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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.02.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 55/2000
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 u. 6 | |
StGB § 283 a Nr. 1 |
OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
2 Ws 55 u. 56/2000 OLG Hamm
3 AR 338/00 GStA Hamm 71 KLs 21 Js 803/97. (28/98) LG Hagen
Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u.a.,
(hier: Haftbeschwerden der Angeklagten).
Auf die Haftbeschwerden der Angeklagten vom 7. Februar 2000 gegen die Haftbefehle der 1. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hagen vom 14. Januar 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Regul und die Richter am Oberlandesgericht Burhoff und Eichel nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die Haftbefehle werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Landeskasse auferlegt, die auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten zutragen hat.
Gründe:
Den Angeklagten wird u.a. Bankrott im besonders schweren Fall mit einer Schadenshöhe von ca. 12 Millionen DM gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 1, Absätze 2 und 6, 283 a Nr. 1 StGB bzw. Beihilfe dazu zur Last gelegt.
Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hagen Bezug genommen, die bereits unter dem 29. Juli 1998 erhoben worden ist.
Mit Datum vom 14. Januar 2000 hat die 1. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hagen die vorgenannte Anklage zugelassen und zugleich Haftbefehle gegen beide Angeklagten erlassen. Diese Haftbefehle sind den Angeklagten am 25. Januar 2000 verkündet worden. Das Landgericht Hagen hat die Haftbefehle durch Beschluss vom selben Tage außer Vollzug gesetzt, u.a. mit der Auflage, eine Kaution von 2 Millionen DM bei der Gerichtskasse in Hagen zu hinterlegen. Da die Angeklagten diese Auflage bisher nicht erfüllt haben, befinden sie sich seit dem 25. Januar 2000 in Untersuchungshaft.
Das Landgericht hat den Haftbeschwerden der Angeklagten, die sich u.a gegen die Annahme des alleinigen Haftgrundes der Fluchtgefahr wenden, lediglich insoweit abgeholfen, als die Kaution auf jeweils 1 Million DM reduziert worden ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Haftbeschwerden zu verwerfen.
Die Haftbefehle waren aufzuheben.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist bei beiden Angeklagten nicht gegeben.
Die Strafkammer hat zur Fluchtgefahr folgendes ausgeführt:
"Die Angeklagte muss aufgrund der ihr zur Last gelegten Tat eine mehrjährige Freiheitsstrafe befürchten. Dies gilt schon deshalb, weil ihr Vorgehen zu einem erheblichen Schaden geführt hat.
Allein dies bietet schon einen erheblichen Anreiz zur Flucht.
Hinzu kommt noch Folgendes:
Auch der mitangeklagte Ehemann der Angeklagten muss befürchten, zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Unter diesen Umständen wird ein gemeinsamer Entschluss, sich ins Ausland abzusetzen, deutlich erleichtert.
Dies gilt umso mehr, weil sich bei einer Verurteilung auch des Ehemannes der Angeklagten die Gefahr des Zugriffs der Gläubiger auf das Vermögen erheblich erhöht.
In diesem Fall wäre es den Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland nur noch in stark eingeschränktem Umfang möglich, die Vorteile des Vermögens zu nutzen.
Zudem erleichtert das Millionenvermögen die Flucht und den Neuaufbau einer Existenz im Ausland.
All dies begründet einen besonders hohen Fluchtanreiz.
Der Annahme der Fluchtgefahr steht auch nicht entgegen, dass sich die Angeklagte und deren Ehemann bisher dem Verfahren nicht entzogen haben. Im vorliegenden Verfahren hat sich nämlich der Fluchtanreiz durch die nunmehr erfolgte Eröffnung des Hauptverfahrens noch weiter erhöht. Den Angeklagten wird dadurch verdeutlicht, dass sich auch die Kammer den Rechtsausführungen der Verteidiger zur Straflosigkeit der Handlungen nicht angeschlossen hat."
Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Bereits mit der Anklageerhebung mussten sich die Angeklagten des hohen Risikos einer Verurteilung zu empfindlichen Freiheitsstrafen bewusst sein, ungeachtet der Bemühungen der Verteidigung, die für die Eröffnung des Verfahrens zuständige Wirtschaftsstrafkammer von der Straflosigkeit des ihren Mandanten zur Last gelegten Tuns zu überzeugen. Wenn die Angeklagten gleichwohl trotz der vom Landgericht wohl nicht zu Unrecht angenommenen finanziellen Leistungsfähigkeit die Möglichkeit, sich nach Anklageerhebung am 29. Juli 1998 bis zur Entscheidung über die Zulassung der Anklage mit Beschluss vom 14. Januar 2000 dem weiteren Verfahren und der drohenden Verurteilung durch Flucht zu entziehen, in Kenntnis aller Umstände bewusst nicht genutzt haben, muss es, trotz des zwischenzeitlich ergangenen Eröffnungsbeschlusses, für wahrscheinlicher gehalten werden, dass sich die Angeklagten dem Verfahren in der Hoffnung, letztlich mit ihrer Rechtsauffassung, sich nicht strafbar gemacht zu haben, durchzudringen, weiterhin stellen werden als dass sie sich durch Flucht entziehen (vgl. Kleinknecht/MeyerGoßner, StPO, 44. Aufl., § 112 Rdnr. 17; OLG Köln StV 97, 642).
Da auch ein anderer Haftgrund als derjenige der Fluchtgefahr nicht besteht, waren die Haftbefehle aufzuheben.
Für die am 9. März 2000 beginnende Hauptverhandlung gibt der Senat vorsorglich folgendes zu bedenken:
In der zur Tatzeit geltenden Konkursordnung fehlt eine dem § 11 der nunmehr geltenden Insolvenzordnung vergleichbare ausdrückliche Regelung, wonach ein Insolvenzverfahren (auch) über das Vermögen jeder natürlichen Person eröffnet werden kann.
Die Kammer wird sich daher im Hinblick auf eine ggf. unzulässige Rückwirkung mit der Frage befassen müssen, ob nach Tatzeitrecht natürliche. Personen der Konkursordnung unterfielen.
Ende der Entscheidung
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