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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 331/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 28 |
Beschluss
Strafsache
gegen O.K.
wegen schweren Raubes,
(hier: sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 17. September 2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 10. September 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 11. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. März 2004 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden und verbüsste diese zunächst in der Justizvollzugsanstalt Dortmund.
Wegen eines Selbstmordversuchs wurde er am 4. Juni 2007 in die Justizvollzugsanstalt Schwerte verlegt.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund legte der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Akten zur Prüfung der bedingten Entlassung zum Zweidrittel-Termin am 16. August 2007 im Juli 2007 vor. Der zuständige Richter der Strafvollstreckungskammer gab die Akten zur Prüfung, ob die Vollstreckungsbehörde im Fall der Abschiebung des Verurteilten gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Strafe absehen wolle, zunächst an die Staatsanwaltschaft Dortmund zurück. Dort wurde durch Nachfrage beim Ausländeramt Dortmund festgestellt, dass eine Abschiebung vor Ablauf des 16. August 2007 nicht mehr möglich war. Die Akten wurden deshalb erneut dem Landgericht Hagen vorgelegt, bei dem sie am 8. August 2007 eingingen. Wegen des anstehenden Zweidrittel-Termins und eines von ihm geplanten Erholungsurlaubs bestimmte der zuständige Richter den Anhörungstermin kurzfristig auf den 14. August 2007. Der Verteidiger des Verurteilten, der sich zuvor zu den Akten gemeldet hatte, beantragte per Telefaxschreiben vom 13. August 2007, den Termin zu verlegen. Nachdem die beantragte Terminsverlegung nicht erfolgt war, lehnte der Verteidiger namens des Verurteilten mit Schriftsatz vom selben Tage den zuständigen Richter der Strafvollstreckungskammer ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass ihm bisher keine Akteneinsicht ermöglicht worden sei und sich deshalb der Eindruck aufdränge, dass der Verteidiger vom Anhörungstermin ausgeschlossen und mit dem Verurteilten "kurzer Prozess" gemacht werden solle. Der Anhörungstermin wurde daraufhin nicht durchgeführt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen unter Bezugnahme auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vom 14. August 2007 das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 17. September 2007 eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten.
Inzwischen ist der Verurteilte am 19. September 2007 zwecks Abschiebung in die Türkei aus der Haft entlassen.
II.
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt, § 28 Abs. 2 S. 1, § 311 Abs. 1, 2 StPO.
Die Regelung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2007, 222). Nach dieser Vorschrift kann der das Befangenheitsgesuch ablehnende Beschluss nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Erkennender Richter im Sinne dieser Bestimmung ist der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufene Richter (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 28, Rdnr. 6 m.w.N.). Diese Ausnahmevorschrift ist nicht anzuwenden auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer gemäß den § 57 Abs. 1 StGB i.V.m. § 454 StPO. Die an diesen Entscheidungen mitwirkenden Richter sind keine erkennenden Richter i.S.d. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO.
Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO dient vor allem der Prozesswirtschaftlichkeit. Sie soll verhindern, dass eine anberaumte oder bereits begonnene Hauptverhandlung wegen eines Ablehnungsverfahrens mit anschließendem Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden kann (vgl. KK-Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 28, Rdnr. 3). Eine vergleichbare Situation ist bei der Entscheidung, ob eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, § 57 Abs. 1 StGB, § 454 Abs. 1 StPO, nicht gegeben. Diese Entscheidung wird vielmehr gemäß § 454 Abs. 1 S. 1 StPO ohne mündliche Verhandlung, nur nach mündlicher Anhörung des Verurteilten durch Beschluss getroffen, so dass schon aus diesem Grund keine erweiternde Auslegung des § 28 Abs.2 S. 2 StPO erforderlich ist.
