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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.11.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 414/02
Rechtsgebiete: IRG
Vorschriften:
IRG § 54 | |
IRG § 49 |
2 Ws 414/02 OLG Hamm
Beschluss
Strafsache (Vollstreckungshilfesache)
wegen Betruges, Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,
(hier: Rechtshilfe durch Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 4. September 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster vom 2. September 2002 und auf den Antrag des Verurteilten vom 3. September 2002 auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 11. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde und der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers werden als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
Gründe:
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Gerichts erster Instanz in Eupen/Belgien vom 10. November 1997 wegen Betruges, Urkundenfälschung und unerlaubten Besitzes von Kokain zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden, wobei wegen des Betruges und der Urkundenfälschung eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Gefängnisstrafe von neun Monaten verhängt worden ist.
Nach Mitteilung der belgischen Behörden ist dieses Urteil rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 26. April 2001, gerichtet an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, hat das belgische Justizministerium um Übernahme der Strafvollstreckung aus dem genannten Urteil vom 10. November 1997 ersucht.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Münster hat die Strafvollstreckungskammer durch den nunmehr angefochtenen Beschluss die Vollstreckung aus dem Urteil des Strafgerichts Eupen vom 10. November 1997 für zulässig erklärt und die in Belgien verhängte Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten in eine Freiheitsstrafe von gleicher Dauer umgewandelt und diese festgesetzt.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist gemäß § 55 Abs. 2 IRG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster hat das Urteil des Strafgerichts in Eupen vom 10. November 1997 zu Recht und mit zutreffender Begründung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt und zugleich zutreffend gemäß § 54 Abs. 1 IRG die in Belgien verhängte Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten in eine Freiheitsstrafe nach deutschem Recht von gleicher Dauer umgewandelt.
Die abgeurteilten Taten sind sowohl nach belgischem als auch nach deutschem Recht strafbar, wobei Vollstreckungsverjährung nach deutschem Recht noch nicht eingetreten ist.
Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 IRG sind ebenfalls sämtlich gegeben, insbesondere ist dem Verurteilten in dem belgischen Verfahren rechtliches Gehör und eine angemessene Verteidigung ermöglicht worden.
Zwar handelt es sich bei dem Urteil vom 10. November 1997 um ein sogenanntes Abwesenheitsurteil, da sich der Beschwerdeführer im Jahre 1997 in Deutschland in Haft befand. Das Urteil ist jedoch unter Wahrung der verfahrensrechtlichen Mindeststandards zustande gekommen, so dass es nicht darauf ankommt, ob das nach belgischem Verfahrensrecht vorgesehene Abwesenheitsverfahren mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar wäre (vgl. Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, IRG, § 49 Rdnr. 6 f).
Den von den belgischen Behörden übersandten Unterlagen kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer zunächst über die Sitzung der Ratskammer vom 10. Juni 1997 durch Einschreibebrief vom 9. Mai 1997 in Kenntnis gesetzt und vorgeladen worden ist. Nachdem durch Beschluss der Ratskammer vom 20. Juni 1997 die Sache vor das Strafgericht in Eupen verwiesen worden ist, wurde der Beschwerdeführer durch Einschreibebrief (so die Angabe der Staatsanwaltschaft Eupen im Schriftsatz vom 14. Juli 2001) bzw. durch Gerichtsvollzieherurkunde (so laut Mitteilung im Urteil des Gerichts in Eupen) vom 6. August 1997 zu der Sitzung des Gerichts in Eupen am 6. Oktober 1997, in der die Strafsache verhandelt worden ist, vorgeladen. Darüber hinaus kann den Ausführungen des belgischen Urteils entnommen werden, dass sich der Beschwerdeführer während des Ermittlungsverfahrens zu sämtlichen Vorwürfen, die zu seiner Verurteilung geführt haben, geständig eingelassen hat.
Dem Beschwerdeführer war somit das gegen ihn gerichtete Verfahren bekannt; er hätte auch seine Verteidigung dementsprechend einrichten können. Insoweit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Angaben wahrheitswidrig in das Urteil aufgenommen sein könnten.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt insoweit eine andere Beurteilung nicht. Zwar trägt der Beschwerdeführer vor, er sei zu den Vorwürfen, die Gegenstand des belgischen Urteils sind, nicht gehört worden. Zwar sei er von belgischen Beamten vernommen worden, nicht jedoch zu den konkreten Vorwürfen. Dadurch werden jedoch die Mitteilungen der belgischen Behörden, insbesondere der Inhalt des belgischen Urteils, nicht entkräftet, zumal der Beschwerdeführer ein erhebliches Interesse daran hat, ggf. mit unzutreffenden Ausführungen, eine Vollstreckbarkeitserklärung des belgischen Urteils zu verhindern.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedarf es nicht nach § 49 Abs. 2 IRG seines Einverständnisses mit der Vollstreckung des ausländischen Erkenntnisses in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 68, 69 SDÜ; Schomburg/Lagodny, a.a.O., Rdnr. 20 a).
Der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens unterscheidet sich auch insoweit von demjenigen, den der Senat im Beschluss vom 2. Oktober 2002 (2 Ws 327/02) zu beurteilen hatte, als in jenem Verfahren - bislang - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass der Verurteilte jenes Verfahrens vor Erlass des gegen ihn ergangenen Abwesenheitsurteils überhaupt Kenntnis von dem gegen ihn geführten Verfahren erlangt hat.
Die sofortige Beschwerde war daher mit der sich aus §§ 77 IRG, 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.
Auch der im Schriftsatz vom 3. September 2002 gestellte Antrag, dem Beschwerdeführer seinen bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, kann keinen Erfolg haben.
Eine unmittelbare Anwendung des nur für das Erkenntnisverfahren und die Hauptverhandlung geltenden § 140 Abs. 1 u. 2 StPO scheidet aus, so dass lediglich eine entsprechende Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO wie für das Vollstreckungsverfahren in Betracht zu ziehen wäre. Unabhängig davon, ob insoweit die Voraussetzungen vorliegen würden, ist das Exequaturverfahren mit der vorliegenden Entscheidung des Senats abgeschlossen. Eine rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch nicht möglich (vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 141 Rdnr. 8).
Bei der Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung handelt es sich um eine solche des mitentscheidenden Vorsitzenden des Senats.
Ende der Entscheidung
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