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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.01.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 4/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Hält sich der Verurteilte entgegen ihm erteilter Bewährungsauflagen mit unbekanntem Wohnsitz im Ausland auf, hat er es selbst zu vertreten, wenn er nicht über die Einleitung des Widerrufsverfahrens informiert werden kann.
2 Ws 4/05 2 Ws 5/05

Beschluss

Strafsache

gegen R.A.

wegen Beilhilfe zur Steuerhinterziehung (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung und Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 1. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hagen vom 02. November 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 01. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird auf seine Kosten verworfen.

Der Antrag von Rechtsanwalt S. aus A. auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Hagen vom 01. Oktober 1999 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Bewährungsbeschluss ist bestimmt, dass die Bewährungszeit drei Jahre beträgt, der Verurteilte während der Bewährungszeit jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht mitzuteilen und er 300 Stunden sozialen Hilfsdienst zu leisten hat. Der Verurteilte ist unbekannten Aufenthalts. Er ist in sein Heimatland Italien zurückgekehrt, ohne seine neue Anschrift mitzuteilen. Auch die Sozialstunden hat er nicht erbracht. Mit dem angefochtenen Beschluss der Strafkammer ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden, weil der Verurteilte grob und beharrlich gegen die Auflagen des Bewährungsbeschlusses verstoßen hat.

Inzwischen hat sich ein Verteidiger für den Verurteilten gemeldet und sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Landgerichts eingelegt. Er hat außerdem beantragt, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen und den Beiordnungsantrag zurückzuweisen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Strafkammer hat zu Recht die im Urteil vom 1. Oktober 1999 gewährte Strafaussetzung widerrufen. Der Verurteilte hat grob und beharrlich gegen die Auflagen des Bewährungsbeschlusses vom 1. Oktober 1999 verstoßen. Er hat seine neue Anschrift in Italien nicht mitgeteilt. Auch die Sozialstunden sind nicht erbracht.

Zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der Widerruf der Strafaussetzung auch nicht aus Gründen de Vertrauensschutzes unzulässig war. Die Bewährungszeit ist zwar seit dem 30. September 2002 abgelaufen, somit ist der Widerruf erst mehr als zwei Jahre nach diesem Ablauf erfolgt. Das Gesetz sieht eine Frist, innerhalb derer der Widerruf nach Ablauf der Bewährungszeit zu erfolgen hat, nicht vor. § 56 g Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 56 f Rn. 19 mit weiteren Nachweisen). Auch allgemeine Erwägungen stehen vorliegend der Annahme von Vertrauensschutz entgegen. Der Verurteilte hat nämlich durch sein Verhalten die eingetretene Verzögerung und den Umstand, dass er nicht auf das eingeleitete Widerrufsverfahren hingewiesen werden konnte, selbst verschuldet. Aufgrund des Bewährungsbeschlusses vom 01. Oktober 1999 war der Verurteilte verpflichtet, dem Gericht jeden Wechsel seines - damals noch bekannten - Wohnsitzes mitzuteilen. Er ist über die Strafaussetzung zur Bewährung und die Widerrufsmöglichkeiten belehrt worden. Wenn er sich in Anbetracht dieser Umstände anschließend dennoch mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland begibt, ohne die Strafkammer über seinen Aufenthaltsort zu informieren, hat er es selbst zu vertreten, wenn er nicht über die Einleitung des Widerrufsverfahrens informiert werden kann (ähnlich für die Frage des Verschuldens im Rahmen von § 44 StPO Senat in NStZ-RR 2004, 46, siehe dazu auch BGH NStE § 44 StPO Nr. 21; OLG Hamm JMBl NW 1973, 260; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, § 44, Rn. 7 a). Ein nachvollziehbarer Grund, sich der Überwachung durch das Gericht zu entziehen, ist nicht erkennbar. Zudem hat der Verurteilte der Strafkammer durch sein Untertauchen jede Möglichkeit genommen, bei ihm auf die Erfüllung der Bewährungsauflagen hinzuwirken. Deshalb konnte sich bei ihm kein Vertrauen darauf ausbilden, dass der Verstoß gegen die Bewährungsauflagen keine Folgen für die Strafaussetzung haben würde.

Da der Strafkammer der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt war, ist auch nicht zu beanstanden, dass sie ihn vor der Widerrufsentscheidung nicht angehört hat. Das kann zudem ggf. im Verfahren nach § 33 a StPO nachgeholt werden.

III.

Der Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger war zurückzuweisen. Die Beiordnung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger kommt im Vollstreckungsverfahren nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. Senat z.B. in StV 2000, 92 = NStZ-RR 2000, 113; siehe auch Beschluss des Senats vom 8. April 2003 in 2 Ws 273 und 274/03; Meyer/Goßner, a.a.O., § 140 Rn. 33 mit weiteren Nachweisen). Ein Grund zur Beiordnung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Weder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage noch die Schwere der Tat begründen die Notwendigkeit, einen Pflichtverteidiger beizuordnen.

Insoweit handelt es sich um eine Alleinentscheidung des mitentscheidenden Vorsitzenden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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