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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.01.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 384/07
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 74
JGG § 109 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte ist durch Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Hagen vom 21. Juni 2007 wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Die Jugendkammer hat von der Auflegung von Kosten und Auslagen auf den Angeklagten abgesehen, ihm jedoch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger - dabei handelt es sich um die Eltern des Opfers und deren Schwester - auferlegt. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Angeklagten, mit dem er insbesondere geltend macht, dass die Jugendkammer das ihr eingeräumte Ermessen nicht zutreffend ausgeübt habe.

Die Jugendkammer hat ihre Kostenentscheidung wie folgt begründet:

"Die Kammer hat unter Absehung von der Auferlegung von Kosten und Auslagen im Übrigen dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenkläger auferlegt.

Dies hielt die Kammer in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zur weiteren erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten und unter Berücksichtigung des Gedankens des Täter-Opfer-Ausgleichs für angemessen und im vorliegenden Fall geboten.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die den Angeklagten treffende finanzielle Belastung angesichts der Dauer der Hauptverhandlung und der Mitwirkung von 2 Nebenklagevertretern ganz erheblich sein dürfte, sowie dass der Angeklagte derzeit nicht in der Lage ist, diese Forderungen aus eigenen Mitteln zu begleichen. Er muss weiterhin mit einer ganz erheblichen Zinslast rechnen.

Es war jedoch zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall die Kosten der Nebenklage im besonderem Maße als Folge der Straftat erscheinen. Die Beteiligung an dem Strafverfahren als Nebenkläger war hier aus Sicht der Eltern und der Schwester der getöteten O, die durch die Tat des Angeklagten zu tiefst betroffen sind, namentlich erforderlich, um das Schicksal der Tochter beziehungsweise Schwester zu verstehen. Es ist aus Sicht der Kammer notwendig, dem Angeklagten durch die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger vor Augen zu führen, dass auch und gerade die Nebenkläger zu den Opfern seiner Tat zählen und hier die Nebenklage und die dabei entstehenden Auslagen gerade Ausdruck dieser Opferstellung sind.

Im Hinblick auf die mangelnde Fähigkeit des Angeklagten, für sein eigenes Handeln die Verantwortung zu übernehmen, erscheint es zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten geboten, ihn auch wirtschaftlich in eingeschränktem Umfang wegen der Folgen der Tat zur Verantwortung zu ziehen.

Zudem wird der Angeklagte durch die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklage gezwungen sein, erstmals in seinem Leben auch die finanzielle Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen, nachdem bisher in vergleichbaren Situationen, wie etwa bei der Wiedergutmachung des Schadens, der bei der Unterschlagung der für die Abiturfeier bestimmten Gelder entstanden ist, seine Eltern für ihn eingetreten sind und er selbst daher von den wirtschaftlichen Folgen seines Verhaltens nie getroffen wurde.

Es wäre aus Sicht der Kammer im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Angeklagten ein falsches Signal, wenn der Angeklagte trotz des immensen Tatunrechts und der weitreichenden Folgen der Tat insbesondere für die nächsten Angehörigen der getöteten O erneut von den unmittelbar aus der Tat folgenden wirtschaftlichen Konsequenzen seines Tuns freigestellt würde."

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen. Sie hat ihren Antrag wie folgt begründet:

"Die Entscheidung, dem zur Tatzeit Heranwachsenden Verurteilten gemäß § 74 i. V. m. § 109 Abs. 2 JGG die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 09.11.1962, NJW 1963, 1168 ff.).

Maßstab der Ermessensentscheidung ist einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung des Verurteilten zu vermeiden, andererseits ihm durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass er für die Folgen seines Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei kommt bei einem Heranwachsenden - wie hier - die Auferlegung von Kosten und Auslagen eher in Betracht als bei einem Jugendlichen.

Die Kammer hat sich erkennbar und ausführlich mit diesen Abwägungsfaktoren auseinandergesetzt. So hat sie dem Verurteilten ausschließlich die Kosten der Nebenklage und auch insoweit lediglich deren notwendigen Auslagen aufgebürdet. Dabei hat sie - entgegen der Auffassung der Beschwerde - ermessensfehlerfrei sowohl die wirtschaftliche Belastung berücksichtigt, als auch die durch die Kostenentscheidung begründete Einwirkung auf den Verurteilten, in Zukunft Einkünfte erzielen zu müssen, um die Nebenkläger, die nicht mutwillig in die Nebenklage eingetreten sind, zumindest von deren notwendigen Auslagen freizustellen. Es entspricht der Rechtsprechung des OLG Hamm, dass bei der Abwägung der Auferlegung von Kosten auch das von dem Verurteilten verwirklichte Tatunrecht - wie hier - Berücksichtigung finden kann (OLG Hamm, a.a.O., m. w. N.).

Eine weitergehende Differenzierung dahin, ob die notwendigen Auslagen ganz oder nur zum Teil dem Verurteilten aufzuerlegen waren, unterliegt nicht der Ermessensüberprüfung durch das Beschwerdegericht und würde den ausdrücklich weiten Spielraum, den die Vorschrift des § 74 JGG dem Tatrichter eröffnet (OLG Hamm a.a.O.), einengen. Aus den Ausführungen der Kammer zu der getroffenen Kostenentscheidung geht auch hervor, dass sie sich der Tatsache bewusst war, dass den Verurteilten die Kostenlast von zwei Nebenklagevertretern trifft. Ein Ermessensfehlgebrauch ist auch in dieser Hinsicht aufgrund der im Übrigen getroffenen Differenzierung nicht erkennbar.

Durch die angegriffene Kostenentscheidung wird der Verurteilte - auch unter Berücksichtigung der ihn treffenden Zinslast - zudem nicht in einer Weise in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eingeengt, dass ihm eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach seiner Haftentlassung verwehrt wäre."

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Demgemäss war die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zu verwerfen. Der Senat weist darauf hin, dass die von der Jugendkammer nach § 74 JGG getroffene Ermessensentscheidung nur in begrenztem Umfang der Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt, nämlich dann, wenn das Ermessen rechtlich fehlerhaft ausgeübt worden ist (vgl. OLG Hamm NJW 1963, 1168; OLG Jena StV 1998, 351 = NStZ-RR 1998, 153). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die von der Jugendkammer angestellten Erwägungen tragen die Entscheidung, dem Angeklagten zumindest die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen. Der Senat verkennt nicht, dass auf den Angeklagten damit erhebliche finanzielle Belastungen zukommen werden. Allerdings erscheint auch dem Senat dies aus erzieherischen Gründen notwendig. Dass ggf. auch eine andere Ermessensentscheidung hätte getroffen werden können und vertretbar gewesen wäre, führt nicht dazu, die Entscheidung der Jugendkammer als ermessensfehlerhaft anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



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