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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 433/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
Dem Angeklagten ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn dieser von seinem Verteidiger nur mangelhaft begründet und den Angeklagten an der Mangelhaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ersichtlich kein Verschulden trifft.
Beschluss

Strafsache

gegen A.S.

wegen Verkehrsunfallflucht u.a. (hier: Sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 1. kleinen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 30. September 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 11. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 30. September 2002 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt, aufgehoben.

Dem Angeklagten wird von Amts wegen auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Recklinghausen mit Urteil vom 8. November 2001 wegen Schuldunfähigkeit infolge Drogenkonsums vom Vorwurf verschiedener Verkehrsdelikte frei gesprochen worden. Das Amtsgericht hat dem Angeklagten allerdings die Fahrerlaubnis entzogen und für die Wiedererteilung eine Sperrfrist von drei Jahren angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Zum Berufungshauptverhandlungstermin ist er ordnungsgemäß geladen worden. Das Landgericht hat vor der Berufungshauptverhandlung ein Sachverständigengutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Angeklagte nicht (mehr) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei.

Im Berufungshauptverhandlungstermin am 16. September 2002 ist der Angeklagte nicht erschienen. Die Strafkammer hat deshalb seine Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Das Verwerfungsurteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 20. September 2002 zugestellt worden. Mit seinem am Freitag, dem 27. September 2002, eingegangenem Schreiben hat der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt. Diesen Antrag hat er damit begründet, dass der Angeklagte "aus gesundheitlichen Gründen" gehindert gewesen sei, den Berufungshauptverhandlungstermin wahr zunehmen. Zur Glaubhaftmachung hat sich der Verteidiger auf eine ärztliche Bescheinigung bezogen, die dem Antrag jedoch nicht beigefügt war.

Das Landgericht hat am Montag, dem 30. September 2002, den Wiedereinsetzungsantrag verworfen, weil der Angeklagte die Wiedereinsetzungsgründe nicht glaubhaft gemacht habe. Er habe entgegen seiner Ankündigung ein ärztliches Attest nicht vorgelegt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten, mit der er nun das Originalattest des Dr. med. Escher vom 1. Oktober 2002 vorlegt. Nach dem Inhalt dieses Attestes hat der Angeklagte den Gerichtstermin "am 16. 9. 02 wegen "akuter Erkrankung" nicht wahrnehmen können. Aus einem Vermerk über ein vom Vorsitzenden der Strafkammer mit dem Arzt geführtes Telefonat ergibt sich, dass der Angeklagte am 19. 9. 2002 bei seinem Arzt gewesen ist, "er hätte eine schwere Bronchitis mit Fieber gehabt".

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren und die sofortige Beschwerde zu verwerfen. Sie ist der Auffassung, der Wiedereinsetzungsantrag sei weder ausreichend begründet noch seien die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen ausreichend glaubhaft gemacht.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis auch begründet. Dem Betroffenen war gemäß §§ 44, 45 StPO Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren.

1. Der Generalstaatsanwaltschaft ist jedoch zunächst insoweit Recht zu geben, als der Wiedereinsetzungsantrag vom 27. September 2002 nicht den Anforderungen, die von Gesetzes wegen an einen zulässigen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen sind, entspricht. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass zur Zulässigkeit des Antrags ein Sachverhalt vorzutragen ist, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., 2001, § 45 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Dem wird der Antrag des Angeklagten nicht gerecht. Es wird lediglich vorgetragen, dass der Angeklagte "aus gesundheitlichen Gründen" gehindert war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, ob die "gesundheitlichen Gründe" es dem Angeklagten unzumutbar machten, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Nur dann wäre aber das Ausbleiben in der Hauptverhandlung genügend entschuldigt im Sinn des § 329 Abs. 1 StPO. Damit ist der Wiedereinsetzungsantrag vom 27. September 2002 unzulässig.

2. Dem Angeklagten war jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Den Angeklagten trifft an der Mangelhaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrages seines Verteidigers vom 27. September 2002 ersichtlich kein Verschulden (vgl. für einen vergleichbaren Fall BGH, Beschl. v. 31. 10. 1995 - 3 StR 456/95, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 9 - erkennbare Verteidigerfehler).

Dem Angeklagten war zudem (nunmehr) auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren, da inzwischen glaubhaft gemacht ist, dass das Ausbleiben des Angeklagten im Hauptverhandlungstermin am 16. September 2002 genügend entschuldigt ist. Der Angeklagte hat durch die Vorlage des ärztlichen Attestes vom 1. Oktober 2002 nachgewiesen, dass er "wegen akuter Erkrankung den Gerichtstermin nicht wahrnehmen" konnte. Bei dieser Erkrankung hat es sich nach der telefonischen Auskunft des behandelnden Arztes gegenüber dem Vorsitzenden der Berufungskammer um eine "schwere Bronchitis mit Fieber" gehandelt. Diese Erkrankung machte es für den Angeklagten nach Ansicht des Senats unzumutbar, sich von Hagen, seinem Wohnort, nach Recklinghausen, dem Gerichtsort, zu begeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 7 StPO und einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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