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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.09.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 375/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
Zur ausreichenden Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsantrages, wenn geltend gemacht wird, die Benachrichtigung über die Niederlegung habe den Beschuldigten deshalb nicht erreicht, weil sie aus seinem Briefkasten entwendet worden sei.
Beschluss Strafsache gegen S.G. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich eines Strafrestes und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 18. Juli 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 5. März 2002 sowie den zugleich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 09. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Wiedereinsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde werden als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahren trägt der Beschwerdeführer.

Gründe:

Durch Senatsbeschluss vom 14. März 2000 (2 Ws 65/00) ist - in Abänderung der damaligen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer - im vorliegenden Verfahren der Strafrest von noch 43 Tagen gemäß § 57 Abs. 1 StGB für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den genannten Senatsbeschluss Bezug genommen.

Durch den nunmehr angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 5. März 2002, der dem Verurteilten am 11. März 2002 durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden ist, ist die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden.

Mit der am selben Tag eingegangenen sofortigen Beschwerde, die durch Schriftsatz des Verteidigers vom 18. Juli 2002 eingelegt worden ist, ist zugleich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde verbunden worden.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

Es kann dahinstehen, ob der Wiedereinsetzungsantrag nicht schon deshalb unzulässig ist, weil der Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses, nämlich Kenntnis des Verurteilten von dem Widerruf, nicht mitgeteilt worden ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 45 Rdnr. 5).

Mit dem Antrag teilt der Verteidiger zwar mit, dass er am 16. Juli 2002 durch einen Anruf bei der Staatsanwaltschaft Hagen erfahren habe, dass der Widerrufsbeschluss am 11. März 2002 dem Verurteilten durch Niederlegung zugestellt worden sein soll und dass der Verurteilte selbst weder diesen Beschluss noch eine Aufforderung zur Stellungnahme vor Erlass dieses Beschlusses noch eine Ladung zum Strafantritt erhalten habe. Nicht mitgeteilt wird allerdings, aus welchem Grund und zu welchem Zeitpunkt der Verurteilte Anlass gesehen hat, seinen Verteidiger zu beauftragen.

In diesem Zusammenhang kann der Akte nämlich entnommen werden, dass die Ladung zum Strafantritt des Verurteilten am 14. Mai 2002 durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden ist, die der Verurteilte allerdings - wie seiner Beschwerdebegründung entnommen werden kann - ebenfalls nicht erhalten haben will. Darüber hinaus ist aber ein einfaches Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 29. Mai 2002, welches am 3. Juni 2002 abgeschickt worden ist, eine Umladung betreffend die Justizvollzugsanstalt, in der sich der Verurteilte zum Strafantritt anzumelden gehabt hätte, formlos an ihn übersandt worden. Ferner hat nach Erlass des Vollstreckungshaftbefehls vom 12. Juni 2002 der mit der Vollstreckung beauftragte Polizeibeamte, dem zudem noch ein weiterer Vollstreckungshaftbefehl vorlag (7 VRs 152/99 StA Dortmund) mehrfach die Anschrift des Verurteilten aufgesucht und, nachdem er ihn nicht angetroffen hatte, eine Visitenkarte an der Wohnungstür hinterlassen. Hätte dies schon Anlass gegeben, zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses Näheres darzulegen, ist der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls mangels Glaubhaftmachung als unzulässig zu verwerfen. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend folgendes ausgeführt:

"Zwar hat der Verurteilte, um seine Behauptung, die Tür seines Briefkastens sei durch Dritte so stark aufgebogen worden, dass Briefe entwendet werden könnten, wahrscheinlich zu machen, eine Abschrift der von seinem Verteidiger gefertigten Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Diebstahls und Verletzung des Briefgeheimnisses beigefügt (Bl. 83, 84 Bew.H.). Damit ist der Vortrag des Verurteilten aber nicht in hinreichendem Maße glaubhaft gemacht. Gegen die Strafanzeige als Mittel der Glaubhaftmachung spricht, dass sie erst zum Zeitpunkt des Wiedereinsetzungsantrages erstattet worden ist, obwohl der Verurteilte nach eigenen Angaben bereits seit längerer Zeit den "vagen Verdacht" hatte, dass sich jemand an seiner Post "vergreift". Der Vortrag ist unabhängig davon deswegen nicht wahrscheinlich gemacht, weil weitere Mittel, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens darzutun, vorhanden sind. Der Verurteilte hätte nämlich eine eidesstattliche Versicherung eines Hausmitbewohners vorlegen können, aus der sich ergibt, dass die ins Hausinnere zeigende Tür seines Briefkastens so stark aufgebogen war, dass Briefe durch den entstehenden Spalt entfernt werden könnten. Dieses Mittel der Glaubhaftmachung wäre dem Verurteilten auch möglich gewesen."

Das Vorstehende gilt umso mehr, als auffällig ist, dass gerade und offenbar ausschließlich zahlreiche Schriftstücke der Justizbehörden bzw. Benachrichtigungen über erfolgte Niederlegungen dem Briefkasten von Unbekannten entnommen worden sein sollen. Hinzu kommt, dass der Verurteilte, der zwar kaum Kontakt zu seinem Bewährungshelfer gehalten hat, andererseits aber zahlreiche Aktivitäten, über die er in seiner Beschwerdebegründung berichtet, entfaltet hat, jedoch über Monate hinweg gerade gegen die angeblichen Manipulationen an seinem Briefkasten, die er durchaus bemerkt hatte, nichts unternommen hat.

Da aber auch die Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzung für den Wiedereinsetzungsantrag ist, war dieser als unzulässig zu verwerfen.

Zugleich war die nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegte sofortige Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass auch bei rechtzeitiger Einlegung der sofortigen Beschwerde den in jeder Hinsicht zutreffenden Gründen des angefochtenen Widerrufsbeschlusses vom 5. März 2002 beizutreten gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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