Im Übrigen spricht der Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO gegen dessen Anwendbarkeit auch auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern gemäß den §§ 57 Abs. 1 StGB, 454 Abs. 1 StPO. Bei den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer handelt es sich schon nicht um Urteile, sondern, wie erwähnt, um Beschlüsse. Dazu kommt, dass § 28 Abs. 2 S. 2 StPO als Ausnahmevorschrift zur grundsätzlich gegebenen Anfechtbarkeit der Entscheidungen ausgestaltet ist (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2007, 222).
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg (vgl. NStZ 2005, 296) ergibt sich daraus, dass die Strafvollstreckungskammer in Strafvollzugssachen nach überwiegender Auffassung als erkennendes Gericht angesehen wird und dass auch im Rahmen der zu § 305 StPO ergangenen Rechtsprechung die Strafvollstreckungskammer als erkennendes Gericht angesehen worden ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O. m.w.N.), nichts anderes. Zu berücksichtigen ist insoweit nämlich zum einen, dass das Rechtsmittelverfahren gegen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer in Strafvollzugssachen anders ausgestaltet ist als das Rechtsmittelverfahren gegen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern in Strafvollstreckungssachen. Insoweit ist das vom Oberlandesgericht Brandenburg angeführte Argument der Unübersichtlichkeit der Rechtswege nicht stichhaltig. Zum anderen sind die Regelungsgehalte der § 305 StPO und § 28 Abs. 2 StPO gänzlich unterschiedlich, so dass auch die zu § 305 StPO ergangene Rechtsprechung nicht uneingeschränkt auf die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern in Strafvollstreckungssachen anwendbar ist.
Nach Auffassung des Senats hat es deshalb bei der isolierten Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 28 Abs.2 S. 1 StPO zu verbleiben.
Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist auch nicht deshalb entfallen, weil der Verurteilte inzwischen abgeschoben ist und deshalb keine Hauptsacheentscheidung mehr zu treffen wäre. Vielmehr ist eine Entscheidung über die Strafrestaussetzung auch dann zu treffen, wenn der Verurteilte sich nicht in Strafhaft befindet, weil er, wie vorliegend geschehen, in sein Heimatland abgeschoben wurde (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 57 Rdnr. 33; OLG Stuttgart, StV 2003, 677; Senatsbeschluss vom 19. August 2004 in 2 Ws 198/04).
2. Die danach zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 24 Rdnr. 8 m.w.N.). Dabei ist insbesondere maßgebend der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten. Dieser muss daher Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.). Bei der Beurteilung ist insbesondere die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zu berücksichtigen, in der dieser auch die Sachlage klarstellen kann (vgl. BGH, NStZ, 06, 49).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Kammer in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass die beantragte und mit dem Befangenheitsgesuch beanstandete Ablehnung der Terminsverlegung lediglich auf sachlichen Erwägungen beruhte. Dies war spätestens durch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vom 14. August 2007 klargestellt. Soweit der Beschwerdeführer weiter geltend macht, dass sein Verteidiger bis dahin keinerlei Akteneinsicht erhalten habe, beruhte dies im Übrigen darauf, dass er erst mit Schriftsatz vom 13. August 2007 einen konkreten Antrag auf Akteneinsicht gestellt hatte. Zuvor hatte er lediglich von der Staatsanwaltschaft Dortmund erbeten, eine Abschrift der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu erhalten. Hierauf hatte der abgelehnte Richter keinerlei Einfluss. Schon daraus ergibt sich, dass kein Grund besteht, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln.
Im Übrigen weist die Strafvollstreckungskammer zu Recht darauf hin, dass der weitere Schriftsatz des Verteidigers des Beschwerdeführers vom 24.08.2007 dafür spricht, dass es dem Verurteilten weniger um die Frage der Befangenheit des abgelehnten Richters ging als vielmehr darum, eine Terminsverlegung zu erreichen. Hierfür ist das Ablehnungsverfahren nicht das geeignete Mittel.
Die Beschwerde des Verurteilten war deshalb auf seine Kosten, § 473 Abs. 1 StPO, als unbegründet zu verwerfen.
Ende der Entscheidung
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