien und des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung, in der der Verurteilte sich uneinsichtig und verbal aggressiv zeigte, hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht eine positive Prognoseentscheidung nicht getroffen.

Der Verurteilte ist seit 1984 laufend, zum Teil einschlägig, straffällig geworden und hat mehrere ihm eingeräumte Bewährungschancen nicht genutzt.

Entgegen dem Vorbringen des Verurteilten waren die Vorbelastungen bei der Prognoseentscheidung auch zu berücksichtigen. Für die Entscheidung, ob eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist insbesondere das Vorleben des Täters von Bedeutung, wobei die Vorstrafen vor allem, wenn sie einschlägig sind, in der Regel gegen den Verurteilten sprechen. Ist der Verurteilte bereits mehrfach einschlägig straffällig geworden und musste dabei wiederholt eine Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden, so kann in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er, wenn ihm erneut Gelegenheit gegeben wird, sich anders als in der Vergangenheit verhalten wird (BGH, NStZ 1988, 451, 452).

Des Weiteren hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend in ihre Entscheidung miteinbezogen, dass der Verurteilte zu einer Mitarbeit im Vollzug nicht bereit und sein vollzugliches Verhalten keinesfalls beanstandungsfrei war, der Verurteilte vielmehr während der Haftzeit erneut straffällig geworden und deswegen auch rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Entlassungssituation des Verurteilten rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Kontaktaufnahme des Verurteilten zu seinen Eltern, Frau Heike K. und der gemeinsamen Tochter vermag nicht die Annahme zu begründen, der Verurteilte werde in Zukunft straffrei leben, zumal die Eltern des Verurteilten bereits in der Vergangenheit keinen günstigen Einfluss auf den Lebensstil des Verurteilten haben nehmen können.

Da die Strafvollstreckungskammer eine Entlassung des Verurteilten nicht in Erwägung gezogen hat, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht erforderlich."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei, so dass die sofortige Beschwerde auch aus den im Übrigen zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen letztlich nicht ausgeräumt werden, zu verwerfen war. Einer günstigen Zukunftsprognose steht zudem entgegen, dass der Beschwerdeführer während der Haftzeit mehrfach mit Disziplinarverstößen, zuletzt im Mai 2000, aufgefallen ist, was ebenfalls Ausdruck seiner Unzuverlässigkeit und Labilität ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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